Dem Winter entfliehn

Bericht vom 1. Internationalen Öger-Marathon in Antalya


Kein Frühstück für Marathonis
Hotel-Foyer
Am Anfang stand die Idee eines Trainingslagers im Frühjahr „irgendwo wo es schon etwas wärmer ist“. Irgendwann fiel uns in der Erfurter Laufhalle die Ausschreibung für den 1. Internationalen Öger-Marathon in die Hände. Schon für 350 Euro ab Erfurt buchbar, die Startgebühren moderat und ein ganz schneller flacher Kurs, wurde versprochen. Ideal für eine neue Bestzeit, könnte man meinen. Na Mitte März doch eher unwahrscheinlich, aber man könnte es ja versuchen und so reifte der Plan für den ersten Marathonstart des Jahres in südlichen Gefilden.
Unser Hotel
Unser Hotel
Vier Erfurter USV-Läufer machen sich auf unterschiedlichen Wegen auf die Reise an die türkische Riviera. Frank Becker und Thomas Schlimbach hatten sich entschieden, das Nützliche mit dem Angenehmen, sprich 10 Tagen Urlaub zu verbinden und fliegen bereits Freitag bequem ab Erfurt. Wer wie ich nur 2 Tage Urlaub opfern wollte, hatte es umständlicher und so startet die „Nachhut“ – bestehend aus Peter Flock, dem USV-Vorsitzenden Jens Panse und unserem Mihlaer Lauffreund Raimond Scheler – am Samstag in der Frühe nach Hannover und von dort mit Zwischenlandung in Düsseldorf erreichen wir nach mehr als 10 Stunden auch Antalya.
Kein Frühstück für Marathonis
"Nudelparty"
Hier erwartet uns zwar ein bewölkter Himmel, aber immerhin rund 15 Grad Lufttemperatur. Angekommen im Hotel werden als erstes die Laufsachen ausgepackt und ein kleiner Lockerungslauf rund um das Hotelgelände gemacht, dass direkt an der Marathonlaufstrecke liegt. Immerhin eine blaue Linie haben die Veranstalter schon mal auf die Betonpiste gezaubert und wer auf schnelle Beine vertraut, kann auch mal kurzzeitig Probe auf ihr Laufen, ehe das nächste türkische Lieferauto heranrast. Danach machen wir uns auf den Weg zur Pastaparty.
Unser Hotel liegt leider genau auf der falschen Seite vom Kongresszentrum, der Taxifahrer versteht uns nicht und setzt uns am Basar ab.
Unser Hotel
Nudelparty mit Folklore
Wir fragen uns durch, quetschen uns dann in einen völlig überfüllten Bus. Als wir die Glaspyramide endlich gegen 19.30 Uhr erreichen, sind die jungen Leute im Org-Büro gerade am Einpacken. Es gelingt uns gerade noch unsere Startunterlagen zu ergattern. Von der Pastaparty sind nur noch kalte Spaghettireste übrig, dazu gibt es Ketchup und Mayo aus Flaschen. Immerhin hat der Veranstalter für Kultur auf der Bühne gesorgt. Volkskunstensembles spielen tapfer bis zum für 20.00 Uhr angekündigten Ende der Party. Es kann nur besser werden, ist unsere einhellige Meinung von dieser Veranstaltung. Wir zwängen uns zu fünft in ein normales Personentaxi und rasen zurück zum Hotel, wo wir noch die Annehmlichkeiten von All Inclusive genießen und reichlich heiße Pasta bekommen.

