Ein von Nachwuchswissenschaflern am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt initiiertes Netzwerk hat jetzt seine Arbeit aufgenommen. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt beschäftigt sich mit den historisch-sozialen Entstehungszusammenhängen und Ausprägungen von Herrschaftsformen in Südosteuropa mit besonderem Bezug auf Albanien, Bulgarien, die Länder Ex-Jugoslawiens, Rumänien und Griechenland. 21 Junge Wissenschaftler aus Erfurt, Berlin, Bukarest, Bonn, Erlangen, Gießen, Greifswald, Leipzig, Münster, Wien und Zürich arbeiten in dem Netzwerk mit ihren Forschungsvorhaben mit.
Ausgangspunkt der thematischen Ausrichtung ist die Beobachtung, dass Herrschaft in Südosteuropa einerseits auf Traditionen zurückgeht (byzantinisch, osmanisch), die sich von westeuropäischen Modellen wesentlich unterscheiden. Andererseits orientierten sich die modernisierungswilligen Eliten seit dem 19. Jahrhundert verstärkt an westeuropäischen Vorbildern, was zu einem intensiven Kultur- und Wissenstransfer politischer Ideen und der Übernahme neuer Regierungsformen führte, welche im Kontext einer nachholenden Modernisierung erklärungsbedürftig sind. In der Zusammenarbeit von sieben Disziplinen (Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft, Theologie, Religionswissenschaft, Byzantinistik, Kulturwissenschaft und Kunstgeschichte) soll ein vertieftes Verständnis dieser Herrschaftskonfigurationen und ihres semantischen Niederschlages in Südosteuropa erreicht werden. Charakteristisch für das Netzwerk ist der Versuch, zentrale historische, kultur- und sozialwissenschaftliche Topoi wie Personenkult, klientelistische Netzwerke, Gender, Herrschaftslegitimation und Gewalt im südosteuropäischen Kontext in ihren Auswirkungen auf Herrschaft interdisziplinär zu untersuchen. Dabei wird mit dem DFG-Netzwerk "Osmanisches Europa", unter Leitung von Prof. Dr. Markus Koller (Gießen) kooperiert. Das Netzwerk wurde vom Postdoctoranden Dr. Mihai-Dumitru Grigore beantragt und wird von Radu Harald Dinu, M.A. und Marc Zivojinovic, M.A. koordiniert. Für kommendes Jahr plant das Netzwerk eine Tagung in Erfurt, um die Ergebnisse der Arbeit vorzustellen und mit einem breiteren (Fach-) Publikum zu diskutieren.