Ein hebräisches Unikat in der UB? Eine Fachreferentin auf Spurensuche

Ein hebräisches Unikat in der UB? Eine Fachreferentin auf Spurensuche

Bücher, die nicht in einem Bibliothekskatalog (etwa OPAC oder Discovery) verzeichnet sind, sind verlorene Schätze, denn sie können nicht gefunden werden: Niemand weiß, dass es sie in dieser Bibliothek überhaupt gibt. Deshalb muss jeder Schatz einzeln gehoben, jedes Buch gesondert identifiziert, also „erschlossen“ und katalogisiert werden, und das kann mitunter zur Detektivarbeit werden, wie das folgende Beispiel zeigt:

Auf dem Schreibtisch der Fachreferentin für Theologie landete ein Buch, das im Zuge der Integration der Bibliothek des Erfurter Priesterseminars (Bibliotheksstempel „Kath. Priesterseminar Erfurt“) in die Universitätsbibliothek Erfurt gelangt war. Laut Besitzstempel hatte es dem Einbecker Oberlehrer Dr. Otto Adolf Ellissen (1859-1943; https://comdeg.eu/artikel/94740/; Besitzstempel) gehört, rein zeitlich gesehen könnte es sein Vater, der Philologe und Neogräzist Adolf Ellissen (1815-1872), erworben haben. Ob einer von beiden in andächtiger Nutzung des Buches auch die Kupferstichillustration von Rudolf Schäfer (1878-1961) auf das Vorsatzblatt gegenüber dem Titelblatt eingeklebt hat mit dem Thema „Jesus segnet die Kinder“/“Lasset die Kinder zu mir kommen“ (Mt 19,13-15; Mk 10, 13-16; Lk 18, 15-17; http://www.iconclass.org/rkd/73C7224/)?

Auf welchen Wegen genau das Buch in die Bibliothek des Priesterseminars Erfurt gelangte, konnte bisher nicht geklärt werden, vermutlich geschah dies aber im Jahr 1954, denn darauf deutet die Zugangsnummer „Z 54/1942“ hin (Analogien aus dem Bestand zeigen, dass 1942, obwohl es nach einer Jahreszahl aussieht, nicht das Zugangs-Jahr ist – zumal das Priesterseminar zusammen mit dem „Philosophisch-theologischen Studium“ Erfurt erst 1952 eingerichtet wurde; die Signaturen „Ex nT 357“, „/A 55“ [getilgt] sowie „A 26“ stammen ebenfalls aus der Bibliothek des Priesterseminars, auch dazu gibt es Analogien). Eventuell in diesem Zusammenhang erhielt das Buch den Einband mit der Aufschrift „Hebräische Übersetzung der 4 Evangelien“ (Blinddruck), vielleicht auch den handschriftlichen Eintrag „Hebräische Übersetzung der 4 Evangelien von Franz Delitzsch 1865“.

Allerdings führt dieser handschriftliche Vermerk in die Irre: Die Ausgabe von Franz Delitzsch (1813-1890) erschien erst ab 1877 (http://www.jstor.org/stable/527278). Die Jahreszahl 1865 ist aber Teil der gedruckten Titelseite des vorliegenden Buches (sogar zusätzlich versteckt in den mit Punkten versehenen hebräischen Buchstaben in der letzten Zeile vor der Jahreszahl, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Hebr%C3%A4ische_Zahlschrift), bleibt also eine fest gesetzte Größe, von der man ausgehen muss.

