Universität Erfurt

Experimentalphysik für den Herzog: Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha lädt zur Arbeitstagung ein: Pressemitteilung Nr.: 78/2017 - 29.09.2017

Außenansicht Schloss Friedenstein Gotha

Der vom Land Thüringen geförderte und neugegründete Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha – bestehend aus der Forschungsbibliothek und dem Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt sowie der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha – lädt am 23.und 24. Oktober erstmals zu einer Arbeitstagung ein. Sie steht unter dem Titel „Das Schloss als Hörsaal. Ludwig Christian Lichtenbergs ‚Vorlesung über die Naturlehre‘ und die residenzstädtische Wissensproduktion um 1800“ und findet in den Räumen im Ostflügel von Schloss Friedenstein statt. Eine Anmeldung ist noch bis zum 15. Oktober möglich.

Das Gotha der Aufklärungszeit als Schauplatz physikalischer Experimente steht im Mittelpunkt der Tagung. Ausgangspunkt sind Handschriften, die sich in der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt erhalten haben: Lichtenbergs Manuskript seiner „Vorlesung über die Naturlehre“ und die Mitschriften Herzog Ernsts II. zu den von Lichtenberg abgehaltenen „Physikalischen Lehrstunden“.

Unter Ernst II. wurde der Gothaer Hof zu einem Zentrum der aufgeklärten Wissenschaften, dem der Herzog nicht nur als Mäzen, sondern auch als Liebhaber der Experimentalphysik vorstand. Dieses Interesse dokumentieren die umfangreichen Notizen Ernsts II. zu dem naturkundlichen Privatissimum mit Dutzenden von besprochenen und vorgeführten Experimenten, das er sich von seinem Geheimen Archivar Ludwig Christian Lichtenberg halten ließ. Zusammen mit Lichtenbergs Manuskript einer „Vorlesung über die Naturlehre“ erlaubt diese aussagekräftige Überlieferung einen tiefen Einblick in die höfischen Wissenspraktiken und die anregende Atmosphäre des Gothaer Hofes um 1800. Die bislang kaum erschlossenen Quellen dokumentieren die spektakulären Experimente Lichtenbergs ebenso wie das ernsthafte Bemühen des Herzogs, das präsentierte Wissen zu durchdringen.

Lichtenberg, der für die von ihm wesentlich verbesserte Elektrisiermaschine überregional bekannt wurde, orientierte sich bei seiner Vorlesung für den Herzog nicht am Lehrbuch des Johann Christian Polycarp Erxleben, das erst infolge der Überarbeitungen des Göttinger Bruders Georg Christoph Lichtenberg zu einem Standard werden sollte. Vielmehr griff der Gothaer selbst auf die wichtigsten Lehrbücher der Zeit zurück, um ein eigenständiges Lehrwerk zu entwerfen. Dass er dies auch materialiter konnte, lag nicht zuletzt an der progressiven Anschaffungspolitik Ernsts II., der in Tausende naturwissenschaftliche Bücher sowie zahlreiche physikalische Apparate investierte. Denn das von Lichtenberg vorgetragene Wissen war nicht nur neu, es lebte von den durchgeführten Experimenten, die sogar allerneueste, in Zweifel gezogene Versuche nachbauten und auf die Probe stellten. Die höfische Gesellschaft der Amateurwissenschaftler unterhielt sich nicht nur, sie forschte, experimentierte und publizierte.

Die Arbeitstagung wird Lichtenbergs „Vorlesung über die Naturlehre“ in ihre Wissenshorizonte und Entstehungskontexte einordnen, die Bezüge zu gleichzeitigen Forschungsaktivitäten am Gothaer Hof aufzeigen und die Manuskripte selbst einer intensiven Lektüre unterziehen. Ziel ist es, das Material zu erschließen und mit den Gothaer Sammlungsbeständen zu verbinden: die darin erwähnten naturwissenschaftlichen Werke, Apparate und Instrumente mit den Bibliotheks- und Museumsbeständen, mit archivalischen Aufzeichnungen sowie mit der Gothaer Publizistik, u.a. dem von Lichtenberg herausgegebenen „Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte“. Fragen stellen sich dabei insbesondere nach den konkreten Inhalten der Experimentalvorlesung, ihrer Aktualität und Rezeption sowie nach den vorgeführten Versuchen, den dazu benötigten Apparaten, deren Anschaffungswegen und Mechanikern. Gefragt werden muss zudem nach der Vernetzung der ‚scientific community‘ in persönlichen wie publizistischen Netzwerken sowie nicht zuletzt nach dem Verhältnis von (akademischer) Wissenschaft und (höfischem) Dilettantismus.

Details zum Tagungsprogramm entnehmen Sie bitte unserem Blog unter: https://www.gotha3.de/forschungsblog/wp-content/uploads/2017/09/Flyer_Das-Schloss-als-H%C3%B6rsaal.pdf.

Weitere Informationen / Kontakt:

Sammlungs- und Forschungsverbund Gotha
PD Dr. Julia A. Schmidt-Funke
Tel.: 03621-8234330
julia.schmidt-funke@uni-erfurt.de

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