Universität Erfurt

Internationale Max-Scheler-Tagung in Erfurt: Pressemitteilung Nr.: 84/2011 - 03.06.2011

„Erkennen – Handeln – Bewähren. Phänomenologie und Pragmatismus“  ist der Titel einer internationalen Tagung, zu der der Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt gemeinsam mit der deutschen und US-amerikanischen Max-Scheler-Gesellschaft vom 15. bis 18. Juni an die Uni Erfurt einlädt. Die Tagung wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und von Marion Walsmann, Thüringens Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefin der Staatskanzlei, sowie Konsul James W. Seward vom Generalkonsulat der Vereinigten Staaten von Amerika (Leipzig) eröffnet.

In der Bewertung des Verhältnisses zwischen europäischer Phänomenologie und amerikanischem Pragmatismus nimmt die phänomenologische und wissenssoziologische Auseinandersetzung des Philosophen Max Scheler vor allem im Bereich „Erkenntnis und Arbeit“ bis heute eine besondere Stellung ein. Einerseits wird sie als heftige Kritik bis hin zur Ablehnung der Anliegen des Pragmatismus verstanden, andererseits aber doch auch als eine verdeckte Aufnahme dieser Anliegen. Die Tagung will mit Referaten und Diskussionen die Auseinandersetzung Schelers mit dem Pragmatismus aus der bislang isolierten Betrachtung von „Erkenntnis und Arbeit“ im Gesamtwerk befreien und damit eine Neubewertung der Fragen zwischen amerikanischem Pragmatismus und europäischer Phänomenologie anstoßen. Dazu sollen gemeinsame Momente von Phänomenologie und Pragmatismus im Zusammenhang mit Schelers Philosophie herausgearbeitet und deren heuristisches Potenzial für einen fruchtbaren Diskurs von Phänomenologie und Pragmatismus heute bestimmt werden. „Außerdem wollen wir die wertphilosophischen, bildungstheoretischen und anthropologischen Akzente in der Philosophie Schelers durch die Korrespondenz mit pragmatischen Positionen für die gesellschaftlichen Diskurse um die Menschenwürde und den Bildungsauftrag der Gesellschaft hin erschließen“, sagt Prof. Dr. Michael Gabel, Organisator der Veranstaltung.

Mit Hans Joas, einem der beiden Leiter der Kolleg-Forschergruppe „Religiöse Individualisierung in historischer Perspektive“am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), wird bei der Tagung ein ausgewiesener Kenner des Pragmatismus und Neopragmatismus in den USA sprechen, der vor allem in Deutschland den Diskurs zwischen Pragmatismus und anderen philosophischen Richtungen maßgeblich mitbestimmt hat. Das von Hans Joas gewählte Thema Religion wird durch Mikhail Khorkov (Moskau) noch verstärkt, der den frühen religionsphilosophischen Diskurs um Max Scheler erforscht hat. Mit Mikhail Khorkov ist ebenso wie mit Wolfhart Henckmann (München) die Erforschung und Auseinandersetzung um den Nachlass Max Schelers vertreten, dessen Kenntnis für diese Fragen von unschätzbarer Bedeutung ist. Ganz der aktuellen Debatte um die Bedeutung des Pragmatismus verpflichtet ist der Beitrag von Jürgen Manemann (Hannover), der sich mit dem prophetischen Pragmatismus des US-Amerikaners Cornel West auseinandersetzt und für das Verständnis des Prophetischen die phänomenologischen und religionsphilosophischen Ansätze Schelers fruchtbar machen wird. Hauptthemen des Pragmatismus wie die Bedeutung der Erfahrung, die Bedeutung menschlichen Handelns als Bezugspunkt jeder Reflexion oder die Bedeutung der Wahrheitsfrage werden von Raymond Boisvert (Siena-College), und Helmut Pape (Bamberg) behandelt. Die Bedeutung der Problemstellungen pragmatischer Philosophie für das Werk Max Schelers wird durch die Forschungen von Kenneth W. Stikkers (Carbondale) über die wissenssoziologische Auseinandersetzung Schelers mit dem Pragmatismus vorgestellt. Die Annäherung an Schelers Wissenssoziologie im Kontext amerikanischer Diskurse erläutert Zachary Davis (New York) und im Kontext deutscher Diskurse Günter Fröhlich (Ulm). Olivier Agard (Paris) untersucht die Bedeutung der französischen Philosophie von Émile Boutroux und Henri Bergson für die Entstehung und Entfaltung des Pragmatismus etwa bei William James auf der einen Seite und ihren Einfluss auf Max Scheler und seine Sicht des Pragmatismus auf der anderen Seite. Mit Blick auf die eigenständige Aneignung und Ausarbeitung pragmatischer Themen durch Scheler selbst wird Hans Rainer Sepp (Prag) Schelers wissenssoziologische Auseinandersetzung mit dem Pragmatismus vorstellen und dabei auf die Besonderheiten eingehen, die sich aus dem Vergleich mit anderen phänomenologischen Ansätzen ergeben. In welchem Umfang die Auseinandersetzung Schelers mit dem Pragmatismus schon lange vor der Wissenssoziologie beginnt und selbst die Hinwendung Schelers zur Phänomenologie mitbestimmt, untersucht Giuliana Mancuso (Mailand) aus ihrer detaillierten Kenntnis des Frühwerks Schelers. Die Wechselwirkungen zwischen Handeln und Wissen in der Perspektive Schelers ergründen Jaromir Brejdak (Szczecin) und im Vergleich mit anderen philosophischen Ansätzen Tatiana Litvin (St. Petersburg). Ìngrid Vendrell Ferran (Luzern) bleibt es vorbehalten, das Interesse des Pragmatismus und der Phänomenologie Schelers an der Funktion des Emotionalen zu analysieren und damit die entscheidende Differenz anzusprechen, die Schelers phänomenologischen Ansatz von Husserl und Heidegger unterscheidet.

Besondere Bedeutung kommt bei der Tagung dem Panel der Nachwuchswissenschaftler zu. Es dient der Darstellung des erreichten Forschungsstandes, gibt die Möglichkeit zur Diskussion untereinander und mit bewährten Forschern. Wie bisher sollen auch diesmal wieder die Ergebnisse der Tagung  in einem wissenschaftlichen Verlag publiziert werden.

Tagungsprogramm

Weitere Informationen / Kontakt:

Prof. Dr. Michael Gabel

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