Universitätsbibliothek Erfurt digitalisiert einzigartige Handschrift des Ursulinenklosters Erfurt

Im Besitz des Ursulinenklosters Erfurt befindet sich ein jahrhundertealter Codex, das Kapiteloffiziumsbuch des Weißfrauenklosters. Die Handschrift mit Einträgen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert wurde innerhalb des zentral am Erfurter Anger gelegenen Klosters von Generation zu Generation weitergegeben: Als das Weißfrauenkloster mit dem Tod der letzten Nonne 1667 vor der Auflösung stand, wurde es von Frauen aus dem Orden der Ursulinen übernommen, die bis heute dort wirken. Das Manuskript ist von großem historischem Interesse für die Erforschung der Kloster- und Stadtgeschichte Erfurts sowie der Frauenklöster Thüringens. Der Nekrolog ermöglicht einen Blick ins Klosterleben sowie in die Zusammenstellung des Konvents, außerdem erhellen Notierungen von Stiftungen persönliche Beziehungen zwischen Wohltätern und Konvent. Einen besonderen Blick gewähren die seit der Klosterreform in der Mitte des 15. Jahrhunderts notierten Eintragungen vornehmlich zu den sogenannten Nonnenkrönungen.

Andrea Wittkampf, Co-Leiterin des Bistumsarchivs Erfurt, hat die Handschrift erforscht und jüngst ihre Dissertation dazu vorgelegt: https://opac.uni-erfurt.de/DB=1/XMLPRS=N/PPN?PPN=1937762807.

In diesem Zusammenhang hat sie die Kooperation der Universitätsbibliothek Erfurt mit dem Ursulinenkloster Erfurt initiiert: Die Universitätsbibliothek Erfurt digitalisiert mit ihrer modernen und buchschonenden Technik, die auch für die Handschriften der Bibliotheca Amploniana (https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/suchen-und-finden/handschriften-inkunabeln-alte-drucke/bibliotheca-amploniana) eingesetzt wird, die kostbare Handschrift für die Ursulinen, welche selbst nicht über derartige professionelle Möglichkeiten verfügen. Die Infrastruktur für die Archivierung und Präsentation stellt die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) bereit. Somit wird das geschichtsträchtige Manuskript der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich gemacht und gleichzeitig durch eine Benutzungssperre für die Zukunft geschützt.

Die Digitalisate sind zugänglich unter: https://collections.thulb.uni-jena.de/receive/HisBest_cbu_00156047

Schwester Jutta Böhm (Oberin des Ursulinenklosters Erfurt) und Tobias Hohenberger (Geschäftsführer des Ursulinenklosters Erfurt) übergeben ihre Handschrift an Dr. Katrin Ott (Leiterin des Bereichs Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Erfurt) für die Digitalisierung am sog. Grazer Buchtisch. Mit dabei: Dr. Andrea Wittkampf (Co-Leiterin des Bistumsarchivs Erfurt), die die Handschrift erforscht und die Kooperation initiiert hat.

Vorgestellt: Alte Sprichwortsammlungen

„Morgenstund hat Gold im Mund“, „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ – diese oder andere Sprichwörter kriegt man häufig zu hören oder benutzt man gern, um eigene Erfahrungen oder Ratschläge „nett verpackt“ mitzuteilen, Moralvorstellungen weiter zu geben, Gemeinschaftsgefühle zu stiften oder Spannungen in Stresssituationen abzubauen. Oft kann man auch trösten und Mut machen, z.B. in trüben Lebenslagen oder unangenehmen Situationen.
Dabei handelt es ich in der Regel um einen kurzen und anschaulichen Satz, der ein Verhalten, eine Verhaltensfolge oder eine Tatsache veranschaulicht und eine praktische Lebensweisheit enthält.
Oftmals sind die Schöpfer unbekannt, allerdings gibt es auch Sprichwörter, welche als Zitate bekannten Werken entnommen wurden und deren Herkunft ignoriert wird, z.B. „Grau… ist alle Theorie“ aus Goethes „Faust“ oder „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“ aus den „Sprüchen Salomos“.

Schon in Sprichwörtersammlungen des 16. oder 18. Jahrhunderts tauchen uns auch heute noch bekannte Sprichwörter auf. Beispielhaft dafür stehen zwei Werke aus dem Altbestand der Universitätsbibliothek Erfurt:
1. „Sprichwoerter Schoene Weise Klůgredenn. Darinnen Teutscher vñ anderer Spraachen Hoefflicheit Zier Hoehste Vernunfft vñ Klůgheit … begriffen …“ von Sebastian Franck, gedruckt 1555 in Frankfurt/Main (10-Lgp. 8° 828).
Franck war in jungen Jahren Theologe, später erfolgreich (aber auch umstritten) als Schriftsteller, Chronist, Übersetzer und Buchdrucker. Dieses Buch der Sprichwörter erschien erstmals 1541 und enthielt neben den Sprichwörtern wohl bekannte Redewendungen, teilweise in Latein. Es folgten im Text ähnliche Redensarten, manchmal Erläuterungen oder Beispiele, die durchaus kritisch hinterfragt wurden.Aus dem 18 Jahrhundert stammt eine weitere Sammlung:

