Die Hypothese, dass der „Wolfram“, eine in den Erfurter Dom gestiftete lebensgroße Bronzestatue des Hochmittelalters, womöglich eine jüdische Vorgeschichte hat, sorgte zu Beginn des Jahres für großes Aufsehen. Aufgestellt haben diese Hypothese Jörg Rüpke, Dietmar Mieth und Julie Casteigt vom Forschungszentrum „Dynamik religiöser Praktiken des Judentums in religiös pluralen Kontexten“ am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt. Heute traf sich die Forschergruppe nun mit Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen zu einem Workshop, um die Herkunft des „Wolfram“ aus weiteren Perspektiven zu beleuchten und damit seinem wahren Ursprung näherzukommen.
Das Resümee der Wissenschaftler: Die Tagung hat eine ganze Reihe wichtiger und neuer Erkenntnisse zusammengetragen. Der nun erstmals erbrachte Nachweis, dass die christliche Inschrift mit der Figur zusammen in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gegossen wurde und damit ursprünglich ist, schließt eine jüdische Herkunft aus. Die Inschrift weist eine liturgische Struktur mit zwei Sprechern, Hildburg und Wolfram, auf. Deutlich wurde auch, dass weitere physikalische Untersuchungen zu Materialherkunft, Alter und Bearbeitung notwendig sind.
Intensiv diskutierten die Wissenschaftler auch die Frage nach der praktischen Verwendung des Kunstwerkes, insbesondere als Kerzenleuchter. Möglicherweise sei das Werk in dieser Funktion schon im späten 13. Jahrhundert belegt. Als Kerzenleuchter wäre er als lebensgroße Menschenfigur im 12. Jahrhundert außergewöhnlich, stünde aber an der Seite anonymer Lesepulte und Beckenhalter. Einen Zeitgenossen Wolfram stellt er sicher nicht dar. Textzeugen der Zeit zeigen wie biblische Gestalten überblendet werden konnten. Darum bleiben viele Fragen seiner Identifizierung offen. Einigkeit bestand indes darüber, dass die Geschichte der Figur in einem Erfurt anzusiedeln ist, in dem sich jüdische und christliche Lebenswelten vielfach überlappten, wenn nicht identisch waren.
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Prof. Dr. Jörg Rüke