In der dritten Veranstaltung der Ringvorlesung „Erfurter Gesellschaftsbilder“ am Dienstag, 2. November, referiert Prof. Dr. Josef Pilvousek von der Universität Erfurt über „Die Stadt als sakrale Gemeinschaft. Erfurt im Spätmittelalter“. Die öffentliche Vorlesung beginnt um 18 Uhr im AudiMax der Fachhochschule Erfurt, Altonaer Str. 25. Der Eintritt ist frei.
Die Kirchengeschichte Erfurts im Spätmittelalter weist alle für diese Epoche geltenden Merkmale auf: So herrschte beispielsweise die selbstverständliche Überzeugung, die einzelnen Organe der städtischen Bürgerschaft hätten unmittelbar geistlich-kirchliche Verantwortung. Konflikte mit Klöstern, Kirchen und einzelnen Klerikern traten vor allem dann auf, wenn die Bürgerschaft die Qualität der seelsorglichen Tätigkeit gefährdet sah und dann zusammen mit den maßgeblichen kirchlichen Verantwortlichen auf Besserung drängte. Zeitweise Forderungen, sich der städtischen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen und Steuern zu zahlen, dürften, neben administrativen Interessen, maßgeblich von diesen Gedanken bestimmt worden sein. Dass es vergleichsweise wenige schwerwiegende Auseinandersetzungen im Erfurt des Spätmittelalters zwischen „kirchlicher“ und „bürgerlicher“ Gemeinde gab, kann als Beleg für das Ineinandergreifen beider Gemeinschaften gewertet werden und natürlich auch für ihren Reformwillen. Der sogenannte Antiklerikalismus, wie er zu dieser Zeit in alle größeren Städten zu finden ist, bedeutet aber nicht, die Heilsvermittlung der Kirche und ihres Klerus grundsätzlich infrage zu stellen, sondern war eher Ausdruck einer religiösen Unzufriedenheit, die sich an den kirchlichen Repräsentanten und ihrem vermeintlich fehlenden Einsatz für die civitas und ihrer Lebensweise festmachen ließ. Die Definition als „sakrale Gemeinschaft“, die das enge Miteinander kirchlicher und bürgerlicher Gemeinschaft hervorhebt, trifft für Erfurt trotz der divergierenden Interessen des Territorialherrn/Ordinarius mit denen der bürgerlichen Gemeinde zu. Erst am Ende der Epoche, bedingt vor allem durch den wirtschaftlichen und finanziellen Niedergang der Bürgergemeinde, die auch eine wirtschaftliche Mitverantwortung der Kirche für das Gemeinwesen einklagte, traten Auflösungserscheinungen dieser Gemeinschaft immer stärker hervor. Um all dies soll es in der nächsten Veranstaltung der Ringvorlesung gehen.
Der Referent, Prof. Dr. Josef Pilvousek von der Universität Erfurt, ist seit 1977 Priester des Bistums Erfurt und seit 1988 Dozent für Kirchengeschichte. Seit dem Jahr 1994 ist er Professor für Kirchengeschichte in Erfurt und darüber hinaus Mitglied in der Kommission für Zeitgeschichte sowie im Vorstand der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum.
Die von Universität und Fachhochschule Erfurt gemeinsam organisierte Ringvorlesung findet in diesem Semester zum elften Mal statt. Partner der Veranstaltung sind neben den Hochschulen die Stadtverwaltung, die Volkshochschule Erfurt, das HELIOS Klinikum sowie die Thüringer Allgemeine als Medienpartner. Unterstützt wird die Reihe von der Universitätsgesellschaft Erfurt e.V. sowie der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Fachhochschule Erfurt e.V. Die nächste Ringvorlesung gibt es am 9. November, ihr Titel „Erfurt – Die älteste Universität Deutschlands? Neue Forschungen zum Gründungsprivileg von 1379“. Referent ist dann PD Dr. Robert Gramsch, Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.