Wenn die Buchausgabe also nicht von Franz Delitzsch stammt: Wer könnte 1865 eine hebräische Übersetzung der Evangelien herausgegeben haben? Erstaunlicherweise gibt es einen (englischsprachigen) Wikipedia-Artikel über Bibelübersetzungen ins Hebräische, der für dieses Jahr eine Ausgabe von Ezekiel Margoliouth aufführt. Allerdings steht dort auch: „This is the only complete cantillated translation of the New Testament.” Aus zwei Gründen kann das vorliegende Buch also nicht Ezekiel Margoliouths Ausgabe sein: Es handelt sich lediglich um die vier Evangelien, nicht um das ganze Neue Testament. Und: Die Ausgabe ist nicht „cantilliert“, also mit einer speziellen Notation versehen, die Hinweise für den Gesang im Synagogengottesdienst gibt (wie etwa in einer späteren Ausgabe von Margoliouth [1923] zu sehen ist: https://vineofdavid.ffoz.org/remnant-repository/ezekiel_margoliouth/).

Dennoch hilft der Wikipedia-Artikel weiter, gibt er doch den Hinweis auf die „London Jews‘ Society“, deren Missionar Ezekiel Margoliouth war. Die 1809 gegründete „London Jews‘ Society“, die zeitweilig auch den Namen „London Society for Promoting Christianity Amongst the Jews” trug, hatte ab 1813 eine mehrfach revidierte hebräische Übersetzung des Neuen Testaments herausgegeben (1813-1816; 1838; 1864)[1]. An der ersten Übersetzung[2] nahm Franz Delitzsch, der ja von einem Vorbesitzer des vorliegenden Buches (womöglich, weil er keine andere kannte) als Urheber der enthaltenen Ausgabe verstanden wurde, Anstoß, da sie „in sprachlicher Korrektheit vieles zu wünschen übrig liess“ (s. http://www.jstor.org/stable/527278, 226) und fertigte eine eigene an, die, wie gesagt, ab 1877 in mehreren Auflagen erschien. Franz Delitzsch war als evangelisch-lutherischer Theologe Professor für Altes Testament und in diesem Zusammenhang ein hervorragender Hebraist. Seine Motivation für die Übersetzung des ganzen Neuen Testaments ins Hebräische war, neben dem sprachlichen Interesse, die Judenmission[3] — genau wie die der „London Society for Promoting Christianity Amongst the Jews”, wie der Name schon sagt.

Die dritte, durch die Society veranlasste Übersetzung (seit 1864) hatte Johann Christian Reichardt (geb. 1803) zu verantworten, wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit Ezekiel Margoliouth und Joachim Heinrich Raphael Biesenthal. In der Einführung einer Ausgabe, die die Versionen von 1838 und 1864 vergleichend gegenüberstellt, heißt es: „Le 21 avril 1865, on fait imprimer 2.000 exemplaires in-32 des quatre Evangiles, selon la nouvelle version.”[4] Könnte dies die vorliegende Ausgabe sein? Wo wären dann die anderen 1.999 Exemplare? Leider scheint es auf der ganzen Welt kein weiteres Exemplar dieser Ausgabe mehr zu geben, mit dem man das Vorliegende vergleichen kann – zumindest ist es bisher von keiner Bibliothek katalogisiert … womit wir wieder beim Eingangsthema wären!

Ich danke Susanne Küther (Institut für die Geschichte der deutschen Juden), Dr. André Junghänel (Bayerische Staatsbibliothek), Prof. Dr. em. Georg Hentschel, Dr. Michael Matscha (Bistumsarchiv Erfurt) sowie Thomas Bouillon und Holger Schultka für ihr Interesse, ihre Hinweise und den fruchtbaren Austausch!

Anmerkungen:

[1] Vgl. The four Gospels Translated into Hebrew by the London Society for Promoting Christianity amongst the Jews (1838+1864), Introduction par Jean Carmignac, Traductions hébraïques des Evangiles rassemblées par Jean Carmignac (Turnhout, Belgien: Brépols, 1985); W.T. Gidney, The history of the London Society for promoting Christianity amongst the Jews, from 1809 to 1908 (London: London Society for promoting Christianity amongst the Jews, 1908).

[2] Gustaf Dalman, “Das Hebräische Neue Testament von Franz Delitzsch,” Hebraica 9, No. 3/4 (1893) 226–231, 226: http://www.jstor.org/stable/527278.

