Geh. Archiv XX I 1a, Bl. 1/2r-207v, hier: Bl. 2r.
Die Forschungsbibliothek Gotha der Uni Erfurt hat bei Erschließungsarbeiten zum Nachlass des lutherischen Theologen, Kirchenhistorikers und ehemaligen Bibliotheksdirektors auf Schloss Friedenstein, Ernst Salomon Cyprian (1673–1745), im Thüringischen Staatsarchiv Gotha die sehr frühe Beschreibung einer Geschichte der Reformation entdeckt. Unter dem Titel „Von der Zwispaltung so sich des Glaubens und Religion halben im 1517. Jar in Teutscher Nacion hat angefangen“ schrieb der unbekannte Verfasser bereits 1535 einen umfassenden handschriftlichen Bericht über die Ereignisse seiner Zeit aus katholischer Sicht.
„Dieses Dokument“, sagt Dr. Daniel Gehrt, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsbibliothek Gotha und Entdecker der Handschrift, „ist historisch betrachtet von großer Bedeutung.“ Es ist um einige Jahre älter als die beiden bisher bekannten Beschreibungen der Reformationsgeschichte, die nach 1541 von den beiden lutherischen Superintendenten Friedrich Myconius (1490–1546) in Gotha bzw. Georg Spalatin (1484–1545) in Altenburg verfasst worden sind. Zugleich sind die Reflexionen des Verfassers im Vergleich mit Flugschriften aus der Reformationszeit, die häufig einen polemischen Gehalt haben, ungewöhnlich sachlich. Die Handschrift gewährt auf diese Weise einen neuen Einblick in die unmittelbare Wahrnehmung der Reformation aus altgläubiger Sicht.
Die historische Beschreibung ist Teil eines Sammelbandes aus dem Besitz von Ernst Salomon Cyprian, der umfangreiche Bestände zur Reformationsgeschichte und ihren Folgewirkungen zusammengetragen hat. Sein umfangreicher Nachlass in der Forschungsbibliothek Gotha und im Thüringischen Staatsarchiv Gotha wird zurzeit im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes von Daniel Gehrt erschlossen. Der Band enthält auch weitere, der Forschung zur Reformationsgeschichte bisher unbekannte Dokumente, darunter die hennebergische Visitations- und Konsistorialordnung von 1574 in ihrem letzten Überarbeitungsstadium sowie Briefe und kurze theologiepolitische Schriften des fränkischen Reichsritters Hartmuth von Cronberg (1488–1549), der im Briefwechsel mit Luther stand. Diese Funde lassen vermuten, dass auch die altgläubige Beschreibung der Reformation in dem am Thüringer Wald angrenzenden fränkischen Raum entstand.
Der Fund wird in der Ausstellung „‘Ich habe einen Traum‘ – Myconius Melanchthon und die Reformation in Thüringen“, die vom 3. April bis zum 5. Juni 2016 als gemeinsame Veranstaltung der Forschungsbibliothek Gotha und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha im Spiegelsaal auf Schloss Friedenstein gezeigt wird, erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentiert.
Weitere Informationen / Kontakt:
Dr. Sascha Salatowsky
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