Auch im Wintersemester 2015/16 veranstalten Universität und Fachhochschule Erfurt wieder eine gemeinsame Ringvorlesung. Diesmal soll es um das Thema „Flüchtlinge im 20. und 21. Jahrhundert“ gehen. Erster Referent ist Rupert Neudeck, der am Dienstag, 13. Oktober, über „Das Jahrhundert der Flüchtlinge“ spricht. Beginn ist um 18 Uhr im Rathausfestsaal, der Eintritt ist frei.
Die Ringvorlesung, die von den beiden Historikerinnen Prof. Dr. Birgit Schäbler und Prof. Dr. Christiane Kuller verantwortet wird, zielt darauf, der aktuellen, politisch hoch aufgeladenen Debatte um Flüchtlingsfragen eine historische Tiefenschärfe zu geben. Die Anzahl der Menschen, die im vergangenen Jahrhundert auf der Flucht waren, wird weltweit auf 250 bis 300 Millionen geschätzt. Im Unterschied zu früheren Migrationsbewegungen verließen die Menschen im 20. Jahrhundert ihre Heimat meistens nicht freiwillig, sondern infolge von Kriegen, aufgrund von „ethnischen Säuberungen“ sowie aus existenzieller wirtschaftlicher Not. Gleichzeitig hatten viele der Fluchtwellen eine globale Dimension. Das 20. Jahrhundert gilt deshalb als das „Jahrhundert der Flüchtlinge“, in dem die Rechts- und Sozialfigur des Flüchtlings ein neues Profil erhielt. Das Thema soll in der Ringvorlesung sowohl theoretisch als auch an konkreten Beispielen diskutiert werden. Auch die aktuellen politischen Fragen sollen so zur Sprache gebracht werden. Darüber hinaus soll ein expliziter Bezug zu Thüringen hergestellt werden.
„Flüchtlingen werden wir in der Menschheitsgeschichte immer haben“, sagt Rupert Neudeck. „Es geht darum, mit dem exorbitanten Wohlstand in unseren Ländern Europas verantwortlich umzugehen. Verfolgte sollten immer bei uns Aufnahme finden können. Was ist aber mit Menschen, die sich selbst aus Verzweiflung in Gefahr bringen, weil sie keinen anderen Ausweg sehen, als die fast mörderische Reise nach Europa anzutreten?“ Um dies und mehr wird es im ersten Vortrag der neuen Ringvorlesung gehen.
Rupert Neudeck wurde 1939 in Danzig geboren. Nach dem Studium der Jurisprudenz und der katholischen Theologie in Paderborn folgten zwei Jahre Noviziat im Jesuitenorden und ein weiteres Studium der Philosophie, Germanistik, Soziologie, Romanistik, Theologie, dem sich eine Dissertation über „Die politische Ethik bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus“ an der Universität Münster anschloss. Neudeck arbeitete als Journalist und ist Gründer des „Deutschen Komitees Ein Schiff für Vietnam e.V.“ mit dem er das Schiff „Cap Anamur“ zur Rettung von 11300 vietnamesischen Bootsflüchtlingen aus dem südchinesischen Meer anmietete. Danach war er im Komitee Cap Anamur/Deutsche Not-Ärzte e.V. tätig. 2002 gab Neudeck den Vorsitz und alle Ämter bei Cap Anamur auf und gründete 2003 mit seiner Frau als Antwort auf den 11. September 2001 den „Grünhelme e.V.“, der sich im Baubereich und bei der Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen profilierte. Rupert Neudeck ist unter anderem Träger des Theodor Heuss Preises 1985, der Bruno Kreisky Medaille 1991 sowie des Marion Gräfin Dönhoff Preises 2003.