[3] Er gründete 1871 den „Evangelisch-Lutherischen Centralverein für Mission unter Israel“ – welcher heute der „Evangelisch-lutherische Zentralverein für Begegnung von Christen und Juden“ ist, denn die Judenmission wird heute aus verschiedenen Gründen kritisch gesehen (https://de.wikipedia.org/wiki/Judenmission).

[4] Vgl. The four Gospels Translated into Hebrew by the London Society for Promoting Christianity amongst the Jews, S. XXVII.

10. Dezember 1971: Willy Brandt erhält den Friedensnobelpreis

In Erfurt weist manches auf den vormaligen Bundeskanzler Willy Brandt hin: zunächst der Bahnhofsvorplatz (heute: Willy-Brandt-Platz) mit dem Denkmal „Willy Brandt ans Fenster“, weiterhin die Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt. Am 10.Dezember 2021 jährt sich zum 50. Mal die Verleihung des Friedensnobelpreises an Willy Brandt. Die außerordentliche Ehrung würdigte weltöffentlich seine in der Bundesrepublik auch noch lange nach der Preisverleihung umstrittene, mutige Ostpolitik [1]. Im Unterschied zu späteren ähnlich motivierten Zuerkennungen des Friedensnobelpreises an Protagonisten friedensstiftender Initiativen hat sich Willy Brandts Ehrung als nachhaltig erwiesen, hat die Ostpolitik doch mittelbar zum Fall der Mauer 1989 beigetragen.

[1] Das sind 10 von 75 Treffern im Bibliothekskatalog OPAC zum Thema Ostpolitik:

Öffnungszeiten der UB zwischen Weihnachten und Jahreswechsel

Bitte beachten Sie unsere Öffnungszeiten um die bevorstehenden Feiertage:

  • Donnerstag, 23. Dezember          9 – 20 Uhr geöffnet
  • 24. Dezember – 02. Januar        geschlossen

Am 23. Dezember sind Ausleihe und Information 10 Uhr – 16 Uhr geöffnet. Die Selbstausleihe und die Rückgabe von Medien sind bis 20 Uhr möglich.

Ab 3. Januar 2022 sind wir zu den bekannten Öffnungs- und Servicezeiten wieder für Sie da.


Wir wünschen Ihnen ein frohes und gesundes Weihnachtsfest.

 

Please note our opening hours around the upcoming holidays:

Thursday 23 December                  9am – 8pm open
24 December – 02 January           closed

On 23 December, lending and information are open 10 am – 4 pm. Self-lending and return of media will be possible until 8pm.

From 3 January 2022 we will be open again at the usual opening and service times.

We wish you a happy and healthy Christmas.

 

 

Scandienst der Bibliothek jetzt auch für Studierende / Library scanning service now also available for students

Um das hybride Studium etwas zu erleichtern, bietet die Bibliothek ab dem 1. Dezember 2021 den kostenfreien Scandienst auch für die Studierenden der Universität Erfurt an:

https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/ausleihen-und-bestellen/fernleihe-und-lieferdienste/scandienst

Was kann gescannt werden?

Der Scandienst beinhaltet das Scannen von Buchkapiteln bis max. 10% des Werkes oder kompletten Zeitschriftenaufsätzen (gemäß Urheberrecht) aus dem Medienbestand der UB Erfurt.

Wie kann bestellt werden?

Nutzen Sie dieses elektronische Bestellformular, um Ihren Kopierwunsch an die Bibliothek zu senden.

Wann erfolgt die Lieferung?

Innerhalb von 1-3 Werktagen wird ein PDF des Artikels erstellt und Ihnen anschließend per E-Mail mit einem Downloadlink zugestellt.

 

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an unser Team Scandienst: scandienst.ub@uni-erfurt.de

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To support hybrid study the University Library will offer the free scanning service to students of the University of Erfurt as well, starting from 1 December 2021.

https://www.uni-erfurt.de/en/university-library-erfurt/borrowing-services/inter-library-loan-and-delivery-service/scanning-service

 

What can be scanned?

