Bislang nur in der UB Erfurt – jetzt auch im WWW

Die Universitätsbibliothek Erfurt besitzt etwa 5.000 deutsche Drucke des 16. Jahrhunderts, überwiegend Bände aus dem Besitz der Landeshauptstadt Erfurt, die seit 2001 als Depositum an der UB aufbewahrt werden. Da einige deutsche Bibliotheken bereits in den 1990er Jahren begannen, ihre historischen Bestände zu digitalisieren und im Internet zugänglich zu machen, enthält das Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen deutschen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD16) zu den meisten dieser Werke bereits einen Link zu einem Digitalisat. Bei etwa 900 Ausgaben aus dem 16. Jahrhundert ist das aber noch nicht der Fall – viele von ihnen existieren nur mehr in einem einzigen Exemplar, das sich in der Universitätsbibliothek Erfurt befindet.

Um diese einzigartigen Werke zugänglich zu machen, wurden in den letzten Monaten an der Universitätsbibliothek Erfurt die meisten bisher noch nirgends digital vorliegenden Bände bis zum Erscheinungsjahr 1530, insgesamt 58 Drucke, digitalisiert. Sie sind jetzt über die Digitale Historische Bibliothek Erfurt/Gotha abrufbar und werden in Kürze auch im VD16 erscheinen.

Dabei handelt es sich um eine bunte Mischung von Texten, von denen hier einige vorgestellt werden sollen.
Zuerst kommt ein dünnes Heftchen, von den ursprünglich 8 Blättern fehlt das erste, ein vollständiges Exemplar ist aber offenbar nirgends mehr erhalten. Es handelt sich hier um eine Fibel, also um ein Buch zum Lesenlernen: am Anfang ist jede Silbe eigens gedruckt, und ein Schrägstrich markiert den Beginn eines neuen Worts. Wie üblich, wurde das Erlernen der Schrift mit dem Erlernen der wichtigsten Texte des christlichen Glaubens verbunden: auf dem verlorenen ersten Blatt stand wohl zuerst das ABC, gefolgt vom Vater Unser und Gegrüßet seist du Maria. Dessen Ende erscheint oben auf der jetzt ersten Seite, gefolgt vom Glaubensbekenntnis mit Erläuterungen. Solche Fibeln waren natürlich in großer Zahl entstanden – doch wurden sie in den meisten Fällen nicht als ‚bibliothekswürdig‘ erachtet, so dass sie heute sehr selten sind.

Ähnlich selten wurde die reiche volkssprachliche Ratgeberliteratur gesammelt, die sich an Personen wandte, die zwar Lesen und Schreiben, aber kein Latein konnten. Die Bibliothek besitzt hier einige wenige Drucke, so ein Handbuch der Rossarznei (aus Tierschutzgründen wird davon abgeraten, diese Rosskuren tatsächlich auszuprobieren) oder eine Sammlung von Bauernregeln, von der die UB Erfurt offenbar das einzige Exemplar besitzt.

Zahlreiche andere Werke gehören dagegen in das Umfeld der Universität – etwa diese in Erfurt gedruckte, ebenfalls nur mehr hier vorhandene, Ausgabe einer Rede Ciceros, die mit anderen dünnen Bänden zusammengebunden ist und noch einen schönen originalen Einband besitzt.
In der Blütezeit der Universität um das Jahr 1500 bestand besonderes Interesse an der neulateinischen Dichtung der Humanisten, so dass viele sehr seltene Ausgaben aus dieser Zeit vertreten sind: diese Lebensbeschreibung des Heiligen Dionysius Areopagita in klassischen Versen ist noch mit schönen Buchmalereien versehen.

Dieser Band lenkt schon zur letzten Gruppe von Büchern, die hier vorgestellt werden sollen, nämlich religiöse Literatur. Dazu gehört das wohl schönste Werk, das digitalisiert werden konnte, das Hallische Heiltumsbuch, das den Reliquienschatz Albrechts von Brandenburg in seiner Hofkirche in Halle zeigte – nur wenige Jahre später wurden diese Reliquiare von der nun protestantischen Obrigkeit eingeschmolzen.

