Universität Erfurt

500.000 Euro zur Erforschung bedrohter Sprachen: Pressemitteilung Nr.: 64/2012 - 03.05.2012

Mit Mitteln in Höhe von rund 500.000 Euro fördert die VolkswagenStiftung ein neues Forschungsprojekt im Bereich der Sprachwissenschaft unter dem Titel „Referentiality“. Prof. Dr. Christian Lehmann, Sprachwissenschaftler an der Universität Erfurt, leitet das Projekt, das er in den kommenden drei Jahren gemeinsam mit elf Kollegen aus Deutschland, der Schweiz, den USA und aus Kamerun bearbeiten wird. Zusammen werden die Wissenschaftler zwölf bedrohte Sprachen auf ihre Referenzialität hin untersuchen, also auf ihre Möglichkeiten, Gegenstände in einen Text einzuführen oder sich auf bereits eingeführte sprachlich zu beziehen. Die Vorbereitungen laufen, Start des Projektes wird voraussichtlich im August sein.

„Die VolkswagenStiftung unterhält seit vielen Jahren ein Förderprogramm zur Dokumentation bedrohter Sprachen. So ist in den vergangenen Jahren am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen ein umfangreiches Archiv von mehr als 50  Sprachen entstanden, die inzwischen zum Teil tatsächlich ausgestorben sind“, erläutert Prof. Dr. Christian Lehmann, der selbst auch am Aufbau dieses Archivs beteiligt war. „Jetzt soll es aber darum gehen, die dokumentierten Sprachen miteinander in Bezug zu setzen, sie zu vergleichen. Genau das wollen wir tun und untersuchen deshalb Sprachen wie das Aché in Paraguay, das Chintang in Nepal und das Savosavo auf den Solomon Inseln im Hinblick auf ihre Eigenschaft, Gegenstände, über die gesprochen wird, zu referenzieren. Wir stellen also die Frage, wie wir in der jeweiligen Sprache auf Gegenstände, von denen wir reden, Bezug nehmen und welche sprachlichen Mittel uns dafür zur Verfügung stehen. Dafür gibt es zahlreiche grammatische Regeln, die in jeder Sprache verschieden sind. Im Deutschen und im Englischen ist das umfangreich untersucht und dokumentiert, in den kleinen und bedrohten Sprachen gibt es da große Lücken, die wir nun gemeinsam versuchen wollen, ein Stück zu schließen.“ Dafür werden die Wissenschaftler zahlreiche Texte unter die Lupe nehmen müssen, denn eine „Grammatik“, also ein Handbuch zu den Regeln dieser Sprachen, gibt es meist nicht. Mit Professor Lehmann arbeiten im Forschungsprojekt Sprachwissenschaftler zusammen, die – wie Lehmann – bereits eine der bedrohten Sprachen selbst untersucht und dem Archiv der Stiftung zur Verfügung gestellt haben. „Das Problem dabei ist, dass diese Untersuchungen nicht nach demselben Schema stattfinden konnten und jeder von uns weitgehend seine eigene Methode der Darstellung gewählt hat“, erklärt der Erfurter Sprachforscher. „Deshalb werden wir die kommenden eineinhalb Jahre dafür nutzen, die gesammelten Daten zunächst zu standardisieren, damit wir sie in der zweiten Phase unseres Projekts – zum Teil mithilfe einer bestimmten Software – miteinander in Beziehung setzen und prinzipiengeleitet auswerten können.“ Am Ende des Projekts soll eine umfangreiche Publikation der Ergebnisse stehen, die eine neue Version der in Nijmegen deponierten Daten enthält. „Diese Daten werden dann nicht nur erstmals standardisiert sein, sondern auch bereinigt und um neue Erkenntnisse angereichert“, erläutert Prof. Dr. Christian Lehmann. „Und ich hoffe, dass wir mit unserer Arbeit dazu beitragen können, die bisher weit verbreitete eurozentrische Sicht auf unseren Forschungsgegenstand ein wenig zu verlieren.“

Weitere Informationen / Kontakt:

Prof. Dr. Christian Lehmann

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