HeimAT- Projekt zur Interkulturellen Woche: Virtuelle Galerie

Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."
(Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung)

Das Wort HEIM kann die unterschiedlichsten Assoziationen auslösen. Es kann bergend oder verwahrend sein. Es ist Bestandteil von höchst unterschiedlichen Worten wie HEIMelig, HEIMat, HEIMatlos oder unHEIMlich.
In den vergangenen Monaten haben in Erfurt lebende Fotografinnen und Fotografen aus Griechenland, Indonesien, Polen, Rumänien, Syrien und Deutschland sich auf die Spurensuche nach HEIM-Spuren begeben. Sie haben sich, begleitet von der Fotografin Sylwia Mierzynska ein HEIM-Wort ausgesucht und zu diesen Fotos gemacht. Einige haben Fotos ihrer Heimat gemacht, andere haben ihre Heimat in Erfurt gesucht und vielleicht auch gefunden. Weitere haben einen neuen HEIMat-Begriff für sich gefunden und diesen fotografisch zu verorten gesucht.

Die Ergebnisse dieser Spurensuche konnte man Campus Café Hilgenfeld, Nordhäuser Straße 63 und kann man jetzt hier betrachten.






HEIMat- ein… mein… kein... Ort

Wir sind alle Ausländer - Auswanderer. Im Leben des Menschen kommt irgendwann der Moment, in dem er gezwungen ist auszureisen. Unabhängig davon, ob er tatsächlich die politisch definierten Grenzen seines politisch definierten Heimatlandes verlässt oder nur sein Lebensumfeld wechselt, oder sich für eine sogenannte innere Emigration entscheidet (so wie es viele Menschen aus totalitären Staaten tun), wählt der Mensch für sich ein ganz eigenes Spiel. Ein Spiel dessen Regeln die neue Welt (in der er sich aktuell befindet), die alte Welt (die er verlassen hat) und die innere Welt (die er, ob er will oder nicht, immer in sich trägt) festlegt. Stimmt er diesen Regeln zu, verzichtet er für eine gewisse Zeit auf "sich selbst", um sich in jemanden anderen hineinzuversetzen - manchmal gar nicht so die Anderen, aber niemals in den selben...Ich bin HEIMat.
Sylwia Mierzynska, Master of Arts, Kunstfotografin und Dozentin auf dem Gebiet der bildenden Kunst, Spezialisierung Fotografie. Mitglied Berufsverband Bildender Künstler Berlin e.V. , Mitglied Polnischer Künstlerverband ZPAP, Krakau. Ihre künstlerische Suche ist sehr eng mit ihrem privaten Erleben verbunden, man kann die Behauptung wagen, dass sie es determiniert. Veränderungen, die Entdeckung neuer Plätze, Umzüge, Reisen, die Begegnung mit Menschen - das alles gestaltet sie in ihrem Werk. Ihre Sprache, eine Sprache, mit Hilfe derer sie sich distanzieren und frei mit Fakten jonglieren kann, ist die Fotografie.
Sylwia Mierzynska "HEIMat- ein… mein… kein... Ort" Technik: Digitale Fotografie, Collage 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017


unHEIMlich

Der Eingang zur Mohrenapotheke in der Schlösserstraße könnte eine Museums-vitrine sein, die den kolonialistischen Blick zum Thema macht. Was zeigt sie wem als Apothekenschaufenster?
Elisabeth Geffers-Strübel, Erfurterin seit 1995, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit interkulturellen Begegnungen. Zusammen mit Gleichgesinnten gründete sie 1999 "Springboard to Learning", das bis heute an der Universität Erfurt beheimatet ist. Als Hobbyfotografin fokussiert sie Fenster, Passagen, Spiegelungen und was sie uns zeigen.
Elisabeth Geffers-Strübel "unHEIMlich" Technik: Digitale Fotografie 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017


einHEIMisch

Wenn man in ein anderes Land umzieht, fühlt man sich einsam. Daher sucht man nach etwas, das ihn einen näher mit den Einheimischen in Kontakt bringt. Die Liebe zu jener Stadt ist genau was immer alle zusammen bringt.
Olympia Nita ist 1997 in Athen geboren. Sie ist im Alter von 18 Jahren nach Deutschland gekommen, um ihr Bachelor Studium anzufangen. Im Oktober beginnt sie ihr Biologie Studium. In der Freizeit beschäftigt sie sich mit Fotografie.
Olympia Nita "einHEIMisch" Technik: Digitale Fotografie 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017



