Universität Erfurt

10 Jahre Sammlung Perthes in der Forschungsbibliothek Gotha - eine Bilanz: Pressemitteilung Nr.: 184/2012 - 19.12.2012

Zehn Jahre ist es im Januar 2013 her, dass der Freistaat Thüringen die Sammlung Perthes mit den Mitteln der Kulturstiftung der Länder erworben und in die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt integriert hat. Grund genug, einmal Bilanz zu ziehen, denn seither hat die Universität Erfurt viel unternommen, die Sammlung, die ursprünglich ein auf Verlagsinteressen ausgerichtetes Arbeitsinstrument war, für eine wissenschaftliche Nutzung und öffentliche Präsentation in ihrem Bestand zu sichern, zu ordnen und zu erschließen.

„Mehr als zwei Jahrhunderte waren die Bestände ohne konservatorische Betreuung gesammelt worden und befanden sich entsprechend aktueller Verlagsvorhaben in steter Umordnung. Staub und Schmutz, Feinstaubbelastung und mechanische Schädigungen, Papierzerfall und gestörte Ordnungszusammenhänge waren der Grund, dass die Sammlung nach ihrer Übernahme 2003 zunächst nicht genutzt werden konnte“, erinnert sich Dr. Petra Weigel, zuständige Referentin für die Sammlung Perthes an der Universität Erfurt. „Deshalb haben wir in einem umfassenden Maßnahmenplan Strategien zur Bestandserhaltung, Ersterschließung und Popularisierung der Sammlung Perthes entwickelt, die seither in mehreren Projekten realisiert werden und mit Mitteln der Universität, des Landes und verschiedener Drittmittelgeber, allen voran die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Kulturstiftung der Länder und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, aber auch privater Spender, finanziell und personell untersetzt werden.“ Ziel war und ist es, die umfangreichen Bestände der Kartensammlung, der Verlagsbibliothek, des historischen Archivs des Verlages und die Kupferplatten bis 2015 konservatorisch zu sichern und in online zugänglichen Datenbanken zu erfassen, so dass sie der Wissenschaft und Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Maßnahmenplan zielt dabei vor allem auf die Erschließung der historischen Perthes-Bestände bis 1952/53. Er wird in Teilprojekten seit 2005 realisiert, so dass heute bereits große Teile der Sammlung der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich sind.

Auf diese Maßnahmen bauen auch die wissenschaftlichen Aktivitäten der Universität und ihrer Partner bei der wissenschaftlichen und sammlungsbezogenen Erschließung der Sammlung Perthes Gotha auf. Die Universität hat dabei eigene Veranstaltungsformate wie die „Gothaer Kartenwochen“ oder „Perthes im Gespräch“ entwickelt, um die Sammlung zunächst in Gotha und Thüringen im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Publikationen, wie ein repräsentativer Band zur Sammlung und ein Kurzführer, aber auch ein 2010 an den Start gegangenes Internetportal vermitteln das außerordentliche kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Potenzial der Sammlung an eine breitere Öffentlichkeit. Mit der Sammlung beschäftigen sich überdies seit Jahren über das Herzog-Ernst-Stipendienprogramm, das von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert wird, Wissenschaftler mit den Karten, Büchern und Archivalien. Ein wichtiger Meilenstein hin zu einer künftigen, über die Universität Erfurt hinausgehenden interdisziplinären, kooperativen Erschließung und Auswertung der Sammlung war eine 2010 mit der Universität Jena veranstaltete Tagung, deren Ergebnisse unter dem Titel „Die Werkstatt des Kartographen“ 2011 vorgelegt wurden. Dank der Förderung des Thüringer Ministeriums für Bildung und Wissenschaft wird seit September 2011 ein mit zwei Personalstellen ausgestattetes dreijähriges Forschungsprojekt „Globalisierung und lokales Wissen“ realisiert, das Strategien einer künftigen sammlungsbezogenen Forschung für die Sammlung Perthes entwickelt.  Vor der Besetzung steht eine Professur für Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts, deren wesentliche Aufgabe darin bestehen wird, weitere Forschungsvorhaben zur Sammlung Perthes zu initiieren. Überdies ist zum Wintersemester 2014/15 ein neuer Master-Studiengang an der Uni Erfurt geplant, der sich mit sammlungsbezogener Wissens- und Kulturgeschichte und somit u.a. auch mit der Sammlung Perthes beschäftigen wird.

Ohne zusätzliche Drittmittel wäre all dies jedoch nicht zu stemmen gewesen. So konnten für Großprojekte in den vergangenen zehn Jahren insgesamt knapp eine Million Euro Drittmittel bei großen Wissenschaftsförderern in der Bundesrepublik eingeworben werden: Zu nennen wären hier die Kulturstiftung der Länder, die die Sammlung Perthes mit 200.000 Euro zur Finanzierung der Stelle einer wissenschaftlichen Referentin unterstützt hat. Inzwischen konnte die Universität diese Stelle verstetigen.

Aber auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat wesentlich zum Erfolg des Projekts beigetragen. Sie förderte die Entwicklung einer Anlage zur elektrostatischen Reinigung der 185.000 Perthes-Karten zusammen mit einem Materialwissenschaftler, einem Technologen und Restauratoren mit insgesamt 122.000 Euro. Das Projekt, in dem nicht nur die Karten vom Feinstaub gereinigt und die historische Ordnung wiederhergestellt, sondern die Karten in säurefreie Mappen und neue Kartenschränke eingelegt wurden, ist inzwischen abgeschlossen. Die innovative und bisher einzigartige Technologie wurde an die Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen weitergegeben.

