"Bei 27 Grad über die Schinkenstraße – Der Spaßfaktor hielt sich in Grenzen"

Ein Bericht von Jens Panse vom 5.TUI Palma de Mallorca-Marathon



Im Herbst steht traditionell noch ein Marathon auf meinem persönlichen Wettkampfprogramm. Warum eigentlich nicht mal die unsichere Herbstwetterlage in München oder Frankfurt gegen das warme Mittelmeerklima tauschen und das Ganze mit etwas Familienurlaub in den Herbstferien verbinden. Das Konzept könnte aufgehen, dachte sich vor fünf Jahren ein großer deutscher Reiseveranstalter und rief den Palma de Mallorca-Marathon ins Leben. „Der schönste Inselmarathon“ (so die Eigenwerbung) zieht seither immer mehr Marathontouristen aus aller Welt an. In diesem Jahr wurden mehr als 5000 Teilnehmer vermeldet, wobei auf den Marathon lediglich 1223 Starter entfielen, von denen auch nur 821 das Ziel erreichten. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer dürften aus Deutschland angereist sein, weshalb deutsch wohl auch die „inoffizielle“ Veranstaltungssprache ist.
Das Streckenprofil weist nur wenige Höhenmeter durch die schöne Altstadt auf, weswegen ich mit der Illusion angereist war, vielleicht meine New-Yorker-Bestzeit erreichen oder gar noch toppen zu können. Immerhin hat die mir einen Startplatz im Block A beschert, den ich aber nur mit Mühe pünktlich erreichen kann, denn die üblichen Toilettenschlangen und die eher unüblichen Schlangen an der Kleiderbeutelabgabe (der südländischen Mentalität geschuldet) lassen den Zeitkorridor bis 9 Uhr eng werden.

Beim Start ist es noch etwas bewölkt und eine angenehme leichte Brise hilft, die ersten 10 Kilometer über die breite Hafenstraße in flotten 44 Minuten zurückzulegen. Da geht doch vielleicht heute was? Erstmal geht es in die engen Straßen der Altstadt. „Pass auf die Gullideckel in Palma auf“, hat mir mein Freund Joachim Franz geraten, der sich dort im vergangenen Jahr seine Bänder ramponiert hatte. Ich komme unbeschadet durch, stelle aber schon jetzt fest, dass die zunehmende Lufttemperatur verbunden mit dem doch überraschend vielem auf und ab meine Schritte schwerer werden lassen. Zuschauerfreundlich, wenn auch etwas verwirrend, ist der Zick-Zack-Kurs in diesem Streckenabschnitt, so dass es meiner Familie mehrfach gelingt, motivierend an die Strecke vorzustoßen. Am Ausgang der City überholen mich immer mehr Halbmarathonläufer unter ihnen auch ein Typ mit der Aufschrift „Micky Krause“ auf dem Laufshirt. Später erfahre ich aus dem Inselradio: es war Micky Krause – ein Pseudoschlagersänger, bekannt durch so sinnfreie Ballermann-Hits wie „Geh doch nach hause, du alte Scheiße“ oder „ 10 nackte Friseusen“. Immerhin schafft er den Halbmarathon in 1:38. Der selbsternannte König von Mallorca Jürgen Drews brauchte fast 1 Stunde mehr und läuft nach 2:32 Stunden zusammen mit „Weichei“ (weil auch nur Halbmarathon) Achim Achilles ins Ziel. Das grenzt schon fast an walken was der Laufratgeber und „Nordic-Walker-Hasser“ auf Palma abliefert, aber die Malle-erfahrene Prominenz ahnt wohl, was den Marathonis an diesem Tag droht.

Meine Halbmarathon-Durchgangszeit von 1:41 lässt mich wiederum nichts Gutes ahnen und so geht es auf das schwierigste dritte Teilstück. Jeglicher Bestzeitmotivation beraubt, schleppe ich mich die nächsten 10 Kilometer über die nur halbseitig für den Verkehr gesperrte Hauptstraße nach s´ Arenal. Kurz vor Kilometer 30 beschließe ich nicht etwa, wie einige andere in den Bus zu steigen, sondern in einem der zum Glück recht zahlreich an der Strecke liegenden Lokale eine Toilettenpause einzulegen und meinen grummelnden Magen zu erleichtern. Danach geht es besser, was möglicherweise auch an den wieder vereinzelt interessierten Zuschauern liegt. Freundlich grüßen ältere Touristen beim Frühschoppenbier die Läufer von der Terrasse des „Deutschen Eck’s“ An der Wendemarke kurz vor dem Ballermann 6 hat sich eine ganze Gruppe versammelt, wenngleich die typische Ballermannkundschaft wohl noch schläft oder desinteressiert am Strand aus ihren Sangria-Eimern schlürft. Mit dem Ende der Schinkenstraße nimmt das Zuschauerinteresse wieder ab. Die Einheimischen gehen offenbar ohnehin lieber ihren üblichen Sonntagsbeschäftigungen nach. Ab und an sind Folkore-Ensembles zur Läufermotivation engagiert, die bei 27 Grad in der Sonne ihr Bestes geben. Ich quäle mich durch die Radfahrer, die den eigentlich heute für die Läufer abgesperrten Radweg für sich beanspruchen. Gefährlich, denn einige Marathonis taumeln bedenklich dem Ziel entgegen. Manch einer muss an diesem Tage von den Sanitätern eingesammelt werden und die medizinische Abteilung im Zielbereich hate kaum noch eine Trage frei.

Ich stapfe tapfer, wenn auch mit brennenden Füßen (in meinen Mythos-Diadora-Racern trug das vom ständigen Duschen angesammelte Wasser noch zur Blasenbildung bei) und fernab von meiner Bestzeit auf das Ziel an der Kathedrale von Palma zu. Meine Familie wartet am Eingang zur Zielgasse und ich hebe meine Tochter über die Absperrung. Soviel Zeit ist heute auch noch. Gemeinsam laufen wir die letzten 200 Meter über den roten Teppich auf der Pontonbrücke, die den künstlichen See am Parc del Mare überspannt. Das bringt mir noch die namentliche Erwähnung durch den Zielsprecher und einen Extra-Jubel einer Erfurter Nachwuchsläufergruppe. Auch die haben sich clever – man ahnt es schon – für den Halbmarathon entschieden, schließlich ist man ja auch im Urlaub und zum Partyfeiern hier. Abends lädt Onkel Jürgen dann noch zur Party in den Megapark ein. Da liege ich müde, aber froh, dass ich die Marathontortur nach 3:50:53 als immerhin 228. überstanden habe.


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