Ein Zeugnis der Erfurter Reformation ist das einzige bekannte Exemplar einer Erfurter Ausgabe der Bannbulle gegen Luther. Da die Stadt sich damals bereits der neuen Lehre zugewandt hatte, gab der Drucker zum Selbstschutz an, der Band sei in Rom gedruckt worden – doch wurde er als Hersteller erkannt (was keine Kunst war, da das Titelblatt seine Druckermarke, also sein Firmenzeichen, zeigt) und seine Werkstatt von Studenten geplündert.

Auch von Drucken, die nach 1530 entstanden waren, besitzt die Bibliothek mehrere hundert Exemplare, die nur hier vorhanden sind; es ist zu hoffen, dass die Universität Erfurt weiterhin die Digitalisierung dieser einmaligen kulturellen Zeugnisse vorantreibt.

Nik’laus ist ein guter Mann, dem man nicht genug danken kann!

Bischof NikolausWenn am Vorabend es 6. Dezember wieder viele Kinder in Deutschland ihre Stiefel (geputzt!) oder Teller vor die Tür stellen, freuen sie sich am Nikolaustag über Leckereien und andere Kleinigkeiten, die der Nikolaus wie jedes Jahr bringt.

Neben diesem beliebten deutschen Brauch gibt es auch in anderen Ländern Traditionen, die mit der Person des Heiligen Nikolaus verbunden sind.

Geboren wurde Nikolaus von Myra zwischen 270 und 286 in Patara (in der Antike eine lykische Hafenstadt); für das Sterbedatum gibt als gesichert der 6. Dezember, für das Jahr gibt es verschiedene überlieferte Angaben. Er wird in der katholischen und russisch-orthodoxen Kirche als Gabenbringer, Helfer in der Not und Wohltäter verehrt.

Mit dem Namen des Heiligen Nikolaus verbinden sich zahlreiche Legenden: das Kornwunder, die Spende einer Mitgift für drei arme Mädchen, um sie vor der Prostitution zu retten und die Auferweckung Verstorbener.

Auf unserer Abbildung (aus dem „Liber chronicarum“ des Hartmann Schedel – auch Schedelsche Weltchronik genannt) sehen wir einen Holzschnitt von St. Nikolaus. Bei diesem Druck aus dem Jahr 1497 (Signatur UB Erfurt, Dep. Erf. I. 4° 19) handelt es sich übrigens um einen Raubdruck.

Freuen wir uns auf den 6. Dezember, denn bald ist Nik’lausabend da!

Abbildung mit Text, dazu die Übersetzung (Dr. Berthold Kreß):

Bischof Nikolaus mit TextBischof Nikolaus

Nikolaus war aus einer berühmten Familie geboren und Bürger von Patara, einer Stadt in Lykien. Als er als Knäblein mit Muttermilch genährt wurde, begann er, zweimal in der Woche, am Mittwoch und Freitag [die in Klöstern Fasttage sind], die Brust zu verschmähen. Als er als junger Mann mit guten Anlagen zum Waisen wurde, tat er neben anderen guten Werken folgende gedächtniswürdige Tat: ein adeliger Nachbar wollte aufgrund der Armut seine heiratsfähigen Töchter zu Huren machen [da er keine Mitgift aufbringen konnte]. Als der Heilige das erfuhr, hatte er Mitleid mit diesem überaus elenden Mann. In der Nacht nahm er eine größere Menge Goldes und warf es heimlich durch das Fenster hinein. Als der Mann das empfangen hatte, verheiratete er damit die älteste Tochter. Dann machte [Nikolaus] dasselbe für die anderen beiden. Später wurde er zum Bischof von Myra gewählt. Er diente in aller Demut, war feurig im Ermuntern, streng im Tadeln, und floh vor dem Klatsch der Frauen. Dann begann er, durch Wunder zu glänzen, nicht nur bei den Seinen, sondern auch anderswo, so dass alle, die seinen Namen anriefen, Erleichterung erfuhren, vor allem bei Sturm und Schiffbruch. Als er endlich, alt und hochbetagt, spürte, dass sein Tod nahe sei, begann er zu beten. Als er dann Engel sah, sprach er: In Dich, o Herr, habe ich gehofft (Ps. 30.1). Schließ sprach er: In Deine Hände etc. [gebe ich meinen Geist] (Ps. 30.6) und gab seine Seele dem Herrn zurück. Man sagt, dass an seinem Grab Öl hervorbrach, durch das die dorthin gebrachten Kranken Heilung erlangten. Sein Fest wird am 8. Tag vor den Iden des Dezembers gefeiert.

