Bienchen, summ herum – zum Weltbienentag am 20. Mai

Bienenkönigin, LA. 4° 322 (2)

In diesem Jahr mussten wir geduldig auf den Frühling und die ersten Flugversuche der Bienen warten. Mit dem Anstieg der Temperaturen über ca. 12 °C sind auch unsere Honigbienen (Apis mellifera) wieder unterwegs, um Pollen zur Ernährung zu sammeln und eine wichtige Aufgabe für unsere Landwirtschaft zu übernehmen, nämlich die Bestäubung von Blüten. Da Honigbienen – im Gegensatz zu Hummeln und den meisten anderen Wildbienen – blütentreu sind und immer nur eine Blütenpflanzenart anfliegen, solange diese genug Nektar hat, ist das für die Bestäubung dieser Pflanzenart enorm wichtig.

Bienenstöcke im “Hortus sanitatis”, I. 4° 354

Wer sich weiter über die Lebensweise von Honig- und Wildbienen informieren möchte, kann viele lesenswerte Beiträge im Internet finden, z. B. beim NABU, bei Stadtbienen.org  oder Wildbienen.de.

Geräte zur Pflege von Bienen, LA. 4° 322 (1)

Doch schon vor hunderten von Jahren wusste man um den Nutzen und die Wohltaten der Bienen und des Honigs und gab Informationen über ihr Leben und auch  Ratschläge zur Haltung weiter. In einer Inkunabel (I 4° 354) aus dem Jahr 1497 mit dem Titel „Hortus sanitatis …“ gibt es u.a. kolorierte Holzschnitte von Bienen und zwei aus Baumstämmen gefertigten „Bienenstöcken“ mit Einflugloch unten.

In einem Sammelband liegen uns gleich zwei umfangreiche Werke zur Imkerei vor: „Die rechte Bienen Kunst : Aus bewehrter erfahrung zusammen geschrieben …“ , LA. 4° 322 (1), von Caspar Höffler aus dem Jahr 1614 und „M. Johannis Coleri Nützlicher bericht von den Bienen oder Im[m]en …“ von Johann Coler, LA. 4° 322 (2) von 1611.  Auf der Abbildung sehen wir allerhand nützliche Gerätschaften für die Imkerei.

 

Noch einmal haben wir „M. Caspar Höfflers Rechte Bienen-Kunst …“   (40-03119) in unserem Bestand, „vermehret und verbessert“ (1741) durch Pfarrer Christoph Schrot. Im vorliegenden Band hat einer der Vorbesitzer zu den zahlreichen Illustrationen noch seine eigenen Anmerkungen notiert und bemerkenswerte Aussagen unterstrichen.

Wie fange ich ein schwärmendes Bienenvolk ein? 40-03119

 

Sie können gern in den Digitalisaten stöbern oder (noch besser) die Originale mit ihren exemplarbezogenen Besonderheiten im Sonderlesesaal der UB Erfurt anschauen. Dafür gibt es dann ein Fleißbienchen!

Andrea Langner

 

Wortschatz Bibliothek. Heute: Durchschossenes Exemplar, das; -e

Wer glaubt, dass durchschossene Bücher Opfer von Verbrechen oder Kriegshandlungen wurden, befindet sich auf dem Holzweg. Vielmehr stammt dieser Begriff aus dem Prozess der Buchherstellung: nach jedem beschriebenen oder bedruckten Blatt ist eine leeres Blatt eingebunden.

Dieses konnten z.B. die Autoren selbst für Korrekturen oder Ergänzungen (Anmerkungen für neue Auflagen) nutzen oder Käufer und Leser beauftragten das Einbinden der leeren Blätter, um Platz für handschriftliche Notizen zu haben – also zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem gedruckten Werk.

 

Handelt es sich bei einem Bibliotheksexemplar (wie hier LA. 4° 154 (1)) um ein durchschossenes Buch, wird dies in den Informationen zum Exemplar vermerkt und ist auch bei der Recherche im OPAC oder Discovery zu finden.

Einschussspuren am Exemplar (6-Tu. 4° 602)

Ein durch Einschuss beschädigtes Buch haben wir aber auch im Bestand: die Postinkunabel (Vocabularius Theologie …) wurde schwer beschädigt; dank umfangreicher Restaurierungsarbeiten ist dieser Band wieder nutzbar!

