Universität Erfurt

Neue Publikation: „Hate Speech in den Massenmedien“: 05. Oktober 2017

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte bis zum Jahr 2014 ein Forschungsprojekt unter dem Titel „Zwischen Konsens, Meinung und Tabu. Die publizistischen Kontroversen um Thilo Sarrazin, Oriana Fallaci und James Watson“ an der Professur für Kommunikationswissenschaft/Vergleichende Analyse von Mediensystemen und Kommunikationskulturen der Universität Erfurt (Prof. Dr. Kai Hafez). Dr. Liriam Sponholz hat darin die öffentlichen Kontroversen in der nationalen und internationalen Presse zum Thema Rassismus und Diskriminierung sowie die damit zusammenhängenden Aussagen von Thilo Sarrazin und Oriana Fallaci untersucht. Die daraus entstandene Monografie „Hate Speech in den Massenmedien“ liegt jetzt vor.

Darf man öffentlich sagen, dass Schwarze dumm oder, dass Muslime gewaltbereit (vor allem, aber nicht nur) gegen Frauen sind? Stellen diese Ansichten Tabus dar oder sind es nur einzelne Meinungen unter vielen? Reagieren die Medien in Deutschland „sensibler“ bei dieser Thematik als dies in anderen Ländern der Fall ist? Das Forschungsprojekt „Zwischen Konsens, Meinung und Tabu. Die publizistischen Kontroversen um Thilo Sarrazin, Oriana Fallaci und James Watson“, das 2011 an an der Universität Erfurt gestartet war, hat Antworten auf diese Frage gesucht.

Der Ex-Finanzsenator und Ex-Bankier Thilo Sarrazin machte Medienkarriere, in dem er u.a. die Leistung von türkischen und arabischen Migranten auf die „Produktion von Kopftuchmädchen“ reduzierte. Die verstorbene Schriftstellerin Oriana Fallaci verglich Muslime mit Ratten und der Genetiker und Nobelpreisträger James Watson erlangte seinerzeit Berühmtheit mit Aussagen über die geringe Intelligenz von schwarzen Menschen. Wo aber liegen die Grenzen der öffentlichen Auseinandersetzung, wenn gruppenbezogene, biologische Unterschiede gegenüber schwarzen Menschen und kulturelle Unterschiede gegenüber Muslimen thematisiert werden? Eine Analyse der Berichterstattung über diese Fälle in verschiedenen überregionalen Tageszeitungen aus Europa sowie aus Nord- und Südamerika sollte Antworten darauf geben. Die Untersuchung an der Universität Erfurt hat dabei Länder einbezogen, deren Kommunikationskulturen durch jeweils unterschiedliche historische und politische Erfahrungen mit diesen Themen geprägt sind. Während in Portugal und Spanien das Thema Rassismus durch den Kolonialismus bestimmt wird, erfolgt diese Diskussion in den USA vor dem Hintergrund der Rassentrennung. Und auch Brasilien wurde in die Untersuchung einbezogen, weil das Land nach dem Zweiten Weltkrieg zum Vorbild der UNO in Bezug auf die Rassismus-Frage gemacht wurde. Damit rückte das Land ins Zentrum der Aufmerksamkeit der Rassismus-Diskussion und generierte den Mythus einer „Rassendemokratie“. Die Erfurter Wissenschaftler haben außerdem untersucht, wie die Kontroversen um Rassismus und Neorassismus in den deutschen Medien geführt werden, was vor dem Hintergrund der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus ebenfalls von besonderem Interesse ist.

Hate Speech ist ein bisher in der Medienwissenschaft vernachlässigter Forschungsgegenstand, dem sowohl eine ausreichende Abgrenzung als auch eine kohärente theoretische Fundierung fehlt. Das Buch schließt diese Lücke und analysiert anhand der Kontroversen um Oriana Fallaci und Thilo Sarrazin, wie Massenmedien zur Bühne für Hate Speech werden und wie sich Argumentationsprozesse hierbei auswirken. Die Untersuchung in den führenden Qualitätszeitungen Deutschlands, Italiens, Spaniens, Großbritanniens und der USA zeigt, dass Hate Speech in den Massenmedien ein rationales Phänomen ist und eine argumentative Auseinandersetzung mit den diskriminierenden Botschaften dazu führt, deren Diskursqualität zu erhöhen und sie kommunikativ zu legitimieren. Die Leistung der Hate Speaker ist es dabei nicht, etwas zuvor Unausgesprochenes oder Unaussprechliches zu thematisieren oder einen diesbezüglichen Konsens herzustellen, sondern die öffentliche Agenda zu bestimmen.

Liriam Sponholz
Hate Speech in den Massenmedien
Theoretische Grundlagen und empirische Umsetzung
Springer Verlag, 2017
ISBN 978-3-658-15076-1
454 Seiten
59,99 EUR

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