2. „ Thesavrvs Paroemiarvm Germanico-Ivridicarvm,  …“ von Georg Tobias Pistorius (10-Lgp. 8° 827c (2)). Diese Sammlung juristischer deutscher Sprichwörter erschien in 6 Bänden zwischen 1715 und 1725; Pistorius war ein deutscher Jurist, Historiker und Sprichwörtersammler. Aus Band 2, der 1715 in Leipzig erschien, sehen wir das Titelblatt und einen Ausschnitt von S. 154.

Andrea Langner

Augenweide im Stadtmuseum

Heute wurde im Stadtmuseum Erfurt eine neue Handschrift in die Bibliotheca-Amploniana-Vitrine gelegt. Gezeigt wird zunächst die prächtig gestaltete — und farblich unverändert strahlende — erste Seite des Codex Dep. Erf., CA 2° 27, der ungefähr 700 Jahre alt ist. In sechs Wochen wird eine Doppelseite aufgeschlagen, die wichtige Erkenntnisse zur Handschriftenproduktion im Mittelalter liefert.

Machen Sie sich selbst ein Bild von der eindrucksvollen Originalhandschrift aus Pergament im
„Haus zum Stockfisch“, Johannesstraße 169
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr

Dr. Katrin Ott, Leiterin des Bereichs Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Erfurt

Wortschatz Bibliothek. Heute: Konvolut, das; -e

Dieser im Bibliothekswesen häufig benutzte Begriff (von lat. convolvere, convolutum „zusammenrollen“) wurde ursprünglich für eine zusammengerollte Schriftrolle benutzt, ist aber auch in anderen Zusammenhängen bekannt: Konvolute gibt es z.B. im Archivwesen (eine Anzahl von zusammengehörenden Akten oder Schriften), bei Auktionen (eine Sammlung aus mehreren Objekten, ein Los) und sogar in der Medizin (ein Knäuel von verwachsenen oder verklebten Gefäßen oder Darmschlingen).

Dagegen ist die Nutzung des Konvolutbegriffs in Bibliotheken eher unspektakulär: es handelt sich um eine Zusammenstellung von verschiedenen Drucken in einem Sammelband. Diese einzelnen Drucke können thematisch oder inhaltlich zusammenhängen, müssen es aber nicht.

In unserem Altbestand haben wir z.B. Konvolute mit Dissertationen, Leichenpredigten und anderen Gelegenheitsschriften, aber auch mit verschiedenen Ratgebern oder Kalendern.

Zu sehen sind ein Alter Druck aus der Bibliotheca Boineburgica (Signatur: UB Erfurt, Dep. Erf., 3-T.ir. 4° 448), welche eine Schenkung des kurmainzischen Statthalters zu Erfurt Philipp Wilhelm von Boineburg war und ein Ratgeberbüchlein (Signatur: UB Erfurt, Dep. Erf.,13-A. 8° 841) mit verschiedenen Werken.

Der Sammelband aus der Bibliotheca Boineburgica (Provenienz 3) enthält 17 Einzelstücke, u.a. Dissertationen und theologische Streitschriften. Zu sehen ist das auf dem fliegenden Blatt von Hand notierte Inhaltsverzeichnis und die angeklebten Blattweiser aus festerem Papier.

Im anderen Band gibt es u.a. einen Ratgeber zur Metallgewinnung und -veredlung, ein „Probirbüchlin“ zu Feuerwerken und Edelsteinen, Adam Ries´ „Rechnung auff der Linihen vnd Federn ..“, ein Kochbüchlein und einen Kalender (Stück 10 im Konvolut).

Andrea Langner

Alte Bestände behüten und bewahren – aber wie?

Für die Alten Drucke, Handschriften und Karten, die in der Universitätsbibliothek Erfurt aufbewahrt werden und z.T. Jahrhunderte an Jahren alt sind, gilt es, eine Bestands wahrende Umgebung zu schaffen und erhaltende Maßnahmen zu ergreifen.

Wichtig ist zunächst eine Lagerung, bei der schädliche Umwelteinflüsse vermieden oder reduziert werden: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Lichteinfall müssen an die Bedürfnisse des alten Bestands angepasst werden.
Pergament- aber auch alte Papierseiten, Ledereinbände und Holzdeckel reagieren sehr sensibel auf zu hohe oder zu niedrige Luftfeuchtigkeit, die Temperatur sollte moderat sein. Große Schwankungen können zu zeitweiligen oder irreversiblen Schäden führen, eine konstante Überwachung mit Hygro- und Thermometern ist wichtig. Schimmelbefall muss vermieden, alte Schimmelschäden beobachtet, evtl. bestrahlt und anschließend sorgfältig und behutsam gesäubert werden.
Direktes Sonnenlicht ist schädlich, bei der Nutzung von Lichtquellen sollten LED-Leuchten eingesetzt werden, die keine zusätzliche Wärme abgeben und die Lichtstärke sollte 50 Lux z.B. bei Ausstellungen (für höchstens 6 Wochen!) nicht überschreiten.