Kein Frühstück für Marathonis
Kein Frühstück für Marathonis
Am nächsten Morgen ist um 6 Uhr Aufstehen angesagt. An der Rezeption bekommen wir ein Lunchpaket, das allerdings nicht für Marathonläufer geeignet ist. Ohne Bananen an den Start. Aber es soll noch schlimmer kommen. „Ich rufe ihnen ein Taxi, die stehen in 5 Minuten hier“, hatte der freundliche Mann am Empfang versprochen. Es ist aber Sonntag und auch der 24 Stunden-Service an der Ecke hat eine Pause eingelegt. Langsam steigt die Nervosität. Wir versuchen es per Anhalter. Einer hält, hat aber das ganze Auto voll Baumaterial. Ein freundlicher Mann an der Tankstelle hilft uns und hat offenbar den richtigen Draht zu einem Taxiunternehmen.
Ein Mann und ein Hund warten auf ein Taxi
Ein Mann und ein Hund warten auf ein Taxi
So erreichen wir noch pünktlich den Start am Platz der Republik vor dem Rathaus von Antalya. Die Sonne, der Provinzgouverneur und Firmenchef Öger strahlten uns entgegen. Dazu ein malerischer Blick auf die Bucht von Antalya und die schneebedeckten Berge des Taurus-Gebirges. Dem Winter entflohen, zum ersten Mal in diesem Jahr in kurzen Laufsachen, der Kontrast könnte nicht größer sein. Etwas umständlich gestaltet sich noch die Gepäckabgabe in einem Bus. Der Helfer notierte meine Startnummer und weist mir einen Platz zur Ablage Beutels in der 8. Reihe zu. Bei knapp 300 Startern geht das gerade noch. Statt einer elektronischen Registrierung gibt es am Start einen orangen Klebepunkt auf die Startnummer. Dann geht es los, pünktlich um 8 Uhr. Wir hatten uns noch gefragt, warum so früh, spätestens nach den ersten 5 Kilometern wissen wir es. Bereits jetzt brennt die Sonne ganz kräftig und wir können uns ausmahlen, wie das um die Mittagszeit sein wird.
Vor dem Start
Vor dem Start
Die ersten Kilometer müssen wir unsere Euphorie zügeln. Peter und Frank stapfen bereits in der Altstadt los. Ich versuche mit Raimond, mit dem ich schon in Athen gut harmonierend zur Bestzeit lief, einen Rhythmus zu finden. Die fehlenden Kilometerschilder erschweren das. Der Kurs ist leicht wellig und führt jetzt zwischen Hochhäusern immer an der Steilküste entlang. Ein leichter Wind ist angenehm. An der Strecke haben sich kaum Zuschauer eingefunden, dafür hat der Veranstalter reichlich Kontrollposten und Polizei aufgefahren. Der einzige Betreuer der ersten Wasserstelle ist dafür völlig überfordert und kommt kaum mit Eingießen nach. Die Verpflegung bleibt während des ganzen Laufes ein Manko. Es gibt zwar jetzt Bananen, aber außer Wasser kaum mal Abwechslung. Angeblich liegen Riegel, Isogetränke und Gel noch beim Zoll.
Im Ziel
Im Ziel
Nach 10 Kilometer kommen wir an die Stelle, wo ein Wasserfall neben uns ins Meer stürzt. Hätten wir uns für den Halbmarathon entschieden käme jetzt gleich die Wendemarke, stattdessen kommt nun der eintönige Teil der Strecke. Die breite Straße führt nahezu gerade und schier endlos an Hotelbaustellen und Brachland vorbei. Inzwischen ist es recht einsam um uns geworden und der Wind hat Fahrt aufgenommen. Wir saugen uns an eine Gruppe um eine Läuferin heran. So bekomme ich wenigsten auch mal etwas Beifall an der Strecke flachst einer ihrer Begleiter. Nach etwa (geschätzten) 19 Kilometern kommt uns die Spitzengruppe entgegen: sieben schwarze Läufer in Formation.
Siegerehrung ohne Sieger
Siegerehrung ohne Sieger