 

 

Übrigens: kennen Sie die Nikolaikirche In Erfurt? Ist Ihnen unbekannt? Leider ist von dieser im etwa 10. oder 11. Jahrhundert erbauten Kirche nur der Nikolaiturm aus dem Jahr 1360/61 mit der restaurierten Elisabethkapelle erhalten.

Sankt Martin in zweifelhafter Gesellschaft

Zu den wichtigsten historischen Beständen der Stadtbibliothek Erfurt, die sich heute als Depositum in der Universitätsbibliothek befinden, gehören die fast 4000 Bände, die Philipp Wilhelm Graf von Boineburg (1656–1717), kurmainzischer Stadthalter in Erfurt, der Universität geschenkt hatte. Unter den ernsthaften theologischen und historischen Werken ragt ein Bändchen (3-Lp. 8° 220) mit dem unschuldigen Titel ‚Coloqvio de las damas‘ heraus. Hierbei handelt es sich um die spanische Übersetzung der Ragionamenti des italienischen Humanisten Pietro Aretino (1492–1556) – Dialogen, in denen diskutiert wird, ob das Klosterleben, die Ehe oder das ‚horizontale Gewerbe‘ für Frauen das Beste sei und die Wahl auf letzteres fällt.

In scharfen Kontrast zu diesem anrüchigen Text steht der Einband. Da Pergament ein kostbares Material ist, war es seit dem Mittelalter üblich, nicht mehr gebrauchte Pergamenthandschriften zu zerschneiden und für Einbände zu verwenden. Oft sind das nur kleine Fragmente, doch besitzt die UB Erfurt über 500 Bände, in denen, wie hier, der Einband mit solcher ‚Makulatur‘ überzogen ist.

In diesem Fall handelt es sich um ein Fragment aus der Lebensbeschreibung des Heiligen Martin von Sulpicius Severus, die um das Jahr 400 verfasst worden war. Da der Text gut bekannt ist, war es möglich, Lücken, die durch das Zuschneiden des Pergaments und verschiedene aufgeklebte Zettel entstanden waren, zu überbrücken. Eine Abschrift und Übersetzung des Textes können unter diesem Link gelesen werden.

Mit einem Fragment alleine kann man oft wenig anfangen. Jedoch wäre es durchaus möglich, dass der Buchbinder, der dieses Bändchen gebunden hatte, noch andere Teile der gleichen Handschrift für Bücher verwendete, die heute in ganz anderen Sammlungen aufbewahrt werden. Daher wurde vor einigen Jahren ein digitaler Katalog solcher Fragmente begonnen – es wäre zu hoffen, dass hier in Zukunft auch die Fragmente aus Erfurter Beständen erfasst werden könnten.

„Reisen in vergangenen Zeiten“ in der Sondersammlung der UB Erfurt

Zur Langen Nacht der Wissenschaften am 08. November 2019 erwarten die Besucher und Besucherinnen auch in der Universitätsbibliothek Erfurt zahlreiche interessante und spannende Angebote.

