Universität Erfurt

Erfurter Studierende im Zentrum der Macht: Ein Besuch der weltweit größten MUN-Konferenz 26.03.2018

Gastbeitrag: Mit sechs Awards für herausragende Positionspapiere und einem Award als Distinguished Delegation kommen die Erfurter Teilnehmer an der diesjährigen Model-United-Nations-Konferenz heute aus New York zurück. Im Gepäck haben die Studierenden der Universität Erfurt aber nicht nur diese Preise, sondern auch jede Menge neue Eindrücke und Erfahrungen. Hier berichten sie darüber.

Das Team von EfMUN in Washington D.C.

Ein letzter Blick in den Koffer – Socken, Kamera und die benötigte „Business Attire“ sind eingepackt. Der Schock kommt erst auf dem Weg zum Flughafen: Delegates Guide vergessen, verdammt! Also nochmal umkehren, denn der darf jetzt nun wirklich nicht fehlen. Nach sehr teurem – und schlechtem – Flughafenessen und überdeutschen dreieinhalb Stunden Wartezeit bis zum Boarding, trägt uns eine bequeme Boeing 747 über den großen Teich ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Dort erwartet uns die weltweit größte Model-United-Nations-Konferenz in New York City im Rahmen des gleichnamigen Seminars der Universität Erfurt. Dieses Jahr vertreten wir, die Erfurter Delegierten, Finnland in elf Komitees der Vereinten Nationen, sowie Kasachstan im Sicherheitsrat. Doch bevor sich die zukünftigen Diplomatinnen und Diplomaten in der Stadt, die niemals schläft, mit dem Willen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, versammeln, führt uns unser „Study Trip“ in die vermeintliche Hauptstadt der Demokratie – Washington D.C. Die Architektur kommt uns seltsam bekannt vor. Antik anmutende Säulen an den Häuserfassaden erinnern an das Geburtsland der Demokratie und Tsatsiki: Griechenland; wobei uns Erstere in den folgenden Tagen stärker beschäftigen wird. Ein wenig gerädert und vom Jetlag geplagt, kommen wir im Hotel an und treffen auf vertraute Gesichter. Die MUN-Familie ist wieder vereint.

Der Wecker klingelt. Leicht verschlafen, aber hochmotiviert, schmeißen wir uns in unsere Hemden und Blusen und machen uns auf zum Treffpunkt in der Lobby. Auf CNN erfahren wir, dass der U.S. Secretary of State Rex Tillerson nicht mehr im Amt ist. Wie passend, dass unser erster Termin heute im U.S. Department of State stattfindet. Bevor wir das Gebäude betreten dürfen, steht, wie vor allen folgenden Terminen, eine gründliche Sicherheitskontrolle an. Mit Besucherpass ausgestattet, treffen wir auf zwei US-amerikanische Diplomaten, die uns einen Einblick in ihre tägliche Arbeit geben und uns ausführlich und geduldig all unsere Fragen beantworten und mit diplomatischem Geschick auf die morgendlichen Nachrichten reagieren. Im Konferenzraum treffen wir auch auf ein bisschen Heimat: Ein Stück der Berliner Mauer mit Unterschriften von Angela Merkel, Joachim Gauck, Michail Gorbatschow und anderen großen Persönlichkeiten ist im Treppenhaus ausgestellt.
Da der nächste Termin schon wartet, geht es direkt weiter zur finnischen Botschaft. Wir treffen auf diejenigen, die wir in wenigen Tagen repräsentieren wollen und stellen die nach unserer ausführlichen Vorbereitung verbleibenden letzten Fragen. Es gibt eben noch manche Unklarheiten, die sich nicht durch Recherche, sondern nur vis-à-vis klären lassen.

Diplomatisches Kalkül, authentisches Auftreten und Wissen über die finnische „Saunadiplomatie“ kann man sich nun mal nicht einfach anlesen.

Ein letztes Briefing durch die finnischen Abgesandten, die in Teilen ebenfalls mit dem Konzept von „Model United Nations“ vertraut sind, nimmt uns die restlichen Unsicherheiten und so können wir heute Nacht bestimmt beruhigt schlafen gehen. Bevor wir uns jedoch wohlverdient in unsere Hotelbetten werfen, will noch ein weiterer Termin wahrgenommen werden und so tragen uns unsere immer müder werdenden Beine über die breiten Straßen der US Hauptstadt zur „EU Delegation to the USA“. Während der eineinhalb Stunden Meeting, niedergelassen in den Stühlen, in denen sonst die Vertreter der EU ihre Besprechungen halten, haben wir die Möglichkeit, Einblicke in das Arbeitsleben der Diplomaten zu erhalten. Wir sprechen über alltägliche Herausforderungen sowie das aktuelle politische und ökonomische Klima der europäischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. 

