Im Rahmen des Herzog-Ernst-Stipendienprogramms lädt das Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt am Mittwoch, 9. Oktober, erneut zu zwei Vorträgen ein, in denen Tilman Venzl und Christoph Schmitt-Maaß ihre Projekte vorstellen. Beginn ist um 17.30 Uhr im Seminarraum des Forschungszentrums auf Schloss Friedenstein. Alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen.
„Die Anregung des Meisterwerks. Zur Karriere einer literarischen Behauptung“ lautet der erste Vortrag von Tilman Venzl, der sich mit sogenannten Militärdramen beschäftigt. Als solche gelten gemeinhin Stücke wie Lessings „Minna von Barnhelm“, Büchners „Woyzeck“ oder Borcherts „Draußen vor der Tür“. Doch auch und gerade abseits dieses Spitzenkanons finden sich zahlreiche Militärdramen, für die sich in der Forschung der Begriff Soldatenstück etabliert hat. An diesen Begriff knüpft sich ein konkretes gattungsgeschichtliches Verlaufsmodell: Lessing habe die Gattung nicht nur aus der Taufe gehoben, sondern zugleich ihre Entwicklung wesentlich beeinflusst. Sein Stück „Minna von Barnhelm“ habe sich im 18. Jahrhundert und auch darüber hinaus als maßgebliches Vorbild – als Urbild aller Soldatenstücke – erwiesen. Dieses gattungsgeschichtliche Grundnarrativ birgt allerdings eine verwickelte Hypothekenlast, die im Vortrag aufgezeigt werden soll. Tilman Venzl, M.A., studierte bis 2011 in Freiburg i. Br. und Paris Germanistik und Mathematik und war anschließend Visiting Fellow an der Harvard University. Derzeit arbeitet er an der Universität Stuttgart an seinem Promotionsprojekt zu den Militärdramen des 18. Jahrhunderts.
Um 18.15 Uhr folgt dann der Vortrag von Christoph Schmitt-Maaß unter dem Titel „Die Rezeption von Fénelons ‚Télémaque‘ am Hof von Sachsen-Gotha im 18. Jahrhundert – rezeptionsästhetische, buchgeschichtliche und ideengeschichtliche Analysen“.
Fénelons „Avantures de Télémaque” (1699) war der Longseller des 18. Jahrhunderts. Die „Télémaque“-Ausgaben in der Forschungsbibliothek Gotha können drei Generationen herzoglicher Besitzer zugewiesen werden: Herzog Friedrich III. (1699–1772), dessen Gattin Luise Dorothea von Sachsen-Meiningen (1710–1767), deren gemeinsamen Söhnen Friedrich und Ernst (II.) von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1804) sowie dem Sohn des Letztgenannten, August von Sachsen-Gotha-Altenburg (1772–1822). Wurde der „Télémaque“ also intensiv in Gotha rezipiert und wenn ja: warum? In seinem Vortrag wird der Referent skizzieren, dass der „Télémaque“ zur Erziehung von Friedrich und Ernst (II.) zugrunde gelegt wurde; dies zeigen die Erziehungsinstruktionen und die Erziehungsjournale. Und: Die Mutter Luise Dorothea kann als wesentlicher Katalysator dieses Rezeptionsprozesses ausgemacht werden. Wie ihr Briefwechsel mit Voltaire zeigt, gewinnt der „Télémaque“ vor dem Hintergrund ihrer Ablehnung von Rousseaus „Émile“ als konservativer Fürstenspiegel mit aufgeklärten Implikationen Relevanz. Dr. Christoph Schmitt-Maaß wurde 2007 in Basel und Konstanz mit einer Arbeit zur deutschsprachigen Ethnopoesie in der Postmoderne promoviert. Seit 2009 arbeitet er an seiner Habilitation zur deutschsprachigen Rezeption von Fénelons „Télémaque“ im Zeitalter der Aufklärung an der Universität Potsdam.