geHEIMnis

Heimat ist geheimnisvoll und für mich persönlich sehr wichtig. Ein Ort, der sehr einprägsam ist, wo die Aktivitäten des Lebens laufen, wo es das Gefühl Zusammengehörigkeit, Sicherheit, Liebe, Trauer, Freude und Wohlfühlen gibt. Heimat ist ein Ort, den man im Leben nie vergessen wird. Diejenigen, die schon lange ihr Heimat verlassen haben, werden es immer vermissen.
Iwan Suparno, hat am IBiI in Jakarta Indonesien in der Fachrichtung Financial Management den Bachelor-Abschluss erlangt. Derzeit ist er Student an der Universität Erfurt. Er liebt es, seine Freizeit mit seiner "Zauberkiste" zu ver-bringen. Sie kann Momente, Raum und Zeit einfrieren. Deshalb fotografiert er leidenschaftlich sehr gern.
Iwan Suparno "geHEIMnis" Technik: Digitale Fotografie 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017



HEIMweh

Für Mohamoud Alshekh Ali ist die thüringische Landeshauptstadt zum Flucht- und Schutzraum geworden. Seine Fotografie ist noch im syrischen Heimatort gemacht worden.
Mohamoud Alshekh Ali ist 29 Jahre alt und kommt aus Hama, Syrien. Der ausgebildete Elektriker fotografiert leidenschaftlich mit der Nikon D90. Sein Weg nach Deutschland verlief von seinem Heimatland über Jordanien, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Österreich.
Mohamoud Alshekh Ali "HEIMweh" Technik: Digitale Fotografie 2015 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017


HEIMweg

Jedes Mal, wenn ich nach Rumänien zurückfliege und den Bukarester Flughafen verlasse, sehe ich dieses Bild. Für mich ist dieser Gebäudekomplex ein Zeichen, dass ich in den rumänischen Lebensmodus wechseln soll. Nach monatelang im deutschen Modus übernimmt die andere Hälfte meiner Seele die Führung. Heimat… eher ein Gefühl als ein Ort.
Simona Schurig, wurde in Rumänien geboren. Sie studierte an der Bukarester Universität Germanistik, Romanistik und Kommunikationswissenschaften. Zurzeit promoviert sie an der Erfurter Universität im Bereich der interkulturellen Kommunikation:
Simona Schurig "HEIMweg" Technik: Digitale Fotografie 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017



HEIMspiel

Heimat findet für mich an vielen Orten statt. So wie Voldemort in den "Harry-Potter-Romanen" seine Seele in Form verschiedener Horkruxe an verschiedenen Orten verteilt hat, so habe ich meine Heimaten (eigentlich gibt es dieses Wort im Plural nicht) an verschiedenen Orten aufgeteilt: in Frankreich ist sehr viel Heimat von mir, ebenso an mehreren Plätzen an der Nordsee in Deutschland. Vor 19 Monaten war ich in Japan und habe auch dort - wider Erwarten - ein Stück meines Herzens gelassen. In diesem Frühjahr habe ich diese Heimat gesucht anhand eines Phänomens, das in Japan sehr berühmt ist, das ich dort aber nicht gesehen, aber an meinem Heimatort Erfurt gefunden habe: Die Kirschblüte. Und so habe ich an einem Ort, der mich auf Grund der geringen Schönheit der umgebenden Architektur an einige Orte in Japan erinnerte, nämlich nahe dem Leipziger Platz, "mein Stück Japan" gefunden und dort ein wenig Hanami (Kirschblütenbetrachten) zelebriert.
Dr. Ulrike Wollenhaupt-Schmidt, gebürtig aus Kassel ging nach 13 Jahren in Göttingen 1995 nach Erfurt, wo sie seither lebt. Sie ist promovierte Kunsthistorikerin und Historikerin und forscht derzeit schwerpunktmäßig zu den Wechselbeziehungen japanischer und deutscher Kunst.
Dr. Ulrike Wollenhaupt-Schmidt "HEIMspiel"
Technik: Digitale Fotografie 2017 Abzug: Inkjet Print 53 x70 cm 2017

Zuletzt aktualisiert: 31.07.2018