Was haben Philosophen wie Jürgen Habermas und Charles Taylor, Soziologen wie Shmuel Eisenstadt und José Casanova oder Religionswissenschaftler wie Gananath Obeyesekere und Mohammed Nafissi gemeinsam? Sie alle wurden als hochkompetente Gesprächspartner von Robert N. Bellah (Berkeley) und Hans Joas (Erfurt) eingeladen, um im Rahmen der Tagung „The Axial Age and its Consequences for Subsequent History and the Present“ („Die Achsenzeit und ihre Folgen für Geschichte und Gegenwart“), die vom 3. bis 5. Juli 2008 in den repräsentativen Räumen der Thüringer Staatskanzlei stattfindet, über das Konzept der Achsenzeit zu diskutieren.
Zu der Tagung, die am Donnerstag um 11 Uhr von den Soziologen Prof. Dr. Hans Joas und Prof. Dr. Robert N. Bellah eröffnet wird, werden 135 Wissenschaftler aus 11 Ländern in Erfurt erwartet. Öffentlich ist ein Vortrag am Abend des 3. Juli. Professor Robert N. Bellah, spricht um 19.00 Uhr in der Brunnenkirche am Fischersand zum Thema “The Heritage of the Axial Age: Resource or Burden”. Zu dem englischsprachigen Vortrag sind Gäste willkommen.
Als Achsenzeit wird seit Karl Jaspers (1949) die Zeit bezeichnet, in der die mythische Kultur durch eine theoretische ersetzt oder ergänzt wurde, und zwar unabhängig voneinander in mindestens vier Weltregionen, nämlich in Israel, Griechenland, China und Indien. Dieses Zeitalter, das etwa um die Mitte des Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung angesetzt wird, ist durch die Entstehung eines Transzendenzbewusstseins charakterisiert, das sich in spirituellen und ethischen Fragestellungen zeigte, aber auch für Politik und Wissenschaft äußerst folgenreich war. Zwar gab es bereits einzelne Elemente einer theoretischen Kultur vor der Achsenzeit, wie beispielsweise die Berechnung von Kalendern, aber erst in der Achsenzeit erhielt die theoretische Kultur eine zentrale Bedeutung. In einer gewissen Weise kann man sagen, dass die Achsenzeit den Beginn jenes Zeitalters darstellt, dessen Verheißungen bis heute noch nicht vollständig eingelöst sind. Für die heutige Zeit, die durch große soziale und kulturelle Wandlungsprozesse geprägt ist, ist die Rückbesinnung auf die kulturellen Wurzeln der Achsenzeit und die Nachzeichnung unterschiedlicher Wege zu „multiplen Modernen“ von besonderer Bedeutung, gerade auch um Thesen wie die des „Clash of Civilizations“ von Huntington zu verstehen und zu kritisieren.
Die Tagung wird Wissenschaftler von internationalem Rang, die sich mit der Achsenzeit und ihren Auswirkungen auf die Gegenwart befassen, zu einem interdisziplinären Gespräch versammeln. Die Referenten der Tagung sind: Johann Arnason (Australien), Jan Assmann (Deutschland), Robert N. Bellah (Berkeley), José Casanova (USA), Merlin Donald (Kanada), Shmuel Eisenstadt (Israel), Jürgen Habermas (Deutschland), Hans Joas (Max-Weber-Kolleg), Matthias Jung (Max-Weber-Kolleg), Richard Madsen (USA), Manos Marangudakis (Griechenland), David Martin (Großbritannien), Mohammed Nafissi (Großbritannien), Gananath Obeyesekere (USA), Heiner Roetz (Deutschland), W.G. Runciman (Großbritannien), William Sullivan (USA), Ann Swidler (USA), Charles Taylor (Kanada), Steven Tipton (USA) und Björn Wittrock (Schweden). Die Durchführung der Tagung, wird mit einem Betrag von über 100.000 EUR großzügig unterstützt durch die John Templeton Foundation.
Am Rande der Tagung wird das Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien auch erstmalig eine Ehrendoktorwürde verleihen. Robert N. Bellah erhält diese für seine herausragenden Verdienste auf dem Gebiet der Religionssoziologie. Robert N. Bellah ist emeritierter Professor für Soziologie der University of California in Berkeley. Er studierte in Harvard, wo er 1950 seinen BA-Abschluss machte und 1955 promovierte. Er lehrte zunächst in Harvard und ab 1967 in Berkeley. Seine wichtigsten Bücher sind: Tokugawa Religion, Beyond Belief, The Broken Covenant, The New Religious Consciousness, Varieties of Civil Religion, Imagining Japan: The Japanese Tradition and Its Modern Interpretation, und aktuell (2006): The Robert Bellah Reader. 1985 publizierte er Habits of the Heart: Individualism and Commitment in American Life, in Zusammenarbeit mit Richard Madsen, William Sullivan, Ann Swidler and Steven Tipton, und 1991, mit den gleichen Kollegen, The Good Society. Der erste Band eines umfangreichen neuen Werkes Religion in Human Evolution steht vor der Veröffentlichung.