Der Katalog des Amplonius

Für die Stiftung seiner Bibliothek an das von ihm gegründete Kolleg zur Himmelspforte (Collegium Porta Coeli) erfasste Amplonius Rating de Berka zwischen 1410 und 1412 alle Werke, die er zu diesem Zeitpunkt besaß, in einem Katalog. Das waren 633 Codices mit etwa 4.500 Werken, und damit die größte geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines einzelnen Gelehrten des Spätmittelalters! Ob Amplonius diesen Katalog tatsächlich eigenhändig geschrieben, diktiert oder in Auftrag gegeben hat, darüber diskutieren Handschriftenforscher:innen bis heute. Auf jeden Fall ist er eine zeitgenössische Quelle, wie sie sich bei privaten Büchersammlungen selten erhalten hat.

Der Katalog mit seinen 46 Blatt hat ein schmales Hochformat (“Schmal-Folio”. Höhe: 31,5 cm; Breite: 12,4 cm) und ist in Papier eingebunden, welches eine aus dem späteren 18. Jahrhundert stammende Aufschrift trägt: “Amplonii Ratynck de Berka (al. de Fago) artium et medicinae Doctoris Catalogus librorum manuscriptorum in propria bibliotheca asservatorum”: “Katalog der in der eigenen Bibliothek des Amplonius Ratynck de Berka (alias de Fago), Doktors der Artes und der Medizin, verwahrten handgeschriebenen Bücher”.

Katalog des Amplonius, Dep. Erf., CA 2° 404, Einband mit Beschriftung aus dem späteren 18. Jahrhundert: https://dhb.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/ufb_derivate_00015872/CA-2-00404_0005.tif

Der Katalog ist in 12 Abteilungen gegliedert. Jede Abteilung beginnt mit den Worten “Isti sunt libri quos ego Amplonius habeo …”: “Das sind die Bücher, die ich, Amplonius, besitze …”.

Katalog des Amplonius, Dep. Erf., CA 2° 404, Beginn des Verzeichnisses seiner im Bereich Theologie gesammelten Werke : “De Theologia: Isti sunt libri quos Ego Amplonius habeo in sacra theologia”: “Über die Theologie: Dies sind die Bücher, die ich, Amplonius, in der heiligen Theologie besitze”; https://dhb.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/ufb_derivate_00015872/CA-2-00404_0062.tif?logicalDiv=log_811496-ba6e-6be3-c14fb8d89

Wie hier bei der Theologie werden in dem Katalog nach der Benennung des Fachs jeweils die einzelnen Bände und die in ihnen enthaltenen Schriften aufgeführt.

Grammatik und Poetik: 71 Codices
Logik (Dialektik): 27 Codices
Rhetorik: 12 Codices
Mathematik: 73 Codices
Naturphilosophie einschließlich Alchemie: 64 Codices
Metaphysik: 15 Codices
Moralphilosophie (Ethik): 35 Codices
Medizin: 101 Codices
Zivilrecht: 7 Codices
Kirchenrecht: 16 Codices
Theologie: 212 Codices

Diese Fachgebiete entsprechen im Wesentlichen den im 15. Jahrhundert studierbaren Fächern (septem artes liberales mit Trivium und Quadrivium als Vorbereitung auf die Fächer Theologie, Jurisprudenz und Medizin) und spiegeln damit Amplonius’ Sammlungsinteressen als Doktor der Medizin, Professor, Arzt und Theologe (https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/suchen-und-finden/handschriften-inkunabeln-alte-drucke/bibliotheca-amploniana/sammlung/amplonius-rating-de-berka).

