Wir machen blau!

Mit der Redewendung „blaumachen“ dürfte jedermann vertraut sein. Sie wird benutzt, wenn die Schule geschwänzt wird oder man unentschuldigt dem Arbeitsplatz fernbleibt.
Ihren Ursprung hat die Redewendung im Mittelalter und hat mit einer gerade in Thüringen und besonders auch in Erfurt bekannten Pflanze, dem Waid (auch Färber-Waid Isatis Tinctoria) zu tun.

Foto: Dr. Katrin Ott

Angebaut wurde Waid im Erfurter Umland. Die Blätter wurden nach der Ernte in speziellen Waidmühlen zu einem Brei zerquetscht. Auf Haufen gekippt gärte das Gemisch etwa zwei Wochen lang, anschließend wurden daraus Kugeln geformt und getrocknet. Die Waidkugeln wurden von den Färbern gekauft, welche sie im Färbebad, der Küpe, mit abgestandenem Urin begossen und bei schönem und heißem Wetter vor sich hin gären ließen.
Wenn dieses Färbebad nach einigen Tagen eine gelblich-grüne Farbe mit strengem Geruch annahm, wurden die Stoffe hineingelegt und färbten sich ebenfalls gelb. Erst beim Herausnehmen und Trocknen an der Luft wurden sie blau.
Außer dem Aufhängen der Stoffe hatten die Färber an diesem Tag, meist einem Montag, nicht viel zu tun – sie machten blau. Einer anderen Erklärung nach beschleunigten die Färber den Färbeprozess durch Zugabe von durch Biergenuss „optimierten“ Urin, waren also selber „blau“.
Der Abbau von Waid und dessen weitere Verarbeitung bis hin zum Färben von Leinen brachte den Städten mit Waidanbau und -handel im Mittelalter Arbeitsplätze und Wohlstand, den erst die billigere Nutzung der Indigopflanze stoppte. Die Indigopflanze (Indigofera tinctoria) wurde ab dem frühen 17. Jahrhundert importiert und war wesentlich ergiebiger, bis auch sie durch die noch preiswertere industrielle synthetische Farbstoffgewinnung abgelöst wurde.

Die Blüte des Waids sehen wir hier auf in einem Druck aus unserem Altbestand: in „Johannis Hieronymi Kniphofs, … Botanica In Originali Pharmacevtica Das ist: Lebendig-Officinal-Kräuter-Buch …“ aus dem Jahr 1733 (UB Erfurt, Dep. Erf., 13-Ma. 4° 24b (1), Tafel 72).

Johann Hieronymus Kniphof druckte diesen Band in der Druckerei  von Johann Michael Funcke. Das Besondere war die die Verwendung des Naturselbstdrucks, bei dem die Pflanze selbst präpariert und dann als Druckform genutzt wurde. Diese Formen erlaubten nur wenige Druckgänge; über die genaue Vorbereitung der Formen und den Druckvorgang damit gibt es keine Notizen von Kniphof und Funcke, dies blieb ihr Geheimnis.

 

Andrea  Langner

 

Foto der Waidpflanze: Dr. Katrin Ott

 

 

Vorgestellt: Album mit Fotografien vom Evangelischen Augustinerkloster

 

Im Altbestand der Universitätsbibliothek Erfurt, in den Erfurter Handschriften, befindet sich auch ein kürzlich „wiederentdecktes“ kleines Fotoalbum mit Abbildungen der Augustiner-Klosteranlage aus den 40er Jahren.

Zu sehen sind im Band CE. O.S. 8° 45 verschiedene Ansichten vom Gelände, auch aus verschiedenen und bemerkenswerten Blickwinkeln. Fotografiert wurden die Klosteranlage, die Eingangspforten, Waidhaus und Garten, das Bibliotheksgebäude und die Kirche.

Die Zerstörungen durch Bombardierung am 28.Februar 1945 wurden festgehalten – genauso wie auf dem letzten Foto im Album die Trümmerbeseitigung.

 

Über die Jahrzehnte wurden die Schäden beseitigt, das Augustinerkloster restauriert und Bibliothek und Waidhäuser neu erbaut (in anderer Funktion).

 

 

Die Sondersammlung der Universitätsbibliothek Erfurt unterstützt die derzeit im Augustinerkloster gezeigte neue Dauerausstellung „Frust und Freiheit“, die sich mit drei Themenbereichen beschäftigt: Martin Luthers Leben im Kloster ab 1505, das Erfurter Unionsparlament 1850 und die friedliche Revolution in der DDR 1989. Bei der Gestaltung der „Schreibstube“ werden Abbildungen von Figuren und Initialen aus Handschriften der Bibliotheca Amploniana gezeigt.

