Universität Erfurt

„Ästhetische Erziehung - Begegnung mit dem Fremden : Pressemitteilung Nr.: 61/2008 - 18.04.2008

Zwischen 1793 und 1795 zog Friedrich Schiller in Briefen an den Augustenburger Prinzen eine Summe der Aufklärung und der Französischen Revolution und unternahm dabei den Versuch einer Vermittlung zwischen den Ansprüchen der Vernunft und der Sinne, den allgemeinen Begriffen und der jeweils konkreten Erfahrung, Erkenntnis und Einbildungskraft, dem Schönen und dem Guten. „Diese Briefe, die Schiller erstmals in den ‚Horen’ öffentlich machte und die wir unter dem Titel ‚Über die ästhetische Erziehung des Menschen’ kennen, unternehmen nichts weniger als den Versuch zu zeigen, warum uns der Umgang mit den Künsten zu besseren Menschen - in einem ethisch-moralischen Sinne - machen kann“, sagt Dr. Kai-Uwe Schierz. Der Direktor der Erfurter Kunsthalle wird die zweite Vorlesung der Reihe „Das Fremde - Faszination und Bedrohung“ am Dienstag, dem 22. April um 18 Uhr im Erfurter Rathausfestsaal halten.

Der amerikanische Philosoph Richard Rorty entwarf seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts eine Utopie, die „… an den Entwurf Friedrich Schillers zur ästhetischen Erziehung der Menschen anschließt, jedoch dessen idealistische Argumentation konsequent in Beschreibungen überführt, deren Vokabular er dem philosophischen Pragmatismus und Konstruktivismus wie auch der modernen Sprachkritik entlehnt“, so Schierz. „Letztlich versucht er zu zeigen, warum es sinnvoll ist, dass wir uns von jeglichem metaphysischen Sprachgebrauch verabschieden, weil er die Spannungen zwischen dem jeweils Eigenen und dem Fremden verfestigt, anstatt sie produktiv zu machen“. Der Vortrag erläutert das Projekt Rortys, mithilfe der konsequenten Rezeption möglichst unterschiedlicher künstlerischer Vokabulare zu brauchbaren, den Verhältnissen der Moderne angepassten Formen der Selbst- und Weltbeschreibung zu gelangen, sich auf diese Weise wichtige ethische Orientierungskompetenzen zu erarbeiten und die Spannung zwischen Eigenem und Fremden durch die Einübung von Solidarität zu vermitteln - ein Projekt, das ästhetische Erfahrung als die geeignete Form der „Erziehung des Menschen“ profiliert. Verschiedene Beispiele aus der Praxis der modernen Kunst, deren spezifische Möglichkeiten u. a. darin gesehen werden, Vertrautes fremd erscheinen zu lassen und Fremdes vertraut, unterstützen diese Argumente anschaulich.

Kai Uwe Schierz wurde 1964 in Bischofswerda geboren. Er studierte von 1983 bis 1988 an der Pädagogischen Hochschule in Erfurt Germanistik und Kunsterziehung. Von 1988 bis 1991 absolvierte er ein Forschungsstudium an der Universität Leipzig, Fachbereich Kulturwissenschaft, und wurde 1992 durch die Fakultät für Kultur-, Sprach- und Erziehungswissenschaften zum Dr. phil. promoviert. Er arbeitete danach als Assistent des Künstlerischen Leiters in der städtischen Galerie am Fischmarkt Erfurt und bis 1996 als Fachreferent für bildende Kunst in der Kulturdirektion Weimar. Seit 1996 arbeitet er als künstlerischer Leiter der Galerie am Fischmarkt Erfurt (ab 2000: Kunsthalle Erfurt) und seit 2001 auch als Direktor dieser Einrichtung. Seit Juli 2006 ist er als Honorarprofessor an der Fakultät Gestaltung der Bauhaus Universität Weimar tätig.

Die gemeinsame Ringvorlesung von Universität und Fachhochschule Erfurt im Sommersemester 2008 steht unter dem Titel „Das Fremde - Faszination und Bedrohung“. Die mit Unterstützung der Stadtverwaltung Erfurt und der Universitätsgesellschaft Erfurt e.V. veranstaltete und von der Thüringer Allgemeine präsentierte populäre Reihe bietet jeweils dienstags (Beginn 18.00 Uhr) im Rathausfestsaal in insgesamt 12 Veranstaltungen Vorträge von Professoren und weiteren Experten aus unterschiedlichen Bereichen.

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