Universität Erfurt

"Wunder im Islam": Pressemitteilung Nr.: 4/2008 - 03.01.2008

"Wunder haben in den Offenbarungsreligionen u.a. die wichtige Aufgabe, die Glaubwürdigkeit der Religion und ihrer Propheten zu erweisen", sagt der Islamwissenschaftler Professor Dr. Gregor Schoeler von der Universität Basel. Er wird die erste Ringvorlesung des Jahres am Dienstag, dem 8. Januar im Rathausfestsaal zum Thema "Wunder im Islam" bestreiten.

Im Islam unterscheide man Propheten- und Heiligenwunder. Prophetenwunder seien Wunder, welche Gott die von ihm gesandten Propheten zur Beglaubigung ihrer Sendung wirken lasse. "Nach der Lehre des Korans war das wichtigste Wunder Jesu, dass er Tote auferwecken konnte. Das eine große Wunder Mohammeds ist der Koran selbst§, so Schoeler. Die Lehre von der unnachahmlichen Schönheit des Korans spiele in der islamischen Theologie eine grosse Rolle. Das Heiligenwunder sei eine Tat, welche durch eine Gunsterweisung Gottes an den oder die Heilige zustande komme. Es spiele sich im privaten Bereich ab. "Für die breite Masse der Muslime scheinen die Heiligen und ihre Wunder (z.B. Heilungen von Krankheiten) im alltäglichen Leben von größerer Wichtigkeit zu sein als der Prophet Mohammed", stellt Schoeler fest. "Die wichtigste theologische Lehre, die sich mit dem Wunder befasst, besagt, dass es keine Naturgesetze, sondern nur Gewohnheiten Gottes gibt. Demnach sind beide Wunderarten Durchbrechungen der Gewohnheiten Gottes".

Modernistische islamische Theologen lehnten den Glauben an die Heiligenwunder ganz ab und seien um eine neue Deutung der Prophetenwunder bemüht. "Ein ägyptischer Gelehrter des 20. Jh.s, Muhammad Khalafallah, unterschied als erster Glaubenswahrheiten und historische Wahrheiten. Die im Koran berichteten Wunder sind nach ihm keine historischen Tatsachen, vielmehr dienen die mit ihnen verbundenen Geschichten dazu, die Menschen auf den rechten Weg zu führen. Noch weiter gehen zeitgenössische türkische Theologen der Ankaraer Schule. Einer von ihnen fordert sogar eine ‚Entmythologisierung' des Korans. Freilich wird diese modernistische Deutung der im Koran berichteten Wunder nur von einer Minderheit muslimischer Gelehrten getragen. Jedoch wird sie gerade auch von in der Türkei ausgebildeten Theologen aus den Balkanländern aufgegriffen, also von europäischen Muslimen". Somit bestehe die Chance, so Schoeler, dass man im interreligiösen Dialog mit den Muslimen auch über das Thema "Wunder" einen gemeinsamen Nenner finden könne.

Der 1944 in Waldshut/Baden geborene Schoeler, studierte zunächst Germanistik, Romanistik und Philosophie an der Philipps-Universität Marburg/Lahn, später dann Orientalistik an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt und der Justus-Liebig-Universität Giessen, wo er auch in Islamkunde promovierte und sich in Islamwissenschaft habilitierte. 1982 wurde er als ordentlicher Professor für Islamwissenschaft an die Universität Basel berufen. Er war 2000 Gastprofessor an der Sorbonne (Ecole Pratique des Hautes Etudes) in Paris und erhielt im Jahr 2006 den Preis Delalande-Guérineau der Académie des Inscriptions et Belles-Lettres am Institut de France, für das Buch "Ecrire et transmettre dans les débuts de l'islam".

Die gemeinsame Ringvorlesung von Universität und Fachhochschule Erfurt im Wintersemester 2007/2008 "Wunder - Provokation der Vernunft" geht - anlässlich des 800jährigen Jubiläums der Hl. Elisabeth - dem Phänomen von Wundern nach, die ja in der heutigen Zeit nicht einfach verschwunden sind. Dabei geht es neben der Beschäftigung mit Wundern in den verschiedenen kulturellen Kreisen und Religionen auch um Wunder der Natur, Wunder der Technik, um das Wunder der friedlichen Revolution von 1989. Die mit Unterstützung der Sparkassenfinanzgruppe, der Stadtverwaltung Erfurt, dem HELIOS-Klinikum und der Universitätsgesellschaft Erfurt e.V. veranstaltete und von der Thüringer Allgemeine präsentierte populäre Reihe bietet jeweils dienstags (Beginn 18.00 Uhr) in insgesamt 14 Veranstaltungen Vorträge von Professoren aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen. Die Veranstaltungen finden im Rathausfestsaal, dem Audimax der Universität oder dem Auditorium der HELIOS-Klinik statt (Programm im Internet).

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