Amplonius selbst hat auch nach 1412 weiterhin Bücher gesammelt (gest. 1435), und durch Zustiftungen der Stipendiaten des Collegiums wuchs der Bestand an Handschriften fast auf das Doppelte an. Es gingen aber im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Codices verloren oder gelangten auf unterschiedlichsten Wegen in anderes Eigentum (vgl. den Lesezeichen-Beitrag vom 21.02.2023: https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/amploniana-handschrift-in-goettingen-wiedergefunden/). Eine genaue Bezifferung der Verluste oder gar eine genaue Rekonstruktion der amplonianischen Bestände in ihrer ursprünglichen Anzahl ist aktuell nicht möglich und wäre ein eigenes Forschungsprojekt. Heute enthält die Bibliotheca Amploniana insgesamt 979 Handschriftenbände sowie 1882 Inkunabeln und Drucke. Die Handschriften werden seit 2019 in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projekt digitalisiert und tiefenerschlossen (https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/neues-dfg-projekt-bibliotheca-amploniana-in-der-universitaetsbibliothek-erfurt/; https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/blick-hinter-die-kulissen-tiefenerschliessung-in-der-sondersammlung/; https://www2.uni-erfurt.de/bibliothek/blog/dfg-foerdert-fortsetzung-der-digitalisierung-der-bibliotheca-amploniana/).

Dr. Katrin Ott

KEK fördert Restaurierung zweier Amploniana-Handschriften

Die durch Bundesmittel finanzierte Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) fördert im Rahmen ihrer Modellprojektförderung die Restaurierung zweier Handschriften der Bibliotheca Amploniana.

Diese Förderung steht im Zusammenhang mit dem DFG-Projekt „Digitalisierung und Tiefenerschließung von Handschriften der Bibliotheca Amploniana in der Universitätsbibliothek Erfurt“, dessen Ziel es ist, bis Ende September 2025 alle 977 in der UB Erfurt befindlichen Codices Amploniani (CA-Handschriften) zu digitalisieren.

Voraussetzung für die Digitalisierung und Erschließung ist, dass alle Handschriften in einem dafür geeigneten konservatorischen Zustand sind.

Bei den den spätmittelalterlichen Handschriften Dep. Erf., CA 4° 263 und Dep. Erf., CA 4° 323 sind die Schäden so komplex und die Arbeiten so aufwendig, dass dafür ein externer Auftrag vergeben werden muss.

Beide Handschriften waren im Frühjahr 1922 vom Erfurter Buchbinder und Einbandforscher Adof Rhein (dessen Nachlass in der Universitätsbibliothek Erfurt verwahrt und aktuell wissenschaftlich erschlossen wird https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/suchen-und-finden/sammlungen-der-ub-erfurt/nachlass-adolf-rhein) den damaligen Standards gemäß restauriert worden. Leider wurde dabei zum Teil Material verwendet, das sauer wurde und dringend entfernt werden muss, um Schäden am Papier zu vermeiden.

Voraussichtlich im Dezember werden die Arbeiten durchgeführt sein und im Rahmen einer Veranstaltung der Öffentlichkeit vorgestellt werden.


Komplexe Papierschäden an Dep. Erf., CA 4° 263


Restaurierungsbericht von Adolf Rhein zur Handschrift Dep. Erf., CA 4° 263

Transkription:
Das Buch war auf ledernen Rückenstreifen
geheftet. Der hintere Pgtumschlag fehlte
die letzten Lagen waren stark beschädigt.
Der Rückenstreifen war angekohlt.
Rückenstreiften u. hinterer Pgtumschlag
sind erneuert. Das Buch ist ausgebessert
neu geheftet worden in der alten
Art.
Mai 1922 Rh


Komplexes Schadensbild an Dep. Erf., CA 4° 323


Restaurierungsbericht von Adolf Rhein zur Handschrift Dep. Erf., CA 4° 323

Transkription:
Das Buch war in Pgtumschlag sehr
mangelhaft geheftet. Nur die
vordere Umschlaghälfte war erhalten,
sie war mit Papier hinterklebt.
Das Buch war in sehr schlechtem Er-
haltungszustand. Es ist stark aus-
gebessert u. neu ½ Pgt gebdn
worden.
März 1922 Rh

