Vorsicht: Gauner, Schurken und Ganoven!

Wenn Ganoven mogeln oder etwas mopsen, werden sie von den Bullen der Polente verfolgt und eingebuchtet.

Wer versteht, wovon bzw. von wem hier die Rede ist, kennt einige Wörter des „Rotwelschen“ ohne sich dessen vermutlich bewusst zu sein.
Als Rotwelsch wird keine eigene Sprache bezeichnet, vielmehr ist es eine Sprachvarietät (auch Jargon oder Slang). Der Bestandteil rot soll sich aus dem rotwelschen Begriff Rot für Bettler herleiten und welsch für fremd, unverständlich stehen.

 

Diese Sondersprache hat sich seit dem Mittelalter als eine Art Geheimsprache im fahrenden Volk, also unter Hausierern und Handeltreibenden, aber auch Bettlern und Gaunern etabliert zur Verständigung untereinander und zum Ausschluss der des Rotwelschen nicht Mächtigen. Daher kommt die Gleichsetzung von Rotwelsch und Gaunersprache, ist aber zu eng gefasst. Die „codierten“ Wörter waren nur den Eingeweihten für ihre Lebensweise und Berufsausübung verständig, auch wenn es immer wieder Versuche gab, die rotwelschen Wörter zu sammeln, zu verzeichnen und zu verstehen (z.B. durch die Polizei).

Die Begriffe kommen oftmals aus dem Jiddischen, aus dem Romani, dem Niederländischen und Französischen; aber auch Lautmalereien, Silben vertauschen und Umdeutung und Neuzusammensetzung bekannter Wörter führten zu Neuschöpfungen.
Auf den Bildern dieses Beitrags sehen Sie Ausschnitte aus zwei Alten Drucken, die sich im Bestand der UB Erfurt befinden.
Das „Wörterbuch der in Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprachen, …“ von F. L. A. Grolman aus dem Jahr 1822 (Signatur 40-02735, Digitalisat ) enthält in Band 1 zwei „Abtheilungen“: Gaunerisch-Teutsch und Teutsch-Gaunerisch. Der geplante 2. Band zur „Zigeunersprache“, so der Autor, wurde nicht fertig gestellt. Grolman schreibt:

Von unverkennbarer Wichtigkeit ist daher die genaue Kenntnis dieser geheimen Sprache für jeden, der in dem Polizei-, Justiz- und Criminalfache angestellt ist. … Wer sie vorsichtig zu gebrauchen weiß, wird manchen Gauner dadurch auslocken können, und selbst der Untersuchungs-Richter wird ihr … manches Geständniß verdanken, das er sonst nie erhalten hätte.

Im Druck „Liste Der von dem den 16. Junii 1747. zu Strelitz justificirten Diebe, Johann Heinrich Fromm, angegebene Spitzbuben.“ von wahrscheinlich 1747 (13-Hg. 4° 145 (1)) befindet sich auch noch eine „Erklärung Der rothwelschen Wörter, so die Spitzbuben unter sich gebrauchen.“,  welche von mehreren Personen handschriftlich ergänzt wurde um etliche Begriffe, wie man gut auf der Abbildung erkennen kann.

Zum guten Schluss noch einige Wörter aus der Gaunersprache, die in ihren Platz in der Umgangssprache gefunden haben:

 

 

ausbaldowern = auskundschaften
Fleppen = Ausweis, Pass
Lutscher = Zucker
Kittchen = Gefängnis
Kluft = Kleid, Kleidung
Knete = Geld
malochen = arbeiten
Moos = Geld
Muff = Geruch, Gestank
Pinke = Geld
Schlamassel = Unglück
Stuss = Spaß, Unsinn
Zaster = Geld

