Nach fast zwei Monaten gehen in der kommenden Woche die „Gothaer Kartenwochen“ zu Ende, mit denen das zur Universität Erfurt gehörende Forschungszentrum und die Forschungsbibliothek Gotha an die Gründung des Verlagshauses Justus Perthes vor 225 Jahren erinnert haben. Die Tagungen, Vorträge und die noch bis 18. Juli im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek präsentierte Ausstellung waren ein voller Erfolg, freuen sich die Organisatoren. Zum Ende der Veranstaltungsreihe wird noch einmal ein hochkarätiger Gast in Gotha erwartet: Prof. Dr. Frank Lestringant wird am Donnerstag, 15. Juli, über allegorische Weltkarten aus den 1560er-Jahren sprechen. Beginn der Veranstaltung ist um 18.15 Uhr im Spiegelsaal der Forschungsbibliothek auf Schloss Friedenstein. Der Eintritt ist frei.
„Karten liefern im wörtlichen wie im übertragenen Sinn ein Bild der Welt - sie sind auf gewisse Weise ein Abbild der Menschheit, die sie bewohnt“, sagt Lestringant. Mit ihren Bezügen zur Emblematik und zum Theater sei die allegorische Karte ein besonders geeignetes Mittel zur Beobachtung einer Übertragung und Verschmelzung von Formen. Sie lässt verschiedene Größenordnungen miteinander kommunizieren, blendet Maßstäbe übereinander, stellt die kleine Welt durch die große dar und den menschlichen Mikrokosmos durch den universellen Makrokosmos. Dieses Prinzip illustriert Frank Lestringant in seinem Vortrag anhand von drei kosmografischen Fiktionen aus den 1560er-Jahren: der Klingenden Insel, der ersten Episode des Fünften Buches von Pantagruel, das Rabelais zugeschrieben wurde (1562), einer satirische Weltkarte, der neuen papistischen Weltkarte von Jean-Baptiste Trento und Pierre Eskrich (Genf, 1566) und einer anonymen Serie von sieben allegorischen Zeichnungen, die Étienne Delaune zugeschrieben wurden. Eine Gemeinsamkeit, hebt Lestringant hervor, verbindet diese drei Karten – nämlich ihre protestantische und antikatholische Ausrichtung. Vor allem aber stellten alle drei eine Anti-Welt vor, eine Art von Gegenutopie, die sie vermessen und kartieren. Lestringant: „Diese Anti-Welt, die die Übertreibung und Karikatur der wirklichen Welt darstellt, prangert deren Auswüchse an und ruft zur Reform im religiösen, moralischen und politischen Sinn auf.“
Der Referent, Prof. Dr. Frank Lestringant, ist seit 1999 Professor für französische Literatur der Renaissance an der Universität Paris IV-Sorbonne und Leiter des Forschungszentrums zur Literatur in Frankreich im 16. Jahrhundert (Centre Vauban-Léon Saulnier). Er hatte zahlreiche internationale Gastprofessuren inne, in diesem Sommersemester beispielsweise eine Mercator-Gastprofessur an der Universität Erfurt. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen französischer Entdeckungsfahrten in die Neue Welt im 16. Jahrhundert, geografische Literatur sowie Literatur und Protestantismus.
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Miriam Rieger
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