„Erfurt: Museum oder Zukunftsmodell der Religionen?“ ist der Titel einer Podiumsdiskussion, zu der die Universität Erfurt und der Förderverein Engelsburg am Dienstag, 4. September, in die Engelsburg einladen. Auf dem Podium diskutieren: Katrin Göring-Eckardt (Bundestagsvizepräsidentin, Präses der Synode der Ev. Kirche in Deutschland), Dr. Maria Stürzebecher (Beauftragte für das UNESCO-Weltkulturerbe für Erfurt) und Dr. Hubertus Schönemann (Leiter der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral). Die Veranstaltung wird von Prof. Dr. Jörg Rüpke, Fellow für Religionswissenschaft am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt, moderiert. Beginn ist um 18 Uhr.
In vielfacher Hinsicht ist Erfurt exemplarisch für die europäische Religionsgeschichte: Das Aufblühen der mittelalterlichen Stadt wird begleitet von Gründungen der Orden in Erfurt; eine große jüdische Gemeinde etabliert sich im Herzen der Stadt; zentrale Personen der Reformation, allen voran Martin Luther selbst, werden hier ausgebildet und tätig. Noch heute wird die Stadt durch zahlreiche Sakralbauten des Hoch- und Spätmittelalters, aber auch der Barockzeit und jüngerer Epochen geprägt. Beispielhaft sind auch die Kehrseiten dieser (Religions-) Geschichte: Das Pogrom von 1349 und spätere Judenverfolgung; das Scheitern der Bikonfessionalität der theologischen Fakultät der Universität Erfurt; der massive Einbruch von Kirchenmitgliedschaft seit den 1960er-Jahren. Religionskritik ist dabei nicht nur eine Verlustgeschichte: Die Humanisten der deutschen Renaissance, die rationalistische Religionskritik seit dem 19. Jh. formulieren auch Freiheitsgewinne gegen disziplinierende Enge religiöser Anspruche. Die Engelsburg selbst ist Zeugnis für diese Auseinandersetzung, das erste deutsche Krematorium in Gotha, das Versicherungswesen, die Sozialdemokratie eröffneten auch in religiöser Hinsicht Alternativen.
Wo stehen wir heute und wo werden wir im Blick auf Religion und Religionen am Ende des begonnenen Jahrhunderts stehen? Wird Religion ein Museumsstück sein, das frei von Bindungen und inhaltlichen Ansprüchen die Identität der Stadt im „Kernland der Reformation“ bestimmt? Werden sich – immer wieder prognostiziert, aber wenig sichtbar außerhalb des Buchmarktes –- alternative Spiritualitäten etabliert haben? Wird das Nebeneinander von religiösen Gruppen und Organisationen – von christlichen Kirchen bis hin zu jüdischen und muslimischen Gemeinden – durch Konflikt, Kooperation oder gar Zusammenführung bestimmt sein? Die ökumenische Begegnung im Rahmen des Papstbesuches des vergangenen Jahres hat – für zwei der größten christlichen Konfessionen – hier ebenso Hoffnungen geweckt wie enttäuscht.
Die Podiumsdiskussion will Gefühlslagen und Visionen im Blick nach hinten wie nach vorn ausloten und Beobachter von Religion wie Angehörige von Religionen in ein Gespräch über kulturelles Erbe, Zusammenleben und zukünftige Aufgaben und Funktionen, aber auch Grenzen von Religion für das Gemeinwesen Erfurt verwickeln.