Andrea Langner

„Christus kam nur bis Eboli“

Das ist der Titel eines 1945 erschienenen autobiographischen Romans des italienischen Arztes und Schriftstellers Carlo Levi. Der Ort Eboli befindet sich im Süden Italiens, am Rande des sogenannten Mezzogiorno, einer in den Augen Levis buchstäblich gottverlassenen Zone Italiens.
Carlo Levi wurde dorthin, genauer in das Bergdorf Aliano in der Basilicata, 1935/36 als Gegner der italienischen Faschisten aus seiner Heimatstadt Turin verbannt. Als Arzt hat er den Dorfbewohner*innen helfen können, als Schriftsteller hat er ihre äußerst beschwerlichen Lebensbedingungen, zu denen er „Hagel, Erdrutsche, Trockenheit, Malaria und …. den Staat“ zählte, registriert und zehn Jahre später zum in Rede stehenden Roman verarbeitet.
Als der Roman 1945 erschien, war seine Wirkung enorm. Carlo Levi hat Italien als erster die archaisch-katastrophalen Zustände im Mezzogiorno vor Augen geführt. Im Fall von Matera, der späteren Kulturhauptstadt Europas (2019), haben seine Ausführungen („In diesen schwarzen Höhlen mit Wänden aus Erde sah ich Betten, elenden Hausrat und hingeworfene Lumpen. Auf dem Boden lagen Hunde, Schafe, Ziegen und Schweine. Ich habe noch nie ein solches Bild des Elends erblickt.“) in den fünfziger Jahren unter Ministerpräsident De Gasperi zu nachhaltigen Renovierungs- und Restrukturierungsarbeiten geführt.
Der Mezzogiorno ist immer noch eine unterentwickelte Region Italiens.
Die Bibliothek hält den vorgestellten Roman im italienischen Original und in deutscher Übersetzung vor.

Dr. Franziska Wein

 

Eine kirchenrechtliche Handschrift im Erfurter Stadtmuseum

Drache als I-Initiale auf Bl. 220v

In enger Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Erfurt werden seit Anfang dieses Jahres Handschriften der bedeutenden Bibliotheca Amploniana in der Dauerausstellung zur mittelalterlichen Großstadt gezeigt. In einer eigens dafür angefertigten Vitrine wird vierteljährlich ein sehenswerter Kodex ausgestellt, nach 6 Wochen Ausstellungsdauer wird ein neues Blatt aufgeschlagen bzw. in diesem Fall der Einband gezeigt.

Derzeit wird den Besuchenden eine Handschrift (UB Erfurt, Dep. Erf., CA 2° 210) mit juristischen Texten von Nicolaus de Tudeschis vorgestellt, welche vermutlich italienischer Herkunft und um 1432 auf handgeschöpftem Papier geschrieben worden ist. Der Text wurde mit schwarzer Tinte und die Initialen in rot und blau ausgeführt. Außerdem gibt es 17 Prachtinitialen, welche mehrfarbig und polimentvergoldet sind.

Einband der Handschrift CA 2° 210 (Vorderdeckel)

Zu sehen ist aktuell zunächst eine der 2016 aufwendig restaurierten Initialen, eine I-Initiale auf Blatt 220 verso, welche einen Feuer spuckenden Drachen auf goldenem Grund zeigt.
Ab November wird der interessante Einband dieses mit fast 43 cm recht großen Manuskripts präsentiert: helles Rauleder auf schweren Holzdeckeln mit Spuren der vielen Jahrhunderte, 4 Eckbeschläge und 1 Mittelbeschlag sowie 4 Halteplatten für die Schließenriemen sind vollständig mit allen Befestigungsnägeln erhalten.

Besuchen können Sie die Ausstellung im Stadtmuseum Erfurt „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße 169 in der Zeit von Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

Sondersammlungen der UB Erfurt

Handschrift der Bibliotheca Amploniana im Stadtmuseum zu sehen

Im Februar 2024 wurde im Stadtmuseum Erfurt eine neue Ausstellungsvitrine eingeweiht, in der regelmäßig Handschriften der berühmten Bibliotheca Amploniana der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Alle sechs Wochen wird geblättert.

In der aus dem Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts stammenden Handschrift Dep. Erf., CA 2° 286 (Digitalisat in der Digitalen Historischen Bibliothek Erfurt/Gotha) sind aktuell die Blätter 250 verso (linke Seite) und 251 recto (rechte Seite) aufgeschlagen, jeweils zweispaltig geschrieben in einer sauberen gotischen Minuskel, mit blauen und roten Hervorhebungen und Verzierungen.

CA 2° 286, Blatt 251r mit "R"-Initiale
CA 2° 286, Blatt 251r mit „R“-Initiale

Besonders sehenswert ist die kunstvolle Initiale „R“, die — reichlich ornamentiert — kleine Teufel darstellt. Schauen Sie sich die kostbare Pergamenthandschrift gerne im Original an:
„Haus zum Stockfisch“, Johannesstraße 169
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

Sondersammlungen der UB Erfurt

Auf in das neue Schuljahr

Die Spannung steigt, sobald ein neues Schuljahr vor den SchülerInnen liegt: andere LehrerInnen, neue Fächer, evtl. wird auch eine weiterführende Schule besucht. Besonders aufregend wird es aber für die ABC-Schützen. Lesen- und Schreibenlernen von Buchstaben und Zahlen stehen neben z.B. Heimat- und Sachkunde, Musik und Sport auf dem Stundenplan. Im Schulrucksack sind neben Etui, Hausaufgabenheft und Farbkasten auch Fibel und Rechenbuch.
Eine Fülle an Schulbüchern befindet sich im Bestand der Universitätsbibliothek, auch das ein oder andere Lehrbuch aus vergangenen Jahrhunderten. Als Beispiel dafür soll die sogenannte Hahnenfibel vorgestellt werden.