Die Universität Erfurt konnte überdies für die erstmalige Online-Katalogisierung der Verlagsproduktion und der Verlagsbibliothek Perthes bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzielle Mittel für zwei Bibliothekarsstellen einwerben. Die Projekte sind ebenfalls abgeschlossen, damit sind die bibliografischen Informationen über die Karten des Perthes Verlages und die Bücher der Verlagsbibliothek im Netz und weltweit recherchierbar.

Aber auch private Stifter unterstützten die Sammlung: So spendete Stephan Justus Perthes über die Kulturstiftung der Länder bislang insgesamt 100.000 Euro, die zur Finanzierung von Personalstellen der Projekte eingesetzt worden sind: ein Buchbinder zur Begleitung des Kartenreinigungsprojektes und ein Archivar zur Ersterfassung der ersten 200 laufenden Meter des Perthes-Archivs. Die archivarische Erschließung geht voran, die buchbinderische Maßnahme im Kartenreinigungsprojekt ist indessen abgeschlossen.

„Wir sind zutiefst dankbar für dieses Engagement“, sagt Dr. Petra Weigel, die zusammen mit ihren Kollegen seit 2010 jährlich im Rahmen der „Gothaer Kartenwochen“ auch eine Ausstellung zur Sammlung Perthes organisiert. Den Grundstein zu regelmäßigen Ausstellungsvorhaben hatten 2005 zwei Präsentationen gelegt – die im Erfurter Landtag gezeigte Ausstellung „AllerLandKarten“ und die Ausstellung „Der Erde ein Gesicht geben“, die insgesamt mit 30.000 Euro durch die Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thüringen gefördert wurden. „Aber wir wollen auch die zahlreichen weiteren Förderer und Kooperationspartner nicht vergessen, wie beispielsweise den Freundeskreis der Forschungsbibliothek Gotha e.V., der seit Jahren die Veranstaltungen sponsert und den Kurzführer zur Sammlung finanziert hat. Oder die Fachhochschule Erfurt, speziell die Mitarbeiter und Studierenden des Studiengangs Konservierung/Restaurierung, die zur Bestandssicherung der bedeutenden Kupferplattensammlung die Kupferplatten der Sammlung Perthes konservieren.  Die ersten  50 bearbeiteten Platten konnten wir bereits im September 2012 präsentieren.“

Viel ist also in den vergangenen zehn Jahren für die Erschließung und den Erhalt der Sammlung Perthes Gotha getan und erreicht worden. Dennoch gibt es auch in Zukunft jede Menge zu tun. Dr. Kathrin Paasch, Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha: „Auch die künftigen Projekte, die seitens der Bibliothek für die Sammlung Perthes entwickelt werden, sind Vorhaben, die die Bestände für ihre weitere inhaltliche Erforschung zugänglich machen. Schwerpunkt unserer Arbeit werden weiterhin Bestandserhaltungsmaßnahmen für Bibliothek und Archiv sein sowie bibliothekarische Erschließungsvorhaben wie die Einzelblattkatalogisierung der gereinigten und geordneten Kartensammlung in Online-Datenbanken und die Erarbeitung von rechnergestützten Findmitteln für das historische Perthes-Archiv. Darüber hinaus wollen wir die wichtigsten Bestandsteile der einzigartigen Sammlung digitalisieren und aufbereiten“. Ein Meilenstein wird dabei der Wiedereinzug der Sammlung Perthes in die Gebäude an der Gothaer Justus-Perthes-Straße sein. Dort wird derzeit das historische Verlagsgebäude umfangreich saniert und zu einem gemeinsamen Haus für die Stiftung Schloss Friedenstein, das Thüringische Staatsarchiv Gotha und die Forschungsbibliothek umgebaut. Unter dem Namen „Perthes-Forum“ soll es ein modernes Depot- und Sammlungsgebäude mit teilweise öffentlichen Nutzungs- und Repräsentationsbereichen werden. Geplant ist, die Sammlungsbestände der drei den Standort Gotha prägenden Kultur- und Sammlungsinstitutionen im Gebäude zusammenzuführen, um damit auch die weitere Entwicklung und Profilierung des „Barocken Universums“ Schloss Friedenstein und seiner Sammlungen als eines der bedeutendsten frühbarocken Ensembles Deutschlands zu sichern. Das Herzstück der Sammlung wird dann der restaurierte Ahnensaal sein, ein mit originalen Kartenschränken und -tischen sowie den Porträts der wichtigsten Verlagsmitarbeiter ausgestatteter historischer Magazin- und Repräsentationsraum des Perthes Verlages. Hier sollen künftig Führungen, Seminare, Workshops und kleinere Tagungen stattfinden. Darüber hinaus ist geplant, im Bereich der Forschungsbibliothek auf Schloss Friedenstein Spitzenstücke in einer Dauerausstellung und in thematischen Sonderausstellungen zu präsentieren. Im neuen „Perthes-Forum“ entsteht damit nicht nur eine Außenstelle der Forschungsbibliothek mit Magazin-, Erschließungs- und Benutzungsfunktionen, sondern zugleich ein repräsentativer, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglicher Erinnerungsort für die kartografischen Traditionen Gothas und für die mit dem Perthes Verlag auf das engste verknüpfte Entwicklung der modernen Kartografie und Geografie. Dr. Kathrin Paasch: „Wir hoffen sehr, dass die Sanierung des künftigen Perthes-Forums zügig vorangeht, um so schnell wie möglich die Sammlung wieder am angestammten Ort und dann unter wesentlich verbesserten Bedingungen präsentieren zu können“.

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