"Auf ein Wort...": Gabor Kuhles zur Open Access Policy der Universität Erfurt 16.02.2018
Herr Kuhles, auf ein Wort: Was ist eigentlich die Idee hinter Open Access?
Die Idee ist kurz gesagt die, dass wissenschaftliche Informationen kostenfrei und weltweit im Internet zugänglich sein sollten, so dass jeder Interessierte die Volltexte entgeltfrei lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auf jede denkbare legale Weise benutzen kann. Diese Idee ist im Übrigen nicht ganz neu. Bereits Anfang der 1990er-Jahre rief die Association of American Universities Wissenschaftler dazu auf, mehr Wettbewerb und kostenbasierte Preise in den wissenschaftlichen Informationsmarkt einzuführen. Aus diesem und ähnlichen Ansätzen heraus entstand beispielswiese die Scholarly Publishing and Academic Resources Coalition (SPARC) mit dem Ziel, ein Angebot an Publikationsmöglichkeiten für wissenschaftliche Literatur als Gegengewicht zu etablierten hoch kommerziellen Verlagen zu schaffen. Und wie wir sehen, sind 25 Jahre später aus diesen Ideen und Initiativen durchaus feste und zwischenzeitlich etablierte Publikationsstrukturen entstanden.
Gegner von Open Access argumentieren mit ihrem Recht auf Forschungsfreiheit. Dazu gehöre eben auch die Frage wo sie veröffentlichen und wem sie ihre Arbeit zugänglich machen. Was antworten Sie denen?
Selbstverständlich gilt das Grundrecht nach Artikel 5 Grundgesetz, wonach die Forschungsfreiheit bekanntlich geschützt ist. Und dieses hohe Gut sollten wir bewahren, nicht nur im juristischen Sinne. Open Access sollte nicht so weit gehen, dass Autoren verpflichtet werden, ihr geschütztes geistiges Eigentum für jedermann zur freien Nutzung ins Internet zu stellen. Ich meine auch, dass diese Diskussionen weder durch politische Vorgaben noch durch „missionarisches Werben“ für den rechten Publikationsweg geführt werden sollten. Die Autoren sollten selbst entscheiden, auf welchen Wegen sie ihre Ergebnisse publizieren und zugänglich machen. Und sie sollten dabei auch Möglichkeiten wie etwa das Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung nach einer Frist von einem Jahr nach Erstveröffentlichung wahrnehmen.
Die Universität Erfurt hat jetzt eine entsprechende Policy veröffentlicht, die sich klar zu Open Access bekennt. Wie ist sie entstanden, wer hat daran mitgewirkt?
Gerade für eine junge Universität mit einem besonderen Fächerspektrum und einem gewachsenen Strukturprofil forschungsintensiver Einrichtungen ist es wichtig, dass Forschungsergebnisse national und international sichtbar sind. Um diese Sichtbarkeit weiter auszubauen, ist es essenziell, für die Universität insgesamt eine tragfähige E-Science Strategie im Bereich der für sie profilbildenden E-Humanities zu entwickeln. Dabei spielt das Grundprinzip des Open-Access-Gedankens eine signifikante Rolle. Ich bin deshalb sehr dankbar, dass sich die Universität nicht nur zu dem Grundgedanken einer Open Access Policy bekennt, sondern im Rahmen struktureller und organisatorischer Weichenstellungen auch die Voraussetzungen geschaffen hat, um wissenschaftliches Publizieren im Sinne eines freien und egalitären Zugangs zu wissenschaftlichen Informationen zu befördern. Damit sind auch die Mitwirkenden bereits genannt: Aus den unterschiedlichsten Fächern und Fachbereichen, aus Verwaltung, Wissenschaftsadministration, Präsidium und Stabsstellen kamen viele Anregungen und Hinweise, welche in die nun verabschiedete Open Access Policy eingeflossen sind.
Welche Unterstützung gibt es denn für Kolleginnen und Kollegen, die ihre Publikationen online in Open Access veröffentlichen möchte? Bietet die Universitätsbibliothek da Service an?
Die Universitätsbibliothek hat in den vergangenen Jahren ein differenziertes Angebotsportfolio rund um das Thema Wissenschaftliches Publizieren aufgebaut. Diese Angebote werden wir künftig weiterentwickeln und mit dem Ziel ausbauen, Wissenschaftler und Studierende umfassend zu den Publikationsmöglichkeiten im Open Access auf dem „Goldenen Weg“ und dem „Grünen Weg“ zu beraten und bei der Wahl geeigneter Publikationsmedien zu unterstützen. Als eine Säule dieses Beratungstransfers agiert neben den wissenschaftlichen Referenten das Electronic Text Center (ETC) der Universitätsbibliothek, welches umfassende Serviceleistungen - gern auch jeweils vor Ort - anbietet. Dieser Beratungstransfer ist allerdings keine einseitige Angelegenheit: Der Wandel der akademischen Publikationskultur hin zu einem hochkomplexen Prozess erfordert vielmehr eine universitätsweit tragende Bündelung und Vernetzung der Kompetenzen. Die Universitätsbibliothek setzt dabei bewusst auf digitale Angebote als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Infrastruktureinrichtungen. Dies wird künftig auch dazu führen, dass die althergebrachte Trennung etwa zwischen Rechenzentren und Bibliotheken zunehmend verschwindet. Eine stärkere Zusammenführung der Ressourcen in einem Medien- und Informationszentrum wäre deshalb für die Universität Erfurt aus meiner Sicht durchaus von Vorteil.