Von einem Radfahrer (Peter Greif) erfahren wir, dass unsere flotte Frau an vierter Stelle liegt, die Zweitplazierte aber schon „sauer aussieht“ und die Dritte auch noch einbrechen könnte. Im Ziel ist Susanne Zettl mit 3:12:19 dann tatsächlich Zweite. Leider können wir ihr nur bis zur Wendemarke folgen, wo es einen grünen Punkt auf die Startnummer gibt. Raimonds Punkt macht sich schon kurze Zeit später selbständig und landet in einer der pompösen Hotelanlagen die „Concorde“ oder „Titanic“ heißen und auch tatsächlich so gebaut sind. Immerhin ist unsere Halbmarathonzeit mit geschätzten 1:35 ganz ordentlich. Dann kommt ein besonders kniffliger Punkt. Nach 27 Kilometern laufen wir an unserem Hotel „Lares Park“ vorbei. Jetzt an die Hotelbar einlaufen und ein kühles „Efes“ ordern. Stattdessen quälen wir uns weiter. Für kurzzeitige Motivation sorgt noch mal eine türkische Großfamilie mit Trommeln und anderen Lärmgeräten. Obwohl es mir nicht mehr wirklich gut geht, klatsche ich alle vier Jungs ab.
Füße kühlen am Strand
Füße kühlen am Strand
Am Anstieg bei Kilometer 31 ist dann Schluss. Die Kraft fehlt. Die nächsten Kilometer schleppe ich mich mit permanenten Gehpausen und Krämpfen dem Ziel entgegen. Die Halbmarathonläufer bevölkern jetzt die Strecke, die Sonne hat die Luft auf 20 Grad erwärmt. Endlich kommt das 40 Kilometer-Schild und das Atatürk-Stadion rückt in Sichtweite. Der Empfang ist lautstark, eine lokale Kultband verzückt die Teenager auf den Rängen aber mehr als die ankommenden Läufer. Meine Uhr zeigt eine Zeit knapp unter 3:47. Damit werde ich auf Platz 120 in der Ergebnisliste geführt, 20. beim ersten Start in der AK 40.
Bad im Meer
Bad im Meer
Das erfahre ich aber erst zuhause aus dem Internet, denn im Zielbereich bricht das Computersystem erstmal zusammen. Peter Flock ist an dem Tag als 32. in neuer Bestzeit (es geht doch) von 3:01:35 unser Schnellster, schafft aber sein Ziel unter 3 Stunden zu bleiben nicht ganz. Frank Becker wird in 3:13:33 Gesamt 58. und 9. in der AK 40. Raimond Scheler erreicht als 88. mit einer Zeit von 3:34:26 das Stadion und Thomas Schlimbach bleibt in 3:57:54 (153. Platz) noch unter der 4-Stundenmarke. Das Mannschaftsergebnis ist also ganz passabel, nicht ganz so gut wie das der kenianischen „C-Auswahl“. Morrice Mukuthi gewinnt in 2:21:12 vor zwei Landsleuten. Bester Deutscher ist Thomas Kunze vom Dhfk Leipzig in 2:51:48 als 19. In der relativ schwach besetzten Frauenklasse siegt die Ukrainerin Rima Dubovik in 2:54:38. Alle Zeiten wegen des abenteurlichen Messverfahrens aber ohne Gewähr.

Fazit:
die Türkei gehört noch nicht zu EU, deshalb darf man vielleicht auch beim Marathondebüt keine zuhause üblichen Standards erwarten. Der Reiseveranstalter Öger war sehr bemüht (erließ mir als Journalisten sogar die Startgebühr), es fehlte allerdings offenkundig an Lauf-Know-How, sonst wären manche Pannen zu vermeiden gewesen. Der Marathon hat allerdings Potential. Der Kurs ist tatsächlich für Bestzeiten geeignet (siehe Peter Flock) und außerdem ein preisgünstige Alternative, dem Winter zu entfliehen, wenn sich in Deutschland der Trend zum langen Winter hält. Allerdings sollte man dann wohl doch lieber das komplette Marathon-Paket bei Öger buchen, statt wie wir zu versuchen, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Unter www.oeger-marathon.com finden sich Fotos und ein ausführlicher Bericht von Klaus Duwe, der allerdings offenkundig eine andere Veranstaltung besucht hat, oder einen Sponsor hat, der mit Ö anfängt…

Jens Panse



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