 

 

 

Andrea Langner

 

 

Historische Aufnahmen: Georg Aderhold (1874-1953)
Aufnahmen von der Schreibstube: Dr. Katrin Ott

Vorsicht: Gauner, Schurken und Ganoven!

Wenn Ganoven mogeln oder etwas mopsen, werden sie von den Bullen der Polente verfolgt und eingebuchtet.

Wer versteht, wovon bzw. von wem hier die Rede ist, kennt einige Wörter des „Rotwelschen“ ohne sich dessen vermutlich bewusst zu sein.
Als Rotwelsch wird keine eigene Sprache bezeichnet, vielmehr ist es eine Sprachvarietät (auch Jargon oder Slang). Der Bestandteil rot soll sich aus dem rotwelschen Begriff Rot für Bettler herleiten und welsch für fremd, unverständlich stehen.

 

Diese Sondersprache hat sich seit dem Mittelalter als eine Art Geheimsprache im fahrenden Volk, also unter Hausierern und Handeltreibenden, aber auch Bettlern und Gaunern etabliert zur Verständigung untereinander und zum Ausschluss der des Rotwelschen nicht Mächtigen. Daher kommt die Gleichsetzung von Rotwelsch und Gaunersprache, ist aber zu eng gefasst. Die „codierten“ Wörter waren nur den Eingeweihten für ihre Lebensweise und Berufsausübung verständig, auch wenn es immer wieder Versuche gab, die rotwelschen Wörter zu sammeln, zu verzeichnen und zu verstehen (z.B. durch die Polizei).

Die Begriffe kommen oftmals aus dem Jiddischen, aus dem Romani, dem Niederländischen und Französischen; aber auch Lautmalereien, Silben vertauschen und Umdeutung und Neuzusammensetzung bekannter Wörter führten zu Neuschöpfungen.
Auf den Bildern dieses Beitrags sehen Sie Ausschnitte aus zwei Alten Drucken, die sich im Bestand der UB Erfurt befinden.
Das „Wörterbuch der in Teutschland üblichen Spitzbuben-Sprachen, …“ von F. L. A. Grolman aus dem Jahr 1822 (Signatur 40-02735, Digitalisat ) enthält in Band 1 zwei „Abtheilungen“: Gaunerisch-Teutsch und Teutsch-Gaunerisch. Der geplante 2. Band zur „Zigeunersprache“, so der Autor, wurde nicht fertig gestellt. Grolman schreibt:

Von unverkennbarer Wichtigkeit ist daher die genaue Kenntnis dieser geheimen Sprache für jeden, der in dem Polizei-, Justiz- und Criminalfache angestellt ist. … Wer sie vorsichtig zu gebrauchen weiß, wird manchen Gauner dadurch auslocken können, und selbst der Untersuchungs-Richter wird ihr … manches Geständniß verdanken, das er sonst nie erhalten hätte.

Im Druck „Liste Der von dem den 16. Junii 1747. zu Strelitz justificirten Diebe, Johann Heinrich Fromm, angegebene Spitzbuben.“ von wahrscheinlich 1747 (13-Hg. 4° 145 (1)) befindet sich auch noch eine „Erklärung Der rothwelschen Wörter, so die Spitzbuben unter sich gebrauchen.“,  welche von mehreren Personen handschriftlich ergänzt wurde um etliche Begriffe, wie man gut auf der Abbildung erkennen kann.

Zum guten Schluss noch einige Wörter aus der Gaunersprache, die in ihren Platz in der Umgangssprache gefunden haben:

 

 

ausbaldowern = auskundschaften
Fleppen = Ausweis, Pass
Lutscher = Zucker
Kittchen = Gefängnis
Kluft = Kleid, Kleidung
Knete = Geld
malochen = arbeiten
Moos = Geld
Muff = Geruch, Gestank
Pinke = Geld
Schlamassel = Unglück
Stuss = Spaß, Unsinn
Zaster = Geld

