Erziehungswissenschaftler und Psychologen der Universität Erfurt haben eine neue Studie zum Thema „Lerntechniken“ vorgelegt. Darin belegen die Wissenschaftler, dass der Lerneffekt beim Lernen durch Wiederholen langfristig geringer ist als beim Lernen durch Abrufen aus dem Gedächtnis.
„Das ist ein interessantes Phänomen“, erklärt Tilmann Betsch, Professor für Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Uni Erfurt, der die Studie zusammen mit Manfred Lüders, Professor für Schul- und Grundschulpädagogik, und Nancy Quittenbaum, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Schulpädagogik, bei Kindern der dritten Klasse der Europaschule in Erfurt durchgeführt hat. „Stoff, den die Schüler durch bloßes Wiederholen lernen sollten, prägte sich ihnen zunächst schneller ein, als wenn sie den Stoff schon während des Lernens immer wieder aus dem Gedächtnis abrufen mussten. Nach etwa sechs Wochen Pause kehrte sich dieser Lerneffekt jedoch um. Plötzlich waren diejenigen im Vorteil, die aus dem Gedächtnis abrufen mussten, also diejenigen, die die vermeintlich schwierigere Lernmethode angewendet hatten.“ Diesen sogenannten Testing-Effekt konnten die Wissenschaftler an einer vergleichsweise junge Kohorte von Schülern im Alter von etwa acht Jahren nachweisen. Bislang waren solche Studien überwiegend bei älteren Kindern und Erwachsenen angestellt worden und in weniger komplexen inhaltlichen Zusammenhängen. Neu war bei der Untersuchung das Lerngebiet, mit dem die Schüler für die Studie konfrontiert wurden: Im Geometrie-Unterricht galt es, sich dem Thema Symmetrie zu nähern. Prof. Dr. Tilmann Betsch und seine Kollegen erklären das Phänomen der Umkehrung des Lerneffekts bei den beiden angewendeten Instruktionstechniken so: „Je mehr Leistung das Gehirn erbringen muss, um sich einem Lerninhalt zu nähern, also je umfangreicher der aktive Verarbeitungsprozess ist, desto besser ist das langfristige Behalten. Das Lernen durch Wiederholen bringt dagegen nur kurzfristig einen größeren Lernerfolg, obwohl das Material viel häufiger studiert wird als bei der Anwendung der Testing-Strategie“.
Ziel der Erfurter Studie war es, Instruktionstechniken, also Lernstrategien, miteinander zu vergleichen und zu schauen, was im Unterricht tatsächlich wirkt. „Solche Erkenntnisse sind gerade auch für eine Universität wie unsere, die einen Schwerpunkt in der Lehrerbildung hat, von großer Bedeutung“, sagt Prof. Dr. Betsch. „Deshalb war es uns wichtig, interdisziplinär an der Studie zu arbeiten, damit von hier aus auch Impulse für die Zukunft der Lehrerbildung ausgehen können.“
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wollen die Wissenschaftler nun in einer Fachzeitschrift veröffentlichen.
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Prof. Dr. Tilmann Betsch
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