Universität Erfurt

Kleines Genre mit großer Strahlkraft: Pressemitteilung Nr.: 54/2012 - 23.04.2012

„Katastrophische Féerie“ ist der Titel eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojektes, das zum Sommersemester 2012 an der Universität Erfurt gestartet ist. Prof. Dr. Jörg Dünne, Literaturwissenschaftler an der Uni Erfurt, und seine Mitarbeiterin Dr. Gesine Hindemith untersuchen darin das Phänomen des französischen Zauber- und Märchentheaters. Zur Einführung laden die Wissenschaftler am Mittwoch, 2. Mai, zu einem Abendvortrag ein. Olaf Briese von der Humboldt-Universität Berlin spricht darin über „Das große Welttheater. Zauberstück und Katastrophe in der Epoche des ‚Vormärzmeier’“. Beginn ist um 19 Uhr im Internationalen Begegnungszentrum der Universität Erfurt, Michaelisstraße 38. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Als Boulevard- und Jahrmarkttheater des 19. Jahrhunderts mit spektakulären Inszenierungen galt die Féerie bislang als eine gänzlich vernachlässigbare Größe. Dieses französische Phänomen eines Märchentheaters reiht Tableaus aneinander, statt stringente Geschichten zu erzählen. Der Effekt ist rein visuell: Die Zuschauer bestaunen die Zaubertricks, unerhörte Katastrophen − von Abstürzen der Helden bis zu Vulkanausbrüchen − und Feuer speienden Ungeheuer. Die Technik feiert auf der Bühne ein Bild nach dem anderen. Trotz der nicht zusammenhängenden Inhalte genießt die Féerie großes Ansehen und wird in der modernen Erzählliteratur von Flaubert über Proust bis hin zu Céline immer wieder aufgegriffen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts übernahm das Kino die Gattung und findet seither immer neue Formen der Spektakularität im Medium des Films.

Das nun von der DFG für zwei Jahre geförderte Forschungsprojekt fragt nach den Gründen für die Strahlkraft dieses kleinen Genres, das sich vor allem im 20. Jahrhundert transmedial durchzusetzen weiß. Wie ist die transformatorische Leistung der Féerie für das Denken von spektakulärer Diskontinuität einzuschätzen? Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, die bisher vernachlässigten kulturtheoretischen Implikationen der Féerie produktiv zu machen und fragt dabei nach einer möglichen Interpretation der Féerie als Denkfigur, in der sich die grundlegenden Ambivalenzen und Imaginationsformen der Moderne zeigen, die sich wunderbar und katastrophisch zugleich ausnehmen. Dazu wird es verschiedene Tagungen mit Literaturwissenschaftlern sowie Fachleuten aus den Bereichen Theater, Film und Kunst geben, darüber hinaus sind mehrere Publikationen geplant.

Weitere Informationen / Kontakt:

Prof. Dr. Jörg Dünne

Dr. Gesine Hindemith

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