Mit einem sehr sensiblen Thema beschäftigt sich am kommenden Freitag und Samstag, 12./13. November, eine Fachtagung des Lehrstuhls Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät und dem Lehrstuhl für Moraltheologie und Ethik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt in der Villa Martin auf dem Campus der Hochschule. „Kinder mit Anenzephalie“ ist die Veranstaltung überschrieben und sie soll Fachleuten ganz unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen sowie betroffenen Eltern und Angehörigen die Möglichkeit zum Austausch bieten.
Als Anenzephalie wird das Fehlen des Großhirns bezeichnet, eine der häufigsten Fehlbildung des Gehirns, die etwa eins von 1000 Lebendgeborenen betrifft. Eine Heilung gibt es für diese Fehlbildung nicht, die betroffenen Kinder überleben bestenfalls wenige Tage. „Aber immer mehr Eltern entscheiden sich trotz dieser Diagnose dafür, die Schwangerschaft fortsetzen“, sagt Prof. Dr. Harald Goll von der Universität Erfurt. „Der Grund ist, dass sie die gewonnene Zeit nutzen wollen, um das kurze Zusammensein mit ihrem Kind bereits vor der Geburt bewusst zu erleben und in Ruhe Abschied nehmen zu können.“ Dieser Trend sei international zu beobachten. Angesichts der massiven Schädigung des Gehirns und der kurzen Lebenserwartung stellten sich so anthropologisch-ethische Grundfragen des Menschseins sowie Fragen nach den Voraussetzungen für Bewusstsein, Wahrnehmung und Empfindung. Hinzu kommen praxisrelevante Forschungsaufgaben der Entwicklung adäquater Angebote zur Begleitung von Eltern und Kind. Prof. Goll: „Mit diesem Thema wollen wir uns bei unserer Tagung beschäftigen und dabei Wissenschaftler und betroffene Eltern zusammenbringen.“
Seit 2003 besteht zwischen dem Fachgebiet Sonder- und Sozialpädagogik / Pädagogik für Menschen mit geistiger Behinderung der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt und dem Lehrstuhl für Moraltheologie und Ethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät eine Forschungskooperation. Gemeinsam haben die Wissenschaftler bislang sechs internationale Tagungen zur Situation von Kindern mit Anenzephalie und ihren Eltern veranstaltet. Daraus ist inzwischen ein interdisziplinär angelegtes „Netzwerk Anenzephalie“ aus den Bereichen Medizin, Philosophie, Psychologie, und Rechtswissenschaften entstanden. Der kulturwissenschaftliche Zugang, die interdisziplinäre Zusammensetzung und die Einbindung betroffener Eltern als Experten in eigener Sache bilden dabei ein zentrales Charakteristikum und methodisches Element der Erkenntnisgewinnung dieses Forschungsverbundes. Die Tagung am kommenden Wochenende ist ein weiterer Schritt, dieses Netzwerk zu stärken. Zum einen wird es dabei einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen geben, zum anderen werden Vorträge und Workshops angeboten, die Hilfestellungen beim Umgang mit dem Thema bieten sollen.
Zum Programm
Weitere Informationen / Kontakt:
Prof. Dr. Harald Goll
- +49(0)361/737-2260
- harald.goll@uni-erfurt.de