Andrea Langner

„Christus kam nur bis Eboli“

Das ist der Titel eines 1945 erschienenen autobiographischen Romans des italienischen Arztes und Schriftstellers Carlo Levi. Der Ort Eboli befindet sich im Süden Italiens, am Rande des sogenannten Mezzogiorno, einer in den Augen Levis buchstäblich gottverlassenen Zone Italiens.
Carlo Levi wurde dorthin, genauer in das Bergdorf Aliano in der Basilicata, 1935/36 als Gegner der italienischen Faschisten aus seiner Heimatstadt Turin verbannt. Als Arzt hat er den Dorfbewohner*innen helfen können, als Schriftsteller hat er ihre äußerst beschwerlichen Lebensbedingungen, zu denen er „Hagel, Erdrutsche, Trockenheit, Malaria und …. den Staat“ zählte, registriert und zehn Jahre später zum in Rede stehenden Roman verarbeitet.
Als der Roman 1945 erschien, war seine Wirkung enorm. Carlo Levi hat Italien als erster die archaisch-katastrophalen Zustände im Mezzogiorno vor Augen geführt. Im Fall von Matera, der späteren Kulturhauptstadt Europas (2019), haben seine Ausführungen („In diesen schwarzen Höhlen mit Wänden aus Erde sah ich Betten, elenden Hausrat und hingeworfene Lumpen. Auf dem Boden lagen Hunde, Schafe, Ziegen und Schweine. Ich habe noch nie ein solches Bild des Elends erblickt.“) in den fünfziger Jahren unter Ministerpräsident De Gasperi zu nachhaltigen Renovierungs- und Restrukturierungsarbeiten geführt.
Der Mezzogiorno ist immer noch eine unterentwickelte Region Italiens.
Die Bibliothek hält den vorgestellten Roman im italienischen Original und in deutscher Übersetzung vor.

Dr. Franziska Wein

 

Eine kirchenrechtliche Handschrift im Erfurter Stadtmuseum

Drache als I-Initiale auf Bl. 220v

In enger Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Erfurt werden seit Anfang dieses Jahres Handschriften der bedeutenden Bibliotheca Amploniana in der Dauerausstellung zur mittelalterlichen Großstadt gezeigt. In einer eigens dafür angefertigten Vitrine wird vierteljährlich ein sehenswerter Kodex ausgestellt, nach 6 Wochen Ausstellungsdauer wird ein neues Blatt aufgeschlagen bzw. in diesem Fall der Einband gezeigt.

Derzeit wird den Besuchenden eine Handschrift (UB Erfurt, Dep. Erf., CA 2° 210) mit juristischen Texten von Nicolaus de Tudeschis vorgestellt, welche vermutlich italienischer Herkunft und um 1432 auf handgeschöpftem Papier geschrieben worden ist. Der Text wurde mit schwarzer Tinte und die Initialen in rot und blau ausgeführt. Außerdem gibt es 17 Prachtinitialen, welche mehrfarbig und polimentvergoldet sind.

Einband der Handschrift CA 2° 210 (Vorderdeckel)

Zu sehen ist aktuell zunächst eine der 2016 aufwendig restaurierten Initialen, eine I-Initiale auf Blatt 220 verso, welche einen Feuer spuckenden Drachen auf goldenem Grund zeigt.
Ab November wird der interessante Einband dieses mit fast 43 cm recht großen Manuskripts präsentiert: helles Rauleder auf schweren Holzdeckeln mit Spuren der vielen Jahrhunderte, 4 Eckbeschläge und 1 Mittelbeschlag sowie 4 Halteplatten für die Schließenriemen sind vollständig mit allen Befestigungsnägeln erhalten.

Besuchen können Sie die Ausstellung im Stadtmuseum Erfurt „Haus zum Stockfisch“ in der Johannesstraße 169 in der Zeit von Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

Sondersammlungen der UB Erfurt

Handschrift der Bibliotheca Amploniana im Stadtmuseum zu sehen

Im Februar 2024 wurde im Stadtmuseum Erfurt eine neue Ausstellungsvitrine eingeweiht, in der regelmäßig Handschriften der berühmten Bibliotheca Amploniana der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Alle sechs Wochen wird geblättert.

In der aus dem Ende des 13./Anfang des 14. Jahrhunderts stammenden Handschrift Dep. Erf., CA 2° 286 (Digitalisat in der Digitalen Historischen Bibliothek Erfurt/Gotha) sind aktuell die Blätter 250 verso (linke Seite) und 251 recto (rechte Seite) aufgeschlagen, jeweils zweispaltig geschrieben in einer sauberen gotischen Minuskel, mit blauen und roten Hervorhebungen und Verzierungen.

CA 2° 286, Blatt 251r mit "R"-Initiale
CA 2° 286, Blatt 251r mit „R“-Initiale

Besonders sehenswert ist die kunstvolle Initiale „R“, die — reichlich ornamentiert — kleine Teufel darstellt. Schauen Sie sich die kostbare Pergamenthandschrift gerne im Original an:
„Haus zum Stockfisch“, Johannesstraße 169
Dienstag bis Sonntag 10.00 bis 18.00 Uhr.

Sondersammlungen der UB Erfurt