Universität Erfurt

Das Erfurter Jesuitenkolleg: Glaubenskrieger oder tolerante Vermittler?: Pressemitteilung Nr.: 106/2014 - 12.09.2014

Ein neues Forschungsprojekt am Theologischen Forschungskolleg der Universität Erfurt wendet sich der Geschichte und theologischen Entwicklung des Erfurter Jesuitenkollegs zu. Der Kirchenhistoriker Dr. Sebastian Holzbrecher hat für dieses Projekt eine finanzielle Unterstützung der Görres-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft eingeworben.

1575 waren erste Mitglieder der Ordensgemeinschaft der Jesuiten nach Erfurt gekommen, bis 1773 blieben sie in der Stadt. Das Gebäude des Jesuitenkollegs am Erfurter Anger zeugt heute noch von dieser Geschichte. Erstmals sollen nun im Rahmen des Forschungsprojektes die Entstehung und Entwicklung der Erfurter Ordensniederlassung umfassend historisch erforscht werden. Dabei müssen, was für die Jesuiten spezifisch ist, Ordens-, Stadt-, Konfessions-, Bildungs- und Politikgeschichte einbezogen werden. Dies trifft auf das konfessionell geteilte und nach politischer Unabhängigkeit strebende Erfurt in besonderem Maße zu. Hier gründeten die Jesuiten eine eigene Schule und unterstützten die noch in der Stadt verbliebenen Katholiken durch Gottesdienste, Katechesen, die Gestaltung von Prozessionen und Theaterspielen. Wurden die Jesuiten dabei als „Glaubenskrieger“ wahrgenommen, die eine gezielte „Rekatholisierung“ vorantreiben sollten, oder war ihr Wirken nicht vielleicht eher vermittelnder, auf politische und konfessionelle Toleranz hin orientierter Natur?

Dr. Sebastian Holzbrecher wird solche und andere Fragen komparativ angehen. Weitere Kollegien in den deutschen Ordensprovinzen der Jesuiten mit ähnlichen konfessionellen und politischen Konstellationen werden dabei als Vergleichspunkte in den Blick genommen. Auch die vielfältige Korrespondenz des Erfurter Kollegs mit der römischen Ordensleitung im Archiv des Ordens in Rom wird konsultiert. Nur so können Erfurter Besonderheiten herausgearbeitet werden. Zugleich können die Vielfalt und Bedeutung der innerjesuitischen Kommunikationsstrukturen am Erfurter Beispiel untersucht und auf ihre Fähigkeit zur Steuerung und Kontrolle des Ordens hin analysiert werden. Die schwierige konfessionelle und politische Ausgangslage im protestantischen Erfurt und die vielfältigen Untersuchungsperspektiven lassen das katholische Jesuitenkolleg auch über die Regionalgeschichte hinaus zu einem gewinnbringenden Gegenstand frühneuzeitlicher Forschungen avancieren.

Sebastian Holzbrecher ist Mitglied im Theologischen Forschungskolleg der Universität Erfurt. Seine weiteren Forschungsschwerpunkte liegen auf der kirchlichen Zeitgeschichte Ostdeutschlands.

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