Ein Beitrag von: Dr. Katrin Ott

Annemarie Schimmel in der Türkei: Vitrinenausstellung im 2. OG

Die namhafte Orientalistin Annemarie Schimmel, 1922 in Erfurt geboren, hat in ihrem langen Leben fast wortwörtlich die ganze Welt bereist. Eine Vitrinen-Ausstellung im 2.OG widmet sich ihrer Begegnung mit der Türkei, wo sie von 1954 bis 1959 als erste Frau Ordinaria für Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät in Ankara war. Auch später reiste sie häufig in die Türkei und erhielt zahlreiche Auszeichnungen “als Anerkennung und […] Dank für ihre wertvolle Arbeit zur Erforschung und Förderung der türkischen Kultur”, wie es auf einer Ehrenurkunde der Türkischen Republik heißt (in der Ausstellung zu sehen!). Da Annemarie Schimmel einen Teil ihres Nachlasses der Universität Erfurt vermachte — neben Büchern auch ihre Orden und Ehrenzeichen sowie die dazugehörige Korrespondenz –, wird das Thema durch solche illustriert. Hinzu kommen Bücher aus ihrem eigenen Besitz und Textpassagen aus ihrer Autobiographie (Morgenland und Abendland: mein west-östliches Leben: BE 8607 S335 M8), die “Annemarie Schimmel in der Türkei” lebendig werden lassen.

Die Geschichte zu diesem Bild wird in der Ausstellung erzählt …

Dr. Katrin Ott

Bienchen, summ herum – zum Weltbienentag am 20. Mai

Bienenkönigin, LA. 4° 322 (2)

In diesem Jahr mussten wir geduldig auf den Frühling und die ersten Flugversuche der Bienen warten. Mit dem Anstieg der Temperaturen über ca. 12 °C sind auch unsere Honigbienen (Apis mellifera) wieder unterwegs, um Pollen zur Ernährung zu sammeln und eine wichtige Aufgabe für unsere Landwirtschaft zu übernehmen, nämlich die Bestäubung von Blüten. Da Honigbienen – im Gegensatz zu Hummeln und den meisten anderen Wildbienen – blütentreu sind und immer nur eine Blütenpflanzenart anfliegen, solange diese genug Nektar hat, ist das für die Bestäubung dieser Pflanzenart enorm wichtig.

Bienenstöcke im “Hortus sanitatis”, I. 4° 354

Wer sich weiter über die Lebensweise von Honig- und Wildbienen informieren möchte, kann viele lesenswerte Beiträge im Internet finden, z. B. beim NABU, bei Stadtbienen.org  oder Wildbienen.de.

Geräte zur Pflege von Bienen, LA. 4° 322 (1)

Doch schon vor hunderten von Jahren wusste man um den Nutzen und die Wohltaten der Bienen und des Honigs und gab Informationen über ihr Leben und auch  Ratschläge zur Haltung weiter. In einer Inkunabel (I 4° 354) aus dem Jahr 1497 mit dem Titel „Hortus sanitatis …“ gibt es u.a. kolorierte Holzschnitte von Bienen und zwei aus Baumstämmen gefertigten „Bienenstöcken“ mit Einflugloch unten.

In einem Sammelband liegen uns gleich zwei umfangreiche Werke zur Imkerei vor: „Die rechte Bienen Kunst : Aus bewehrter erfahrung zusammen geschrieben …“ , LA. 4° 322 (1), von Caspar Höffler aus dem Jahr 1614 und „M. Johannis Coleri Nützlicher bericht von den Bienen oder Im[m]en …“ von Johann Coler, LA. 4° 322 (2) von 1611.  Auf der Abbildung sehen wir allerhand nützliche Gerätschaften für die Imkerei.

 

Noch einmal haben wir „M. Caspar Höfflers Rechte Bienen-Kunst …“   (40-03119) in unserem Bestand, „vermehret und verbessert“ (1741) durch Pfarrer Christoph Schrot. Im vorliegenden Band hat einer der Vorbesitzer zu den zahlreichen Illustrationen noch seine eigenen Anmerkungen notiert und bemerkenswerte Aussagen unterstrichen.

Wie fange ich ein schwärmendes Bienenvolk ein? 40-03119

 

Sie können gern in den Digitalisaten stöbern oder (noch besser) die Originale mit ihren exemplarbezogenen Besonderheiten im Sonderlesesaal der UB Erfurt anschauen. Dafür gibt es dann ein Fleißbienchen!