Mit Ausstellungen, Führungen und einem Bibliotheksquiz werden den Besuchern in der UB Einblicke in die bibliothekarische Arbeit gegeben, das Studium in früheren Zeiten und der Gegenwart anhand der Bestände erläutert, Innovationen und Alte Bestände gezeigt.

In der Sondersammlung der Universitätsbibliothek gibt es Handschriften und Inkunabeln aus der Bibliotheca Amploniana und Alte Drucke  mit dem Schwerpunkt „Reisen in vergangenen Zeiten“ zu sehen: Reisende berichten von ihren Abenteuern, praktische Tipps für die Ausstattung und die Durchführung werden erteilt und exotische Tiere und Pflanzen gezeigt.

Von 18 bis 22 Uhr können Sie die Sondersammlung besuchen – freuen Sie sich auf einen anregenden Einblick und lebhaften Austausch!

Die Bäume, die Sträucher, die Pflanzen sind der Schmuck und das Gewand der Erde.*

Kräuter- und Pflanzenbücher in der Sondersammlung der UB Erfurt

Immer wieder gern in Ausstellungen und Führungen gezeigt werden Handschriften und Alte Drucke mit Abbildungen und Texten von Blumen, Kräutern, Obst und Gemüse.

Im Bestand der Universitätsbibliothek befinden sich diverse „Klassiker“

Lavendel-Selbstdruck

wie der „Ortus sanitatis“ (Signatur: I. 4°354), eine Inkunabel aus dem Jahr 1497, Leonhart Fuchs´ „NEw Kreüterbuch …“   (Basel 1543, Signatur: 13-Nb. 2° 1301e) und Kniphofs „Botanica in originali“ (Signatur: 13-Ma. 4° 24b (01)), gedruckt 1733 in Erfurt.

Während die erstgenannten Drucke mehr oder weniger naturgetreue Abbildungen in Holzschnitttechnik enthalten, sind die Naturselbstdrucke in Kniphofs Werk detailgetreue Abbildungen mittels Naturobjekten.

Zum Wachsen und Reifen in der sommerlichen Jahreszeit nun noch einige Illustrationen aus dem „Kreutterbuch Deß Hochgelehrten und weitberühmbten Herrn D. Petri Andreae Matthioli…“ in der Bearbeitung von Joachim Camerarius (Frankfurt a. M. 1611, Signatur: 13-Ma. 2° 23t):

 

*Jean-Jacques Rousseau

„Nach allen Regeln der Kunst studiert. Lehren und Lernen in sieben Jahrhunderten“

Im laufenden Jahr 2019 feiert die Universität Erfurt das 25jährige Jubiläum ihrer Neugründung. Im Rahmen des Festjahres wird vom 23. bis 24. Mai 2019 eine Tagung mit dem Titel: „Wissenschaft im Umbruch. Erfurt und die Artistenfakultäten um 1500“ stattfinden, die an die lange Schul- und Lehrtradition Erfurts anknüpft. Themen der Tagung sind ausgehend von dem vor 500 Jahren im Jahr 1519 unternommenen Reformversuch die Lehre und der Lehrplan an den Artistenfakultäten der europäischen Hochschulen.

Anlässlich der Tagung wird vom 23. Mai bis 4. Juli eine Ausstellung mit dem Titel: „Nach allen Regeln der Kunst studiert. Lehren und Lernen in sieben Jahrhunderten“ in den Ausstellungsräumen der Universitätsbibliothek Erfurt zu sehen sein, die an Hand ausgewählter Zeugnisse aus dem Erfurter Lehr- und Hochschulbetrieb den Wandel der Lehre an den europäischen Artistenfakultäten aufzeigen wird. Ausgehend von dem spätantiken Modell der sieben freien Künste wird der Bogen über das Pariser Modell des 14. Jahrhundert bis hin zum Eindringen des Humanismus und dem damit verbundenen Methodenwandel gespannt.