The scanning service includes the scanning of book chapters up to a maximum of 10% of the work or complete journal articles (according to German copyright law) from the holdings of the library.

How can I order?

Use this electronic order form to send your copy request to the library.

When will I receive the scan?

Within 1-3 working days a PDF of the article will be created and then sent to you by e-mail with a download link.

 

If you have any questions, feel free to contact our scanning service team: scandienst.ub@uni-erfurt.de

 

3G nun auch in der Bibliothek/3G in the Library

Die für die Präsenzlehre an der Universität bereits seit Semesterbeginn geltende 3G-Regel gilt ab 24.11.2021 auch für die Benutzung der Universitätsbibliothek. Das bedeutet:

  • Zutritt zur Bibliothek haben nur Personen, die einen 3G-Status nachweisen können, d.h. gegen COVID 19 geimpft, genesen oder aktuell negativ getestet sind.
  • Das entsprechende Zertifikat kann durch das hierzu berechtigte Personal kontrolliert werden, u.a. durch Bibliothekspersonal, studentische Aushilfskräfte oder Mitarbeiter*innen des Wachdienstes.
  • Neben dem jeweiligen Nachweis muss auch ein Identitätsnachweis (z.B. thoska, Personalausweis, Pass) mitgeführt und auf Verlangen vorgezeigt werden.
  • Wenn jemand den geforderten 3G-Nachweis nicht vorlegen kann, wird ihm/ihr der Zutritt zum Bibliotheksgebäude nicht gestattet.

Die bisher geltenden Regeln zum Tragen von medizinischen Schutzmasken, zum Einhalten von mind. 1,50 m Abstand im Gebäude und zur Kontaktdatenerfassung bleiben bestehen.

Wir danken allen Nutzerinnen und Nutzern für ihr Verständnis und die Unterstützung der aktuellen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 Bleiben Sie gesund!

The 3G rule, which applies to classroom teaching at the university since the beginning of the semester, will also apply to the use of the university library from 24 November 2021. This means:

  • Access to the library is only granted to persons who can prove 3G status, i.e. who have been vaccinated against COVID 19, have recovered or have currently tested negative.
  • The relevant certificate can be checked by authorised staff, including library staff, student assistants or security staff.
  • In addition to the respective certificate, proof of identity (e.g. thoska, identity card, passport) must also be carried and shown on request.
  • If someone cannot show the required 3G proof, he/she will not be allowed to enter the library building.

All previous rules on wearing protective medical masks, keeping a minimum distance of 1.50 m in the building and scanning/registering of contact data still apply.

We thank all our users for their understanding and support of the current protective measures to contain the SARS-CoV-2 coronavirus Stay healthy!

 

 

Datenbank zur American Consumer Culture

Weihnachtszeit ist eine Zeit des Kaufens, Konsumierens und natürlich auch der Werbung. Über das Datenbank-Infosystem (DBIS) der Bibliothek haben Sie Zugang zum hochinteressanten Archiv einer der ältesten und führenden Werbeagenturen der Welt: Die Datenbank J. Walter Thompson: Advertising America präsentiert digitalisiertes Quellenmaterial aus den Archiven der J. Walter Thompson Company. Studierende und Forschende können die Geschichte, die Arbeitsweise sowie die Unternehmenspolitik einer der größten und ältesten Werbefirmen der Welt erforschen. Die Materialen bieten Einblick in viele Aspekte der Kultur-, Sozial-, Geschäfts-, Marketing-, Verbraucher- und Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Die Sammlung umfasst nicht nur eine Galerie mit über 1.500 Printanzeigen, sondern bietet auch Zugriff auf Memoranden, Reports, Sitzungsprotokolle, Briefe und anderes mehr.

Der deutschlandweite Zugriff wird vom Fachinformationsdienst (FID) Anglo-American Culture mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bereitgestellt. Der externe Zugang ist für Hochschulangehörige über das Universitätsnetz (Shibboleth oder eduVPN) möglich.