Die im Herbst 2009 an der Universität Erfurt ins Leben gerufene Nachwuchsforschergruppe „Religiöse Rituale im Alten Europa in historischer Perspektive“ macht am Freitag und Samstag, 15./16. Januar, erstmals im größeren Umfang auf sich aufmerksam. Unter dem Titel „Also sichstu, wie sich die ämpter verkehren“ lädt sie renommierte Wissenschaftler zu einer Tagung nach Erfurt ein. Die Veranstaltung startet am 15. Januar, um 15.15 Uhr im Hörsaal Coelicum, Domstraße 10.
Thema der Tagung sind die sogenannten „Verkehrungsrituale“ in historischer Perspektive. Mit ritueller Verkehrung ist die Vorstellung bezeichnet, dass eine Reihe von Ritualen aus verschiedenen kulturellen Zusammenhängen die jeweils bestehende soziale Hierarchie auf Zeit umkehren, also eine sprichwörtliche „verkehrte Welt“ inszenieren. Einer breiteren Öffentlichkeit ist dieser Gedanke vor allem im Zusammenhang mit dem Karneval vertraut. Wissenschaftler weisen den Verkehrungsritualen (oder Verkehrungsfesten) eine Schwellenposition im sozialen Prozess zu: Ihre Feier schaffe einen Zwischenzustand, der die herrschende Ordnung befristet aufhebe. So entstehe eine Phase der Offenheit, an deren Ende der Umsturz oder aber die Rückkehr zur althergebrachten Ordnung stehen könne. Trotz der Popularität des Begriffs fehlt es bislang allerdings an einer systematisch-vergleichenden Untersuchung der rituellen Phänomene, die mit der Kategorie erfasst werden sollen. Die Tagung bezweckt vor diesem Hintergrund zunächst die Überprüfung des theoriegeladenen Begriffs unter anderem auf seine empirische Haltbarkeit. Gleichzeitig soll sie Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch und gemeinsamen Weiterdenken bieten. Als Ergebnis soll ein Band entstehen, der das Tagungsthema in Verbindung mit einer systematisierenden Einführung und einer umfassenden theorieorientierten Darstellung des historischen Phänomens „Verkehrungsrituale in Europa“ beschreibt.
Hintergrund zur Nachwuchsforschergruppe:
Die Nachwuchsforschergruppe „Religiöse Rituale in historischer Perspektive“ im Schwerpunkt Religion an der Universität Erfurt, von der die Initiative zur Tagung ausgeht, besteht aus Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen aus dem Bereich der historisch ausgerichteten Kulturwissenschaften. Die Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Vielschichtigkeit rituellen Handelns empirisch zu erfassen und theoretisch zu bewältigen und strebt damit nach einer angemessenen Integration des religiösen Moments von Ritualen in Theoriebildung und Beschreibung. Die Nachwuchsgruppe richtet den Blick auf die Ritualität des Alten Europas (von der Antike bis um 1800) und bezieht dabei alle Religionen ein, die in diesem Zeitraum in Europa anzutreffen sind. Die Untersuchungsbasis ist innerhalb dieses Rahmens breit gesteckt. Sie beschränkt sich nicht auf gottesdienstliche Formen oder Festrituale, sondern bezieht auch politische oder Rechtsrituale ein und fragt nach ihrer religiösen Dimension.