Restaurierungsbericht für 6-Tu. 4° 602

Andrea Langner

Wortschatz Bibliothek. Heute: Fingerprint, der; -s

Bei der Aufklärung von Verbrechen werden Fingerabdrücke am Tatort aufgrund ihrer Einzigartigkeit zur Identifizierung und Überführung des Täters oder der Täterin benutzt.

Bei der Identifizierung Alter Drucke im Bibliothekswesen werden Fingerprints erstellt, indem Zeichen von definierten Seiten und Zeilen eines gedruckten Werks entnommen werden in Kombination mit dem Erscheinungsdatum und einer evtl. Bandangabe. So lassen sich unterschiedliche Druckausgaben und – varianten unterscheiden.

Gebräuchlich sind zwei Arten der Fingerprintmethode: der LOC- bzw. FEI-Fingerprint und der STCN-Fingerprint.

In der UB Erfurt wird die erste Ermittlungsmethode genutzt, bei welcher man auf typographische Unterschiede im Zeilenumbruch setzt. Grenzen hat sie, wenn Nachdrucke zeilenidentisch sind und bei Auflagen mit gleichem Erscheinungsjahr.

Wie funktioniert nun das Ganze?

Der Fingerprint wird aus 16 Zeichen gebildet, die in vier Gruppen stehen. Es werden dazu genommen

  • Gruppe 1: zwei Zeichen der letzten und vorletzten Zeile (Zeilenende) von der ersten bedruckten Vorderseite nach der Titelseite
  • Gruppe 2: zwei Zeichen der letzten und vorletzten Zeile (Zeilenende) von der vierten Vorderseite nach der zuvor verwendeten Vorderseite
  • Gruppe 3: zwei Zeichen der letzten und vorletzten Zeile (Zeilenende) der Vorderseite, welche der für die zweite Gruppe herangezogenen folgt und die korrekte Zahl 13, ersatzweise 17, trägt
  • Gruppe 4: zwei Zeichen der letzten und vorletzten Zeile (Zeilenanfang) der Rückseite der für die dritte Gruppe verwendeten Seite

Dazu kommen noch

  • ein Anzeiger für die Seite des Buches, der die dritte Zeichengruppe entnommen wurde: “3” für Seite 13, “7” für Seite 17 oder “C” bei fehlender oder falscher Zählung.
  • das Erscheinungsdatum (mit „A“ für arabische und „R“ für römische Zahlen) und
  • bei mehrbändigen Werken die Zählung des Bandes

Beispiel:

Die eindeutige Identifizierung mit Fingerprint ist nicht nur bei der Erschließung des eigenen Bestands hilfreich, sondern auch bei der Arbeit mit Alten Drucken aus anderen Bibliotheken.

Klingt kompliziert? Auch hier gilt: Übung macht den Meister!

Mehr Informationen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Fingerprint_(Bibliothekswesen)

https://wiki.obvsg.at/Katalogisierungshandbuch/ArbeitsunterlagenFEAlteDruckeALMA 

Andrea Langner

 

Vor 500 Jahren erschien nach Michaelis das zweite Rechenbuch von Adam Ries

„Das macht nach Adam Ries(e) …“ — diese Redewendung ist weit verbreitet und bekannt. Sie bedeutet, dass man ein korrektes Rechenergebnis vorweisen kann. Der Mensch hinter der Redewendung war ein bedeutsamer Rechenmeister, der auch in Erfurt lebte und arbeitete.

