Die Universitätsbibliothek Erfurt bewahrt neben mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften und historischen Drucken des 16. - 19. Jahrhunderts auch 639 Bände mit so genannten Inkunabeln.
Im Zusammenhang mit dem Kauf der Büchersammlung der alten Universität durch die Stadt Erfurt im Jahr 1908 mussten jedoch mindestens 645 Inkunabeln an die damalige Preußische Staatsbibliothek zu Berlin abgegeben werden. Der Begriff Inkunabel geht auf das lateinische Wort „incunabula“ – „erste Kindheit“ bzw. „cunabula“ – „Wiege“ zurück.
Diese Bücher aus den „Kinderjahren“ der Buchdruckerkunst, die ab ca. 1450 bis ins Jahr 1500 hergestellt wurden, stammen in unserem Fall überwiegend aus dem Collegium Amplonianum, aus ehemaligen Erfurter Klosterbibliotheken (Peterskloster, Augustinerkloster, Kartäuserkloster), aus der alten Universitätsbibliothek sowie aus der Schenkung des kurmainzischen Statthalters Philipp Wilhelm von Boineburg.
Die in der Ausstellung präsentierten Wiegendrucke zeigen durch die enthaltene Buchmalerei ihre noch sehr enge Verwandtschaft mit den mittelalterlichen Handschriften. Für die damalige Zeit ziemlich modern sind hingegen die Illustrationen in Form von Holzschnitten. Die Bände haben jeweils einen engen Bezug zu Erfurt, sei es durch die Autoren der Texte, sei es durch die Besitzeinträge, sei es durch die Buchmaler.
Detail aus Vitrine 3:
Nicolaus de Tudeschis: Super libros decretalium. Basel: Michael Wenssler, Berthold Ruppel u. Bernard Richel, 1477.
Der aus Sizilien stammende Nicolaus de Tudeschis (1386 – 24.02.1445) gehörte dem Benediktinerorden an, wurde 1434 zum Erzbischof von Catania ernannt und später auch zum Kardinal erhoben. Er war einer der bedeutendsten Kirchenrechtler der Zeit. Der Kommentarband zu den Dekretalen Papst Gregor IX. ist eines seiner wichtigsten Werke. Das gezeigte Exemplar wurde mit buntfarbiger Initial- und Randmalerei mit Blattgold ausgeschmückt für den Erfurter Domherren, Juristen und Universitätsrektor von 1453, Lambert Voß (gestorben 1491). Die Initiale enthält das Wappen des Eigentümers, der auch einen eigenhändigen Besitzeitrag hinterlassen hat. Die Inkunabel stammt aus der Reihe der gedruckten Bücher des Collegium Amplonianum. Der Einband wurde vom Erfurter Buchbinder Ulrich Frenkel gefertigt.
Signatur: Dep. Erf. I. 2° 26 (2)