Universität Erfurt

Das Melodram. Ein Medienbastard: 23.05.2011

Plakat: Das Melodram. Ein Medienbastard

„Das Melodram. Ein Medienbastard“ ist der Titel einer Tagung, zu dem das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Graduiertenkolleg Mediale Historiographien an den Universitäten Erfurt, Jena und Weimar vom 2. bis 4. Juni nach Erfurt einlädt. Die Tagung findet im Hörsaal Coelicum, Domstraße 10, statt und soll das Melodram unter vier Aspekten diskutieren: "Disjunktive Synthesen: Genre und Medien"; "Steigerungen des Ausdrucks"; "Glückswechsel. Die Dramaturgie des Melodrams" sowie "Ein Genre im Werden: Eine Mediengeschichte der Medien".

Das Melodram ist ein Medienbastard, der im Theater des 18. Jahrhunderts geboren wurde, nach der Französischen Revolution im 19. Jahrhundert Furore machte und als eines der populärsten Genres des Films fortlebt. Es stammt von der Ballettmusik und den Pantomimen ab, wie sie auf den Pariser Jahrmärkten zu hören und zu sehen waren. Die ersten Melodramen kombinierten Handlung und Musik, die voneinander getrennt blieben, und verbanden Sprechen und Gesang, ohne sie miteinander zu verschmelzen. Diese disjunktive Synthese der Medien zielte auf eine Steigerung des Ausdrucks, der intensive Wirkungen im Publikum erzielen sollte. In seinen Anfängen war das sogenannte „genre larmoyant“ oder „Bastardgenre“ das populäre Gegenstück zur aristokratischen Tragödie: Das Melodram verletzte die Regeln der hohen Gattung und entlehnte seine Stoffe den Schauer- und Rührstücken. Im 19. Jahrhundert wurde es in Paris zum Spektakel mit Balletteinlagen, Tableaus und Feuerwerk, das Szenen und Medien auf die Bühne brachte, die im traditionellen Drama keinen Ort besaßen. Die verschiedenen im Melodram zusammenwirkenden Medien traten zu der losen formalen Fügung der Stücke, die ihre Dramaturgie regierte, in ein Spannungsverhältnis. Im späten 19. und 20. Jahrhundert wurde diese Spannung zum Kennzeichnen eines Genres, das eine gesteigerte Affektivität des Handelns und Erlebens mit raschen Glückswechseln verbindet. Im 20. Jahrhundert wanderte das Genre schließlich in den Film ein, und das Kino wurde zum Ort seiner medialen Verschiebung und Neuprägung. Das Melodram traf mit dem Kino auf ein Dispositiv, das eine Psychodynamik entfesselte, mit der es insbesondere Frauen adressierte. Denn Affektivität, die Bewegtheit, in der die Glückswechsel sich mitteilen, sind (in der Zeit der Entstehung des Melodrams und der seiner Entwicklung(en)) weiblich codiert. Auch wenn das Melodram vor allem mit starren Genrekonventionen, visuellen und dramaturgischen Klischees verbunden ist oder verbunden zu sein scheint, hat das Genre aus den Medien, die es kombiniert und mit eigener Artifizialität exponiert, immer wieder neue Elemente des Ausdrucks gewonnen und die Regeln des Codes abgewandelt. Das Melodram ist durch die Spannung von Code und reiner Sinnlichkeit gekennzeichnet, die ein Ausgangspunkt unserer Diskussion sein soll. Diese Spannung wird durch die andere von Dramaturgie und des gesteigerten Ausdrucks, der Integration (etwa im Tableau) und der reinen Artifizialität gekreuzt. Das Melodram taugt dadurch als Genre, das soziale und geschlechtliche Widersprüche gleichermaßen ausstellt und hegt. Zugleich scheint das Melodram eine lose Form ausgebildet zu haben, in der die Ausbildung eines Genres und die Reflexion des Werdens eines Genres ineinander übergehen.

Details zum Programm unter: www.mediale-historiographien.de

Nähere Informationen / Kontakt:

Isabel Kranz

Navigation

Werkzeugkiste

Nutzermenü und Sprachwahl