An der Willy Brandt School of Public Policy der Universität Erfurt haben 2011 die ersten afghanischen DAAD-Stipendiaten ihren Master abgeschlossen. Ihr Abschluss qualifiziert sie nun für Führungspositionen im Öffentlichen Dienst oder in Nichtregierungsorganisationen (NGO). Um am Aufbau effektiver ziviler Institutionen in Afghanistan mitzuwirken, sind einige bereits in ihr Land zurückgekehrt.
Niamatullah Sayer ist seit August 2011 wieder in Kabul. 2009 kam der Programmmanager und Rechtsberater einer Baufirma nach Erfurt. Dort absolvierte er mit einem DAAD-Stipendium im Rahmen des Programms „Public Policy and Good Governance“ das Master-Studium „Public Policy“. Wahrscheinlich wird er noch in diesem Jahr in Afghanistan für die Regierung in einer Führungsposition wegweisende Entscheidungen treffen. „Ich habe mehrere Optionen“, sagt Niamatullah Sayer. Derzeit arbeitet er als Politikberater für das Agrar-Ministerium. Dort wurde ihm eine leitende Position im höheren Verwaltungsdienst angeboten. Eine andere Stelle gibt es für ihn in einer Antikorruptionsorganisation der afghanischen Regierung. Die Aussichten sind gut. „Es herrscht zwar noch immer viel Korruption in Afghanistan und ich hatte bislang wenig Kontakte zu den Ministerien“, erzählt Niamatullah Sayer. Aber aufgrund seiner erfolgreichen Weiterbildung in Deutschland erhält er nun viel positive Resonanz. „Ich hoffe, dass ich bald in Afghanistan etwas ändern kann.“
„Unsere afghanischen Absolventen sind auf jede mögliche Form der öffentlichen Entscheidungsfindung vorbereitet“, sagt Prof. Dr. Frank Ettrich, Direktor der Willy Brandt School of Public Policy. „Sie lernen, konkrete Probleme zu analysieren und bekommen ein umfangreiches methodisches Instrumentarium an die Hand – zum Beispiel ökonometrische Methoden, die Quantifizierung und konkrete Abrechnung von Projekten.“ Damit können sie beliebige Projekte des afghanischen Staates, von NGOs oder internationalen Akteuren effektiv verwalten. Eine zweite wichtige Komponente des Master-Programms ist die Fähigkeit, Analysen ziel- und ergebnisorientiert an die jeweiligen Akteure zu vermitteln. Wichtig ist Prof. Dr. Ettrich außerdem, dass die afghanischen Studierenden in Deutschland viel Kontakt mit Botschaftern und internationalen Akteuren haben: „Sie erfahren dabei, wie potenzielle Partner denken und handeln“.
Bereits 40 Afghanen haben sich an der Brandt School in Erfurt eingeschrieben. Im Juni 2011 schlossen 13 von ihnen den Master erfolgreich ab. Weitere 14 studieren im zweiten Jahr und zehn afghanische DAAD-Stipendiaten starteten in diesem Jahr ihr Master-Studium. „Um Korruption zu bekämpfen, brauchen wir professionelles Handeln und ethische Kraft“, sagt Mohammad Hossain Torabi. Der afghanische Wirtschaftswissenschaftler gehört wie Niamatullah Sayer zu den ersten Absolventen und bewirbt sich derzeit von Deutschland aus um passende Stellen in Finanz- und Wirtschaftseinrichtungen der afghanischen Provinz Herat, aus der er stammt. „Generell sind unsere Absolventen in den einzelnen Ministerien und Provinzialbehörden Afghanistans sehr willkommen“, weiß Prof. Dr. Ettrich. Doch manchmal stünden Vetternwirtschaft und Korruption im Weg. Hilfe bei der Rückvermittlung in die entscheidenden Verwaltungspositionen bietet eine Kooperation des DAAD mit dem Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM), einer Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz) und der Bundesagentur für Arbeit. Das gemeinsam organisierte Afghanistan-Programm „Return of Talents“ läuft derzeit an. Sieben der aktuellen Erfurter Absolventen haben sich für die Vermittlung beworben. Fünf sind zurück in Kabul und für drei stehen die Chancen auf eine Stelle in leitender Funktion in einem Ministerium sehr gut. Ein Sprungbrett bieten auch die bis zu drei Monate dauernden Praktika in afghanischen Ministerien oder NGOs, die in das Erfurter Studium integriert sind. Sind die Absolventen vermittelt, bleiben sie über eine intensive Alumni-Arbeit in Kontakt mit DAAD und Hochschule.
Für die Zukunft möchte Prof. Dr. Ettrich an der Brandt School didaktische Elemente in den Master-Studiengang integrieren. So könnten Absolventen in ihrer Heimat auch in die Lehre an Universitäten oder in Trainingsprogrammen eingebunden werden – wie Faiz Mohammad Zaland. Zurück in Afghanistan ist er als Ausbilder in ein Trainingsprogramm der afghanischen Regierung integriert. Er gibt weiter, was er in Deutschland gelernt hat: „Ich möchte Seite an Seite mit anderen Afghanen daran arbeiten, mein Land zu stabilisieren und jedem Menschen hier zu einem erfolgreichen und lohnendem Leben zu verhelfen“.
Weitere Informationen / Kontakt:
Prof. Dr. Frank Ettrich
- +49(0)361/737-4981
- frank.ettrich@uni-erfurt.de
- www.brandtschool.de