Der Hamburger Fotograf André Lützen arbeitet fast dokumentarisch – die Auseinandersetzung mit fremden Ländern und Kulturen ist seit Jahren sein zentrales Thema. Für die Herbstwahl der Griffelkunst-Vereinigung, die ab dem 1. November in der Universitätsbibliothek Erfurt ausgestellt ist, hat er eine Gruppe von sechs Fotos aus Khartum ausgewählt. „Dieser lakonische Blick auf scheinbar Nebensächliches zeigt uns eine ferne Welt manchmal doch vertraut und nah“, erläutert Prof. Dr. Patrick Rössler, Leiter der hiesigen Griffelkunst-Gruppe.
Auch die sechs Lithografien von Zinkplatten, die Tilo Baumgärtel geschaffen hat, verweisen mit ihren bizarren Tieren und Pflanzen vor konstruierten Landschaften, auf eine mystische Welt jenseits unseres Erfahrungshorizonts. Neben Baumgärtel sind Werke von drei weiteren Künstlern aus Leipzig vertreten, was die Bedeutung der sächsischen Metropole für die Gegenwartskunst gut verdeutlicht. Yvette Kießlings vierfarbig angelegtes Diptychon ist an der Quelle der Elbe entstanden; die beiden großformatigen Lithografien zeigen nebeneinander die gesamte Hochebene im tschechischen Riesengebirge. Auch von Matthias Weischer sind zwei Lithografien zu sehen: Eine in grau-blaues Morgenlicht getauchte Interieuransicht und eine üppige Dschungellandschaft. Typisch für sein Werk ist die Anlage beider Motive als eine Art Bühne, die der Maler mit seinen Mitteln für den Betrachter öffnet. Die konzeptionell und seriell arbeitende Franziska Holstein schließlich hat sechs farbige Handoffsetdrucke konzipiert. Aus einer Serie von ursprünglich 52 Papierarbeiten wurden diese Motive verkleinert, gerastert, in das Drei-Farb-System (RGB) übersetzt und von Zinkplatten gedruckt.
Die zu den Öffnungszeiten der Uni-Bibliothek frei zugängliche Schau bietet in ihrem traditionellen Foto-Schwerpunkt eine Nachlassedition von Karl Blossfeldt (1865–1932), für die aus den 264 Glasnegativen, die 1989 in die Deutsche Fotothek gelangt waren, sechs Motive abgezogen wurden, die mit Textheft und Mappe als Edition erhältlich sind. Ein siebtes Motiv liegt der Vorzugsausgabe des Werkverzeichnisses „Klassiker der Photographie“ bei, das die Griffelkunst-Vereinigung nun erstmals herausgibt. Die Ausstellung wird vervollständigt durch farbintensive Holzschnitte von Monika Michalko, einen Zyklus aus sieben Aquatinta-Blättern von Heinz-Günter Prager und eine Grafik von Dan Graham, der nach fast dreißig Jahren erstmals wieder einen seiner Entwürfe zur Verfügung gestellt hat. Ein ganz spezieller Höhepunkt ist schließlich das dreidimensionale, experimentelle Buch-Objekt des Berliner Zeichners Heiner Franzen, dessen „Innenleben“ sich heraustrennen und skulptural verschieden zusammenstecken lässt, um es aufzustellen.
Die Griffelkunst-Vereinigung, die nun schon mehr als 90 Jahre Originalwerke renommierter Künstler an ihre Mitglieder abgibt, führt damit ihre Editionsreihen fort. Für alle Mitglieder und Interessenten findet am Dienstag, 1. November, zwischen 18 und 20 Uhr ein Besichtigungstermin in der Ausstellung statt, zu dem frühere Wahlblätter ausgegeben und Fragen zur Arbeit der Griffelkunst-Gruppe Thüringen beantwortet werden. Die Ausstellung ist anschließend bis zum 13. November während der Öffnungszeiten der Bibliothek für die Öffentlichkeit zu sehen. Der Eintritt ist frei.