Weniger durch die (frühlingshaften) Sonnenstrahlen, als mehr durch den Wecker um halb acht geweckt, starten wir in den nächsten Tag und machen uns auf den Weg zur Weltbank. Dort erwartet uns Johanna Brüggemann, Advisor des Exekutivdirektoren für Deutschland bei der Weltbank, die, wie sie uns erzählt, auch in Erfurt Staatswissenschaften studiert hat. Wir erfahren von den Entwicklungsprojekten und ihrer Arbeit mit der karibischen Entwicklungsbank, bei der Johanna Brüggemann Deutschland als Exekutivdirektorin vertritt, dem Aufbau der Weltbank als solche und der Kooperation zu UN-Programmen. Sehr interessiert sind wir an den Ausführungen über ihren Werdegang, der sie von Erfurt bis nach Washington D.C. gebracht hat. Besonders auf diesem Weg geholfen hat ihr die Interdisziplinarität des staatswissenschaftlichen Studienganges und damit die Fähigkeit, Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und ihre Kollegen aus anderen akademischen Feldern in ihren Ansätzen besser zu verstehen. Wir sind sehr angetan von der Offenheit des Gesprächs und, dass all unsere Fragen ausführlich beantwortet werden, obwohl diese den Zeitrahmen weit sprengen. Von den kognitiven Anstrengungen der vergangenen Stunden hungrig geworden, gehen wir in die Cafeteria der Weltbank, die ein Potpourri von Speisen aus aller Welt bereithält – einzig ein Schnitzel aus Schmalkalden fehlt. Gestärkt und voller Wissbegierde bestreiten wir den langen Weg auf die andere Straßenseite, wo der Internationale Währungsfonds uns seine Pforten öffnet. Wir werden in der Sicherheitskontrolle auf Herz und Nieren geprüft und anschließend in einem Vortrag über Bretton Woods, Makroökonomie und die Komplementärarbeit von der Weltbank, die eigentlich eher ein Fonds ist und dem Internationalen Währungsfonds, der eigentlich eher eine Bank ist, unterrichtet. Den restlichen Nachmittag haben wir zur freien Verfügung und erkunden Washington nochmals auf eigene Faust, bevor wir den Abend gemeinsam mit der Delegation der Universität Trier ausklingen lassen.

Nach einer letzten Nacht in den kuschligen und schmalen Doppelbetten, freuen wir uns auf unsere letzten beiden Termine. Bei der Food and Agriculture Organization haben besonders die Delegierten, die Finnland in diesem Komitee sowie im World Food Programme vertreten, die Chance, gezielte Fragen zu stellen. Den krönenden Abschluss bildet dann, wie jedes Jahr, der Besuch der Deutschen Botschaft. Dass diese unglaublich weit außerhalb von Washington D.C. liegt, wussten wir bislang auch nicht. Aber die Fahrt lohnt sich und auch bei diesem Besuch können wir mehr über das Leben als Diplomat erfahren. Alle vier Jahre ändert sich der Aufenthaltsort eines solchen und manchmal erfährt man, wohin es gehen wird, erst knappe vier Wochen vor dem Umzug. Ob das wohl auch unsere Zukunft sein könnte? Wir wissen es nicht. Aber weitergebracht hat uns alles rund um das MUN-Seminar allemal.

Abschließend können wir sagen, dass MUN und die Termine in Washington D.C. uns dabei geholfen haben, die theoretischen Inhalte des Studiums, praktisch anzuwenden und umzusetzen. Wie hätten wir sonst einen so guten Einblick in mögliche Berufsfelder erhalten können?

Hinter dem Seminar stecken nicht nur Leistungspunkte, sondern vor allem auch die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und die Welt kennenzulernen.

Und so freuen wir uns auf unsere letzte Konferenz in New York City, bei der wir unsere schon vorbereiteten Reden vor „MUNies” aus der ganzen Welt vortragen und gelungene Resolutionen verabschieden werden.

Text: Daniel Holk, Sophie Merl und Christina Müller

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