Andrea Langner

 

Zum 101. Geburtstag von Annemarie Schimmel

Am 7. April 2023 wäre Annemarie Schimmel 101 Jahre alt geworden.
Die namhafte Islamwissenschaftlerin verstarb allerdings schon 2003 im Alter von 80 Jahren.
Ihrer Geburtsstadt Erfurt war sie offenbar zeitlebens verbunden – obwohl sie nach Lebensstationen in Berlin, Marburg, Ankara und Harvard ihre letzten Lebensjahre in Bonn verbrachte, wo sich auch ihr Grab befindet. So wurde sie 1997 Mitglied im Kuratorium der Universität Erfurt und vermachte derselben Teile Ihrer Bibliothek sowie ihre Orden und Ehrenzeichen. Letztere werden in einer kleinen Dauerausstellung in der Universitätsbibliothek gezeigt, welche nach Voranmeldung zu besichtigen ist (https://www.uni-erfurt.de/fileadmin/einrichtung/bibliothek/Infomaterialien/info_ASchimmel.pdf).
Ohne Voranmeldung sind einige Stücke am 23. Juni 2023 bei der Langen Nacht der Wissenschaften in der Universitätsbibliothek zu sehen. Die Inhaberin der Professur für Allgemeine Religionswissenschaft, Dr. Katharina Waldner, sowie Ayse Yasar, Doktorandin in der Religionswissenschaft, machen daraus lebendige Geschichte(n), indem Sie die in jeder Hinsicht bemerkenswerte Karriere dieser Wissenschaftlerin beleuchten, die von ihrer Arbeit sagte, sie sei eine „One-Women-Show“.

Weitere Informationen über Annemarie Schimmels Leben sowie über Ausstellungen und Veranstaltungen über sie sind hier zusammengestellt: https://www.uni-erfurt.de/bibliothek/suchen-und-finden/sammlungen-der-ub-erfurt/bibliothek-annemarie-schimmel

Annemarie Schimmels Autobiographie, die nur ein halbes Jahr vor ihrem Tod vollendet wurde, befindet sich in der Universitätsbibliothek Erfurt unter der Signatur BE 8607 S335 M8(4) (https://opac.uni-erfurt.de/DB=1/XMLPRS=N/PPN?PPN=363238492)

Den in der Universitätsbibliothek befindlichen Buchbestand aus Annemarie Schimmels Privatbibliothek finden Sie hier: http://opac.uni-erfurt.de/DB=1/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&SRT=YOP&TRM=sgn+bibliothek+annemarie+schimmel

Orden, Preise, Ehrenprofessuren und -doktorate, Ehrenmitgliedschaften, Ehrenurkunden usw. von Annemarie Schimmel sind erfasst in: https://kalliope-verbund.info/de/findingaid?fa.id=DE-611-BF-72078&fa.enum=1

Fotos (Prof. Dr. Katharina Waldner privat): Annemarie Schimmels Elternhaus Am Nettelbeckufer 7 in Erfurt

Prof. Dr. Katharina Waldner und Dr. Katrin Ott

Wortschatz Bibliothek. Heute: Durchschossenes Exemplar, das; -e

Wer glaubt, dass durchschossene Bücher Opfer von Verbrechen oder Kriegshandlungen wurden, befindet sich auf dem Holzweg. Vielmehr stammt dieser Begriff aus dem Prozess der Buchherstellung: nach jedem beschriebenen oder bedruckten Blatt ist eine leeres Blatt eingebunden.

Dieses konnten z.B. die Autoren selbst für Korrekturen oder Ergänzungen (Anmerkungen für neue Auflagen) nutzen oder Käufer und Leser beauftragten das Einbinden der leeren Blätter, um Platz für handschriftliche Notizen zu haben – also zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem gedruckten Werk.

 

Handelt es sich bei einem Bibliotheksexemplar (wie hier LA. 4° 154 (1)) um ein durchschossenes Buch, wird dies in den Informationen zum Exemplar vermerkt und ist auch bei der Recherche im OPAC oder Discovery zu finden.

Einschussspuren am Exemplar (6-Tu. 4° 602)

Ein durch Einschuss beschädigtes Buch haben wir aber auch im Bestand: die Postinkunabel (Vocabularius Theologie …) wurde schwer beschädigt; dank umfangreicher Restaurierungsarbeiten ist dieser Band wieder nutzbar!

Restaurierungsbericht für 6-Tu. 4° 602

Andrea Langner