Gut 130 Jahre nach dem Erstdruck ist der Handschriftenkatalog von Wilhelm Schum „Beschreibendes Verzeichniss der Amplonianischen Handschriften-Sammlung zu Erfurt“ (Berlin 1887) nun im Olms-Verlag, Hildesheim, neu aufgelegt worden. „Wir freuen uns, dass der Verlag damit dem in Wissenschaftlerkreisen schon lange geäußerten Wunsch nachkommt, dieses auch in Universitätsbibliotheken bisher kaum noch greifbare Werk wieder im Druck zugänglich zu machen“, sagt Dr. Brigitte Pfeil, wissenschaftliche Mitarbeiterin der in der Universitätsbibliothek Erfurt aufbewahrten „Bibliotheca Amploniana“.
Die vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten zur weiteren Erschließung dieses einmaligen Bestandes und das merkbar wachsende Interesse der Forscher an den Erfurter Handschriften hatten den Verlag zu einem Reprint und der damit verbundenen Zusammenarbeit mit der Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha bewogen. Die „Bibliotheca Amploniana“ gilt als die größte noch geschlossen erhaltene Handschriftensammlung eines spätmittelalterlichen Gelehrten weltweit und ist eine der bedeutendsten Sammlungen mittelalterlicher Handschriften in Deutschland. Sie ist heute zentrales Segment der in der Sondersammlung der Universitätsbibliothek Erfurt aufbewahrten Bestände an Handschriften und Alten Drucken. Schums Katalog ist als Referenzwerk für die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Amplonianischen Handschriften unersetzlich, weil sich der überwiegende Teil der bisherigen Forschungsliteratur auf die dort enthaltenen Angaben bezieht. Daher wird auch künftig die Forschung zur „Amploniana“ nicht ohne den Katalog von 1887 auskommen können - wenngleich heute ein großer Teil seiner Angaben nicht mehr dem modernen Forschungsstand entspricht, wie die seit 2008 laufende Überarbeitung des Schum-Katalogs in elektronischer Form ergab, die aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wird.
Zum Hintergund:
Im Juni 1876 erteilte das preußische Kultusministerium dem damals 30-jährigen gebürtigen Erfurter Wilhelm Schum den Auftrag, die Amplonianische Büchersammlung zu katalogisieren. Schum, der zu dieser Zeit an der Universität Halle mittelalterliche Geschichte lehrte, nahm die Auftragsarbeit an, da er als Privatdozent kein festes Gehalt bezog, sondern lediglich Vorlesungshonorare erhielt. Es gelang ihm, innerhalb von sechs Jahren die mehr als 900 Handschriften der „Amploniana“ gründlichst zu katalogisieren. Sein „Beschreibendes Verzeichniss“, das nach langwierigen Korrekturen erst 1887 erscheinen konnte, gehört zweifelsfrei zu den Glanzstücken der wissenschaftlichen Beschreibung mittelalterlicher Handschriften am Ende des 19. Jahrhunderts. Schums Beschreibungen sind für ihre Zeit außergewöhnlich, weil er als einer der ersten Handschriften-Katalogisierer nicht nur den Textinhalt der Codices verzeichnete, sondern auch genaue Angaben zur Art des Einbandes, des Papiers und den Eigentümlichkeiten der Schrift machte. Seine Beschreibungen entsprechen in ihrer Genauigkeit fast schon jenen Vorgaben, die heute der wissenschaftlichen Erfassung mittelalterlicher Codices zugrunde liegen.
Wilhelm Schums Handschriftenkatalog legte eine solide Grundlage für die seriöse wissenschaftliche Erforschung der „Bibliotheca Amploniana“ und löste in der Fachwelt, insbesondere unter den Medizin- und Mathematikhistorikern, aber auch unter den Erforschern mittelalterlicher Theologie eine intensive Beschäftigung mit den Erfurter Beständen aus.