Zum Lesenlernen benutzte man in Deutschland beispielsweise Fibeln wie diese Hahnenfibel, (Signatur: 40-02095) die eine preiswerte Alternative zu den umfangreicheren und besser ausgestatteten Leselernbüchern für den wohlhabenden Nachwuchs waren. Das wahrscheinlich erste Exemplar erschien um 1570. Sie hatten 16 Seiten (= 8 Blatt), waren ohne Titelblatt und bis auf den titelgebenden Hahn meist ohne Bilder, geschützt von einfachem Karton im handlichen Oktavformat. Das Alphabet auf dem Titelblatt wurde häufig in Rot- und Schwarzdruck abgebildet und der erste Buchstabe wurde als Schmuckinitiale dargestellt.
Der Begriff Hahnenfibel rührt vom Hahnenbild auf der letzten Seite her, welches sich vermutlich aus einer Druckermarke entwickelt hat; dabei steht der Hahn nicht mit den Lesetexten im Zusammenhang, er dient als mahnender Zeitwächter, der zum pünktlichen Schulbeginn riet oder einen anderen Sinnspruch vortrug.
Gelernt wurde nach der Buchstabiermethode (a – be – ce – de – e …), es folgte das Lesen der Silben und anschließend das wiederholte Lesen der Texte.
Wer jetzt kindgerechte Texte erwartet, wird überrascht sein. Die übliche Reihenfolge sah wie folgt aus: zuerst gibt es eine Buchstabentafel, anschließend getrennt aufgeführt die Vokale und Konsonanten mit einer Silbentafel auf der Rückseite.

Leselerntexte sind das „Vater unser“, die „Zehn Gebote“ und das „Glaubensbekenntnis“, gefolgt von bspw. Sakramenten, Gebeten und Segen. In unserer Hahnenfibel sind auch noch Ziffern als Zahlen und ausgeschrieben aufgeführt.

Die Auswahl dieser Lesestoffe mag uns befremdlich erscheinen, entsprach aber der Vorstellung, dass das Lesenlernen mit „guten“ gottgefälligen Texten – auch wenn schwer verständlich – zu einer guten christlichen Gesinnung führen wird.

Lateinlehrbuch LA 8° 101

Verschiedene Rechenbücher oder z.B. Lehrbücher für Lateinunterricht aus dem 16. bis ins 19 Jahrhundert sind ebenfalls im Bestand der Historischen Sammlungen der UB Erfurt. Man achte auf die zahlreichen Notizen in der wohl häufig und intensiv genutzten lateinischen Grammatik!

Andrea Langner

Wortschatz Bibliothek. Heute: Kettenbuch, das; -er

Wenn man von Kettenbüchern spricht, sind damit im bibliothekarischen Sprachgebrauch weder skurrile Modeaccessoires noch Fußfesseln gemeint. Vielmehr handelt es sich bei diesen Büchern (alte Handschriften oder Drucke) um Bände, die mittels am Buchdeckel angebrachter Ketten an Lesepulten in mittelalterlichen Bibliotheken gesichert zum Lesen zur Verfügung gestellt werden konnten. Diese libri catenati (lat. angekettete Bücher) wurden so vor Diebstahl bewahrt und waren vor Absturz und Beschädigungen gesichert. Auch wurde ein Verstellen der Bücher verhindert.

Noch heute gibt es Bibliotheken, wo man diese Art der Bereitstellung besichtigen kann: Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz oder die Chained Library an der Hereford Cathedral.

Amploniana-Handschrift CA 2° 141 mit Kette
Amploniana-Handschrift CA 2° 141 mit Kette

Auch in den historischen Beständen der UB Erfurt können wir noch heute zahlreiche Bände mit intakten Ketten finden; vielfach wurden Sie jedoch entfernt, weil sie einer Aufstellung in den Regalen hinderlich oder defekt waren.

Andrea Langner

Handschrift CA 8° 55 mit Kette am Hinterdeckel
Handschrift CA 8° 55 mit Kette am Hinterdeckel