Bei der Lagerung in Regalen sollten diese im Raum und nicht unmittelbar an einer Wand stehen, damit die Luft zirkulieren kann. Alle Bücher sollten im Regal geradestehen, gehalten durch Buchstützen; sehr große Bände evtl. gelegt werden, um Verformungen des Korpus zu vermeiden.
Beim Herausziehen der Bücher sollte man das Anfassen am oberen Buchende vermeiden, dies führt zu vermeidbaren Schäden am oberen Buchrücken und dem Kapital.

Oft gibt es Bilder historischer Büchersammlungen mit prächtigen Bänden zu bestaunen; der Altbestand in den Magazinen der UB Erfurt ist dagegen zum großen Teil in Kassetten (passgenau für das betreffende Buch), Schubern oder Mappen abgelegt. Diese Verpackungen aus säurefreiem Material sind nicht ansehnlich, schützen aber vor Staub und zu viel Licht und sind auch für eine ordentliche Aufstellung gut geeignet. Buchbänder aus Baumwolle mit Kordelstoppern halten die Bücher zusammen, damit kein Staub eindringt und der Buchblock nicht weit aufsperrt.

Müssen Bände – wie kürzlich vor der Digitalisierung der Amploniana-Handschriften nötig – gereinigt werden, geschieht dies Buch schonend mit weichem Pinsel und Schmutzradierer, bei Drucken auch mit besonderem Staubsauger, unter einer Absaughaube.

Bei der Benutzung im Sonderlesesaal der UB Erfurt wird darauf geachtet, dass Buchkeile aus Schaumstoff oder bewegliche Kissen zum Unterlegen und Buchschlangen zum Offenhalten benutzt werden; Tinte, Kugelschreiber, Getränke und schmutzige Hände haben hier nichts verloren.
Mit der Digitalisierung alter Bestände tragen wir auch zum Bestandschutz bei, da die Originale nicht unbedingt genutzt werden müssen, wenn die Digitalisate vorliegen.

Kurz gesagt: Mit der richtigen Lagerung, Pflege und sorgsamen Benutzung können unsere wertvollen alten Bestände lange erhalten bleiben und auch zukünftigen Generationen zugänglich gemacht werden.

So bitte nicht! Über die grauenhafte Unterbringung der Handschriften der Bibliotheca Amploniana schreibt der Universitäts-Secretarius L. Cromhart Anfang des 18. Jahrhunderts:

„die andere ist die Amplonianische Bibliothec …so viel weiß ich, daß sie in dem dazu gewidmeten Gemache trefflich confus untereinander liege: … so wird ihrer doch ja wohl übel gehütet, … daß auf manchem Buch der Staub zwey Finger dick ruhe und niemand wisse, welches das oberste oder unterste Theil der Bibliothec bedeute.“

Aus: Weinrich, J. M.: Kurtz gefaßte und gründliche Nachricht Von den Vornehmsten Begebenheiten Der uhralten und berühmten Haupt Stadt Erffurt in Thüringen …, Frankfurt ; Leipzig : Martini, 1713, S. 297 (13-Ef. 8° 105gab)

Andrea Langner

Medizinische Amploniana-Handschrift im Stadtmuseum

Im Stadtmuseum Erfurt werden in einer speziellen Buchvitrine regelmäßig Handschriften der Bibliotheca Amploniana ausgestellt.
Beim aktuell gezeigten Codex Dep. Erf., CA 4° 173 aus dem 13. Jahrhundert handelt es sich um eine „Articella-Handschrift“*, also einen zur sog. Articella („Kleine Kunst“) zusammengestellten Kanon medizinischer Schriften, welcher das zentrale Lehrbuch für Medizinstudenten bis ins 16. Jahrhundert bildete. In den nächsten sechs Wochen wird das Blatt 42 recto (rechte Seite) gezeigt, danach für sechs Wochen das Blatt 11 verso (linke Seite).

Machen Sie sich selbst ein Bild von der sehenswerten Originalhandschrift aus Pergament im
„Haus zum Stockfisch“, Johannesstraße 169
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

 

*Zum Thema „Articella-Handschriften“ sind bereits mehrere Blog-Beiträge erschienen:
https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/die-articella-handschriften-der-amploniana-eine-mittelalterliche-lehrbuchsammlung/
https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/die-articella-handschriften-der-amploniana-und-ihre-franzoesische-herkunft/
https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/der-buchschmuck-in-den-articella-handschriften/
https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/amplonius-ein-strategischer-buechersammler-ein-leben-lang/

 

Dr. Katrin Ott, Leiterin des Bereichs Sondersammlungen der Universitätsbibliothek Erfurt