Universität Erfurt

Gelebter Islam – oder doch Heiligentourismus?: Eine Studienexkursion nach Kappadokien: 06.08.2012

Teilnehmer an der Studienexkursion nach Kappadokien
Nach Kappadokien führte im Sommersemester eine Exkursion von Studierenden der Universität Erfurt.

Eine Exkursion hat Studierende der Universität Erfurt im Sommersemester nach Kappadokien geführt und ihnen spannende Einblicke, beispielsweise in die Heiligenverehrung im Islam, gewährt. Im folgenden Text berichtet Ulrike Frenzel von den Eindrücken der Teilnehmer...

Göreme, Kappadokien 6 Uhr morgens: Die Sonne steht bereits über dem Tafelberg im Osten und lässt die Landschaft des Göreme Nationalparks im Spiel aus Licht und Schatten noch andersweltlicher erscheinen. Der Himmel ist übersät von Heißluftballons. Zugegeben, eine ungewöhnliche Zeit für Studenten, aber diesen Anblick möchten wir uns doch nicht entgehen lassen. Außerdem ist der Morgen noch angenehm mild, auch wenn jetzt schon zu spüren ist, dass wieder ein heißer Tag vor uns liegt - ein heißer Tag mit straffem Programm.

„Excursion – ‘Lived Islam‘ (Turkey)“ lautet der Titel der Veranstaltung, in deren Rahmen wir, eine Gruppe aus acht BA- und MA-Studierenden und einem Doktoranden unter der Leitung von Prof. Dr. Jamal Malik nach Kappadokien aufgebrochen sind. Im Sommersemester dürfen wir dank der finanziellen Unterstützung der Universität Erfurt in dem zum Weltkulturerbe erklärtem Gebiet Zentralanatoliens forschen. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der Heiligenverehrung als Dimension des gelebten Islam. In Kleingruppen mit spezifischen Forschungsfragen wollen wir ein komplexes Bild der Heiligenverehrung vor Ort zusammentragen, das rituelle, kulturelle, soziologische, architektonische, demografische und logistische Aspekte mit einschließt und dabei das zuvor gewonnene theoretische Wissen praxisorientiert erweitern. Nachdem wir uns zu Beginn der Exkursion mit dem reichen historischen und religiösen Erbe der Region vertraut gemacht haben, folgt die eigentliche Arbeit an den Heiligengräbern und Sarkophagen. Wer sucht den Heiligen, aus welchen Gründen auf? Wie gelangen die Besucher an den Schreinkomplex? Und welche unterschiedlichen Verhaltensweisen und Rituale lassen sich beobachten? Ob in Interviews, die ganze Lebensgeschichten offenlegen oder durch teilnehmende Beobachtung, in der man sich plötzlich umringt von in Anbetungsgesänge vertieften Frauen wiederfindet, alle gewonnenen Informationen zeichnen sich durch ihre unvermittelte Eindrücklichkeit aus. Abends, wenn wir uns in geselliger Runde über die Erlebnisse und Erfahrungen des Tages austauschen, fallen jedoch immer häufiger Begriffe wie Musealisierung oder Institutionalisierung, denn diese Prozesse sind es, auf die wir am meisten stoßen. Das Gefühl, gelebte Religion – und nicht vielmehr einen Heiligentourismus – zu erleben, stellt sich eher selten ein. Aber auch diese Entwicklung bietet ein interessantes und ergiebiges Forschungsgebiet.

Doch sind es wohl auch auf dieser Reise gerade die unvorhersehbaren Momente, die die nachhaltigsten Erinnerungen hinterlassen. Da ein weiterer Fokus auf dem Leben und den religiösen Praktiken der alevitischen Minderheit liegt, freuen wir uns besonders über einen spontan entstandenen Kontakt, der uns ermöglicht, eine alevitische Gemeinde in ihrem Versammlungshaus besuchen zu können. Schon am darauffolgenden Tag befinden wir uns in einem ländlich anmutenden Teil des Ortes Hacıbektaş und beim Betreten des Geländes schlägt uns der Geruch von gekochtem Hammel entgegen. Nach einleitenden Erklärungen erwartet dieser uns dann auf unseren Tellern. Während der anschließenden Cem-Zeremonie können wir besonders aktiv teilnehmend beobachten, da Hyssain, unser Gastgeber, uns in die Dienste miteinbindet. Danach hören wir zusammen mit der Gemeinde gespannt die Antworten der zwei Dede auf unsere Fragen. Trotz der gastfreundlichen Distanz und einem gewissen Hang zur Selbstdarstellung, scheinen wir hier doch einen Blick hinter die Kulissen gewährt zu bekommen.

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