Von Adam Ries (oder auch Adam Riese) wissen wir, dass er 1492 oder 1493 in Staffelstein geboren wurde als Sohn von Eva Kittler und Contz Ries. Über seine frühen Lebensjahre ist wenig bekannt, zu Schul- oder Universitätsbesuch gibt es keine Quellen.
Im Jahr 1517 wurde er in einem Streit, der vor dem Staffelsteiner Rat verhandelt wurde, erwähnt.
Wohl 1518 kam Ries nach Erfurt und war hier als Rechenmeister tätig. Außerdem veröffentlichte er zwei Rechenbücher: 1518 stellte er das 1. Rechenbuch „Rechnung auff der linihen“ fertig, gedruckt wurde es von Mathes Maler. In ihm wurde das Rechnen mit Rechenbrett und Rechenpfennigen für Kinder erklärt. Weitere Auflagen erschienen in derselben Werkstatt 1525, 1527 und 1530.
Auch das 2. Rechenbuch „Rechenung auff der linihen vnd federn“ wird im Jahr 1522 von Mathes Maler gedruckt, gefolgt von weiteren Auflagen 1525, 1527 und wieder 1533 sowie diversen Auflagen gedruckt vom Erfurter Melchior Sachse d. Ä..
Im selben Jahr verließ er Erfurt und zog ins Erzgebirge nach Annaberg, wo er die Arbeit an seinem Werk „Coß“ 1524 abschloss. Dieses Lehrbuch der Algebra wurde nicht gedruckt, Familienmitglieder und andere Interessierte konnten aber das Manuskript einsehen und damit arbeiten, ebenso mit einer zweiten Fassung. Erst 1992 (!) gab es einen Nachdruck dieser Handschrift.
Ries heiratet 1525 Anna Leuber, eröffnete eine private Rechenschule (heute Adam-Ries-Museum) und arbeitete in den späteren Jahren als Rezessschreiber und Berggegenschreiber (Erstellen bzw. Überprüfen von Abrechnungen im Erzabbau) und als Zehntner im Bergamtsrevier Geyer.
Im Jahr 1533 schrieb er eine Brotordnung für Annaberg, mit welcher die Preise für Brot und Brötchen errechnet wurden; diese Ordnung wurde 1536 gedruckt und von anderen Städten übernommen.
Sein 3. Rechenbuch „Rechenung nach der lenge auff den Linihen vnd Feder …“ (genannt die „Practica“, erschien im Jahr 1550 in Leipzig, welches erstmals ein zeitgenössisches Porträt von Adam Ries zeigt — mit Hinweis auf sein Alter in der Umschrift).
Adam Ries starb Ende März/Anfang April 1559 in Annaberg oder Wiesa und hinterließ mindestens 8 Kinder.

2. Rechenbuch von Adam Ries, erschienen 1532 bei M. Sachse d. Ä.: Rechnung auf der Linihen vnd Federn. UB Erfurt, Dep. Erf. , 13-A. 8° 841 (3), Titelblatt mit Notizen auf der gegenüberliegenden Seite (mit Worten ausgeschriebene Zahl)

Das 2. Rechenbuch, welches jetzt das 500jährige Jubiläum seines Erstdrucks feiert, wendet sich an Lehrlinge kaufmännischer und handwerklicher Berufe. Es wird neben dem Rechnen mit Rechenbrett auch das neuartige schriftliche Rechnen erklärt und Ries verwendet hierfür die damals noch nicht so gebräuchlichen arabischen Ziffern. Mit vielen Anwendungsaufgaben ist es praxisbezogen. Dieses erfolgreiche Rechenbuch wurde schon zu Lebzeiten Ries’ vielfach wieder aufgelegt und erschien in weit über 100 Auflagen insgesamt.

Anmerkungen:
Michaelistag ist der 29. September.
Das abgebildete Ensemble bestehend aus Bronzebüste, Rechenbrett und Tafel befindet sich am bzw. vorm Haus “Zum schwarzen Horn” in der Michaelisstraße 48 in Erfurt.

Weitere Informationen:
Zahlreiche Veröffentlichungen zu Adam Ries, Nachdrucke und Originale der Rechenbücher und die “Annaberger Brotordnung” findet man im Bestand der UB Erfurt.
Ab Mitte Oktober wird eine kleine Ausstellung in den Vitrinen vor dem Eingang zur Sondersammlung im 2. OG ein paar Einblicke ermöglichen.

Dort unter anderem zu sehen: “Adam Ries(e) und Erfurt. Rechnung auf den Linien — nach Adam Ries”, anlässlich des 500jährigen Erstdrucks herausgegeben von Manfred Weidauer

… auf dessen Engagement ich besonders hinweisen möchte: weidauer.de

Andrea Langner

 

„Rosen, Tulpen, Nelken – alle Blumen welken …“

Abb. 1

Viele Leser unseres Blogs kennen Sprüche wie diesen noch aus der Zeit, als Poesiealben in der Klasse die Runde machten: MitschülerInnen und LehrerInnen, aber auch Mitglieder der Familie trugen Sprüche ein; gern wurden die Texte mit Stammversbildern oder Fotos verschönert. So kann man sich auch in späteren Jahren an weisen Zitaten und mehr oder weniger denkwürdigen Versen erfreuen. Nachfolger dieses Brauchs sind Freundschaftsbücher, wo auf schon vorgedruckte Einträge nur noch geantwortet werden muss („Meine Lieblingsspeise ist: …“)
Der Ursprung dieser Alben aber liegt schon weit zurück: bereits im 16. Jahrhundert sammelten Studierende Unterschriften Ihrer Dozenten in Stammbüchern, den alba amicorum (z.B. an der Universität Wittenberg); der Brauch wurde ebenfalls an Adelshöfen, in Handelsstädten und in Künstlerkreisen gepflegt. Die Stammbuchbesitzer sammelten handschriftliche Einträge befreundeter oder bekannter (oftmals höherrangiger) Personen zu Erinnerungs- und Dokumentationszwecken. Sie konnten sich gleichzeitig auch selbst darstellen – sei es mit der prächtigen Ausstattung des Stammbuchs oder mit den Einträgen einflussreicher und berühmter Persönlichkeiten, die dann durchaus auf der “Karriereleiter” behilflich waren.

