Universität Erfurt

Tagungsbericht: Welche Rolle spielen Objekte in religiösen Praktiken?: 16.10.2013

Im Rahmen des von Prof. Dr. Jörg Rüpke von der Universität Erfurt initiierten Projekts “Lived Ancient Religion” (LAR) zur religionswissenschaftlichen Grundlagenforschung fand vom 9. bis 11. Oktober im Eisenacher Hotel Haus Hainstein die von Rubina Raja und Lara Weiß organisierte internationale Tagung “The role of objects-creating meaning in situations” statt. Sie war Richard Gordon zum 70. Geburtstag gewidmet.

Hintergrund für die Tagung war die Beobachtung, dass religiöse Objekte in der Antike einen gegenständlichen und visuellen Rahmen für gelebte Religion bildeten. Je nach Situation und Person konnten z.B. dieselben Dinge unterschiedliche Rollen spielen oder auch selbst zu bestimmenden Faktoren von religiösen Handlungen werden. Das Spektrum der Vorträge der Tagung umfasste jedoch nicht nur die mitteleuropäische Antike, sondern auch den vorderen Orient, Indien und Mesoamerika. Ebenso international waren die geladenen Sprecher, die aus zehn Ländern (USA, Frankreich, Niederlande, Schweiz, Spanien Bulgarien, Großbritannien, Italien, Dänemark und Israel) angereist waren und in regen Diskussionen der Frage auf den Grund gingen, wie genau verschiedene Dinge je nach Gebrauchskontext Sinn stifteten und wie sie bestehende Bedeutungen veränderten oder auch verstärkten.

In vier thematischen Folgen wurden jeweils verschiedene Themenkomplexe abgearbeitet. Die erste Session Identifying Objects in Contemporary Discourse konzentrierte sich auf den Diskurs verschiedener Objekte. Während Patricia McAnany (Chapel Hill) die unterschiedlichen Bedeutungen von Knochenresten in verschiedenen Grabtypen diskutierte, zeigte Ioanna Patera (Paris) die Undefinierbarkeit von Opfergaben bzw. eben gerade nicht deren Ersatz auf. Die zweite Session Transferable Meanings in Space and Time zeigte den Imperator Augustus als religiöses Objekt (Frank Daubner/Stuttgart) sowie Keramikware, aber auch -scherben als sichtbare Erinnerung an die im Tempel vollzogenen Opfer (Anna-Katharina Rieger/Erfurt). In der dritten Session Objects, Spaces and Time diskutierte Richard Gordon die Rolle von Fluchtafeln und Drew Wilburn (Oberlin) die Bedeutung von Straußeneiern als religiöse Objekte. In sogenannten Multiple Meanings konnte gezeigt werden, in welchen Situationen und unter welchen Bedingungen Objekte auch verschiedene Bedeutungen annehmen können. U.a. gelten solche vielfachen Bedeutungen für Opfergaben im Sanktuar der Magna Mater in Ostia (Alison Cooley, Warwick), die Gürtelschnalle römischer Soldaten (Stephanie Hoss, Sheffield), beim Abendmahl ausgeteiltes Brot/Eucharistie (Volker Menze, Budapest), Textilfigürchen aus Ägypten (Karen Johnson, Ann Arbor), Terrakottas aus Beit Nattif (Achim Lichtenberger, Bochum), die sogenannten Bankett-tesserae aus Palmyra (Rubina Raja, Aarhus) sowie die Amtstracht der jüdischen Hohepriester (Gideon Bohak,Tel Aviv).

Die Session Mobility and Immobility as Change Factors schließlich, ging der Frage nach, ob (Im)mobilität einen konzeptuellen Unterschied im Gebrauch von Objekten macht, was anhand von goldenen Glasmedallions im Grab- bzw. Hauskontext (Hallie Meredith, Dartmouth), der Ikonografie der Göttin Tyche auf phönizischen Münzen (Andreas Kropp, Nottingham), dem Banner von Indra im altvedischen Ritual (Angelika Malinar, Zürich) sowie für feste und bewegliche Hausaltare im römischen Ägypten (Lara Weiß, Erfurt) gezeigt werden konnte. Den Festvortrag hielt Francisco Marco Simon (Zaragoza) zu Objekten, die Freundschaftsverträge zwischen Städten religiös symbolisierten.

Als wichtigstes Ergebnis der Konferenz darf genannt werden, dass die Bedeutung religiöser Objekte keineswegs statisch ist. Im Gegenteil: Die Bedeutungen von Objekten unterscheiden sich nicht nur zwischen den jeweiligen Religionen, sondern können auch innerhalb bestimmter Kulturräume je nach Kontext verschieden sein, da die Objekte von den jeweiligen Akteuren in jeder Situation neu angeeignet werden und sich ihre Bedeutung dabei verändern kann. Damit inspirierte die Konferenz nicht nur alle Teilnehmer, sondern auch die laufende Forschung der Lived Ancient Religion-Mitarbeiter auf allen Ebenen, d.h. sowohl die eher archäologisch ausgerichteten als auch die eher historisch und philologisch ausgerichteten Forschungsprojekte.

Weitere Informationen:
Lara Weiß
lara.weiss@uni-erfurt.de

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