Universität Erfurt

Fremde Welt erforscht: Pressemitteilung Nr.: 69/2011 - 02.05.2011

Studierende der Universität Erfurt haben im Wintersemester 2010/11 erstmals ihr Interesse an Gebärdensprache, Gehörlosenkultur und der Integration zweier Welten durch Medien vertiefen können. In der selbstorganisierten Lehrveranstaltung  „Sprechen, Schreiben & Signen – Medien als Brückengestalter bei der Kommunikation zwischen gehörlosen und hörenden Menschen“ haben sie sich mit dem Thema beschäftigt und aufgrund des großen Erfolgs beschlossen, die Lehrveranstaltung im laufenden Sommersemester zu wiederholen und auszubauen.

In Deutschland leben nach Angaben des Bundesamtes für Statistik (2009) 282.035 Menschen mit Beeinträchtigungen im Bereich Sprache und Kommunikation. Davon sind rund 80.000 Personen gehörlos. Sie stellen auch durch ihre eigene Sprache, die Deutsche Gebärdensprache (DGS), eine sprachliche und kulturelle Minderheit in der Gesellschaft dar. Insbesondere im Hinblick auf den Inklusionsgedanken ergeben sich daher vor allem für (Sonder-)Pädagoginnen und -Pädagogen besondere Anforderungen im Umgang mit Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, die im Studium erworben werden sollten.

Seit dem Wintersemester 2007 leitet Katrin Koschollek, selbst gehörlos geboren, an der Universität Erfurt Kurse in Gebärdensprache. Seitdem ist auch bei den Studierenden das Interesse, die Gebärdensprache zu erlernen, gestiegen. Das komplexe Thema „Gehörlosenkultur“ kann jedoch nicht allein im Rahmen eines Sprachkurses abgedeckt werden, es erfordert begleitende Seminare, die sich mit der Thematik auseinandersetzen. Deshalb boten nun Professorin Dr. Solveig Chilla (Fachbereich Sonder- und Sozialpädagogik) und Professor Dr. Burkhard Fuhs (Fachbereich Medienpädagogik) eine selbstorganisierte Lehrveranstaltung im Bereich des Studium Fundamentale an. Da Gehörlose in Deutschland eine sprachliche Minderheit sind und sich durch die Entwicklung von Medien besonders bei Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung neue Perspektiven bezüglich der Kommunikation aufzeigen, war die Kombination beider Fachbereiche für das Seminar sowohl nützlich als auch gewinnbringend. Die Studentinnen Kristin Hofmann und Nadine Recknagel, selbst gebärdensprachkompetent und Vorsitzende des Vereins „KULTUR LAUTer STILLE e.V.“, übernahmen in Kooperation mit den Dozenten die Planung, Organisation und Moderation des Seminars. Der Fokus lag dabei auf der eigenverantwortlichen und selbstorganisierten Arbeit in Kleingruppen. Außerdem wurden ganz unterschiedliche Institutionen wie der Landesverband für Gehörlose Thüringen e.V., die CI Selbsthilfegruppe Thüringen, das CI-Rehabilitationszentrum Thüringen sowie der Verein „KULTUR LAUTer STILLE“ in die Forschungsarbeit einbezogen. Gleichzeitig gelang es den Studierenden, nachhaltige Kontakte herzustellen. So erklärte sich beispielsweise die Erfurt Tourismus Marketing GmbH bereit, einen von den Studierenden  erarbeiteten Stadtplan über Angebote für Menschen mit Hörbeeinträchtigung in ihre Öffentlichkeitsarbeit zu integrieren. Und eine Gruppe Studierender, die in einer Grundschule im Rahmen des Ehtik-Unterrichtes ein Angebot zur Sensibilisierung von Kindern gegenüber der Thematik „Hörbeeinträchtigung“ gestaltete, stieß ebenfalls auf großes Interesse.

Für die Recherche der einzelnen Themen sowie die Kontaktaufnahme zu den Probandinnen und Probanden haben die Studierenden unterschiedliche Medien genutzt. Blogs, social networks und Internetforen wie „my-deaf.com“, „taubenschlag.de“ oder YouTube stellten hierbei wertvolle Informationsquellen dar. Printmedien wurden herangezogen und kurze Umfragen per E-Mail gestartet. Die Ergebnisse haben die Studierenden nun in einem umfangreichen Portfolio zusammengetragen, das  anderen Studierenden jetzt als wertvolle Informationsquelle dient. Es soll im Semesterapparat der Universitätsbibliothek zur Verfügung gestellt sowie auf der Homepage des Vereins „KULTUR LAUTer STILLE e.V.“ (www.kulturlauterstille.de) einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Weitere Informationen / Kontakt:

Prof. Dr. Solveig Chilla

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