Abb. 2

Einige Stammbuchexemplare befinden sich im Handschriftenbestand der Universitätsbibliothek Erfurt, wobei das bekannteste das sogenannte „Stammbuch von Maximilian II.“ (UB Erfurt, Dep. Erf., CE 8° 28) ist. Allerdings ist es nicht das Stammbuch dieses Herrschers, sondern es enthält lediglich das Autograph Maximilians und das Wappen mit dem kaiserlichen Doppeladler (siehe Abbildung 2).

Stammbuchhalter war Johann Georg von Wartenberg, (?? bis 4.6.1647 Bamberg], ein Mundschenk Friedrichs V. von der Pfalz. Die Eintragungen datieren aus den Jahren 1602 bis 1647.

Abb. 3

Die Besonderheit dieses Stammbuches sind nicht die üblichen Eintragungen (manchmal nur in Form von Großbuchstaben als Abkürzung für einen damals üblichen Sinn- oder Bibelspruch) mit evtl. Federzeichnungen, sondern der Beschreibstoff: Buntpapiere der verschiedensten Art, z. B. Marmorpapier oder Silhouettenpapier, siehe Abbildung 3.

Auch Stammbücher aus späteren Jahren sind aufschlussreiche und schön anzuschauende Quellen ihrer Zeit: das Stammbuch des Johann Gottlieb Gerlach (UB Erfurt, Dep. Erf., CE 8° 28s), geführt von 1733 bis 1789 (Abbildungen 4 und 5), das Stammbuch des Johann Adam Hennig (UB Erfurt, Dep. Erf., CE 8° 30ac), geführt von 1794 bis 1804 (Abbildung 6) und das Tagebuch eines Mannes namens Wunder (UB Erfurt, Dep. Erf., CE 8° 28f) aus der Zeit Anfang 19 Jh., (Abbildung 1) seien hier genannt.

Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6

Diese und noch einige andere Stammbücher sind nur einem kleinen Leserkreis bekannt, wobei das Stammbuch Maximilians II. als einziges in digitalisierter Form vorliegt (Digitalisat in der Digitalen Historischen Bibliothek Erfurt/Gotha). Um sie weiteren Interessenten zugänglich zu machen, wäre auch eine Digitalisierung der anderen Exemplare wünschenswert, so dass die Aufnahmen im Projekt „Repertorium Alborum Amicorum“ mit den Digitalisaten angereichert werden können.

Andrea Langner

Wortschatz Bibliothek. Heute: Bleischlange, die; -n

Für die Benutzung Alter Drucke und Handschriften gilt das „Merkblatt für die Benutzung von historischem Buchbestand sowie sonstigen wertvollen Materialien der Universitätsbibliothek Erfurt“, in welchem die besonderen Benutzungsbedingungen aufgeführt werden.

Die Gemeine Bleischlange in ihrem natürlichen Habitat

Das bedeutet: kein Essen und Trinken im Sonderlesesaal, keine Benutzung von Kugelschreibern u. ä., sondern Bleistiften und der Einsatz von buchschonenden Hilfsmitteln.
Neben Handschuhen, die bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden, ist die Nutzung von Buchstützen und -keilen oder auch Buchkissen als Unterlage für die alten Werke selbstverständlich. Damit wird der historische Einband geschont und das Aufschlagen der Buchbände unterstützt. Während moderne Bücher meist ohne Probleme ganz aufgeklappt werden können (Öffnungswinkel von bis zu 180°), ist das bei Altbestand häufig nicht möglich.

Um die Buchseiten besser aufhalten zu können, kommt jetzt die Bleischlange zum Zuge: es handelt sich um eine schwere Bleischnur, die meist mit dunklem Samt bezogen ist. Sie wird vorsichtig über die Ecken oder Seitenränder gelegt und ermöglicht störungsfreies Lesen.So steht der bequemen und pfleglichen Nutzung von historischem Buchbestand nichts mehr im Wege!

Andrea Langner