Tagungskonzept
Wissenschaftliche Zielsetzung
Die Frage nach den Kosten von kriegerischen Auseinandersetzungen und deren
Finanzierung ist von ungebrochener Aktualität. Moderne Staaten verfügen über
einen regulären Verteidigungsetat, der den Unterhalt ihrer stehenden Armeen
ermöglicht.
Kommt es zum Krieg, werden die Mehrkosten heutzutage in der Regel durch eine
verstärkte Schuldenaufnahme finanziert. Darüber hinaus gehört es zur
Selbstverständlichkeit, die wirtschaftlichen Gesamtkosten eines Krieges (im
voraus!) zu kalkulieren und damit planbar bzw. budgetierbar zu machen. Die
Kriege der jüngsten Vergangenheit, namentlich die zwei Irakkriege, haben
wieder ins Bewußtsein gerufen, welche handfesten ökonomischen Fragen dabei
berührt sind: Will sich der Angreifer Ressourcen sichern („Kampf um das Öl“)?
Wie hoch sind die direkten Kriegskosten der beteiligten Parteien? Wer bezahlt
sie und wie? Was kostet der Wiederaufbau des Landes? Wer verdient am Krieg?
Die Geschichtswissenschaft hat sich der Erforschung dieser Materie in sehr
unterschiedlicher Intensität angenommen. Eine grundlegende, die Antike
bezeichnenderweise nicht berücksichtigende finanzwissenschaftliche Arbeit zum
Thema Kriegsfinanzierung stammt von Max Lanter, verschiedene Einzelstudien
liegen vor für die frühe Neuzeit und für die Neueste Geschichte.
Eine systematische Beschreibung und Analyse der finanziellen Aspekte von Krieg
und Militärwesen in der Antike ist aufgrund der disparaten
Überlieferungssituation hingegen ein Desiderat der Forschung. Dieser Umstand
ist um so mißlicher, als im antiken Wirtschaftsleben Militärwesen und
Kriegführung eine überragende Rolle spielten: Zum einen, weil der Krieg im
Altertum stets gegenwärtig war und zum anderen, weil die Verteidigungsausgaben
in der Regel den weitaus größten Teil des Staatshaushalts verschlangen.
Dennoch sind wir über die konkrete Höhe von Kriegskosten in der Antike nur
sehr unzureichend unterrichtet. Neben Nachrichten über den Tagessold von
Soldaten oder über die Kosten von einzelnen Waffen sind nur selten auch
Gesamtkosten wie z. B. die Ausgaben für eine mehrmonatige Belagerung
überliefert. Um hier eine solide Datengrundlage zu schaffen, werden im
DFG-Projekt „Antike Kriegskosten“ derzeit erstmals alle einschlägigen
inschriftlichen und literarischen Zeugnisse für den Zeitraum von 480 bis 27 v.
Chr. zusammengetragen und kritisch bewertet. Anhand der bruchstückhaften
Einzelüberlieferung soll versucht werden, Erkenntnisse über möglichst viele
Aggregationsstufen (also auf den Ebenen Soldat, Truppenteil, Armee, Krieg) zu
gewinnen. Auf der Seite der Kriegsfinanzierung ist die Frage nach Herkunft und
Größe der Finanzmittel zu stellen.
Die vielen damit verbunden inhaltlichen und methodischen Fragestellungen sowie
die in andere Fachgebiete reichenden Implikationen (z. B. für die Numismatik
oder Klassische Archäologie) gaben den Anstoß für die geplante Tagung.
Schwerpunktmäßig wird sie sich mit der Antike befassen, aber ganz bewußt auch
Beiträge aus anderen Epochen und Disziplinen aufnehmen, um die Materie
multiperspektivisch in den Blick zu nehmen und das epochenübergreifende
Bewußtsein für Kontinuitäten oder Diskontinuitäten zu schärfen. Das
Tagungsthema ist insofern schon interdisziplinär, als es an der Schnittsstelle
zwischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte einerseits und Militärgeschichte
andererseits angesiedelt ist, was sich auch in der bisherigen
altertumswissenschaftlichen Forschung widerspiegelt: Die einschlägigen
Standardwerke der Wirtschafts- und Sozialgeschichte befassen sich mit Krieg
und Militärwesen, die militärwissenschaftlichen Standardwerke mit ökonomischen
und sozialen Fragen. Gleiches gilt auch für die Einzelstudien, die z. B. dem
Söldnerwesen , Truppengattungen , Teilstreitkräften oder einzelnen Epochen
gewidmet sind. Darüber hinaus gibt es Spezialstudien, die thematisch in das
Zentrum der Tagung gehören, z. B. über Kriegsfinanzierung ,
Flottenfinanzierung , Sold , Verpflegung und Beute . Kennzeichen der genannten
Literatur ist ihre thematische Begrenzung, sei es zeitlich (klassisches
Griechenland, Hellenismus, Kaiserzeit) oder räumlich (Athen, Rom).
Demgegenüber will die Tagung einen zeitlichen Bogen von der Antike zur Neuzeit
spannen und damit die Möglichkeit eröffnen, die antiken und neuzeitlichen
Befunde vergleichend zu erörtern.
Leitfragen der Tagung
Die Leitfragen der Tagung lauten im einzelnen:
- In welchen Fällen lassen sich konkrete Kriegskosten ermitteln und wie ist die Datenbasis dafür beschaffen?
- In welchen Fällen läßt sich das Verhältnis von Kriegskosten/Verteidigungsausgaben zum Staatshaushalt ermitteln?
- In welchem Größenverhältnis standen die Kostenarten zueinander?
- Welche Finanzierungsarten wurden in der jeweiligen Epoche bevorzugt? Welche waren zeittypisch und welche kann man als Konstanten betrachten?
- In welchem Größenverhältnis standen die Finanzierungsarten zueinander?
- Wie ausgereift war die militärische Finanzplanung in der jeweiligen Epoche?
- Ab wann ist es möglich, die gesamtwirtschaftlichen Folgen von kriegerischen Auseinandersetzungen konkret zu bestimmen?
- Welche sozialen Gruppen trugen die finanzielle Last des Krieges und welche haben im Erfolgsfall von ihm profitiert?
- Welchen Einfluß hatte die Möglichkeit der Mittelbeschaffung auf die Aufnahme bzw. Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen?
Die letzte Fragestellung verdeutlicht, daß das Tagungsthema über seine wirtschafts-, und militärgeschichtliche Dimension auch in die Kriegsursachenforschung hineinreicht: Unterließ man einen Krieg, wenn Wirtschaftlichkeitsberechnungen ergaben, daß er sich finanziell nicht lohnt? Wurden Kriege aus dem schlichten Grund begonnen, weil genügend Ressourcen vorhanden waren, sie zu führen?
Tagungssektionen
Die Tagung ist in vier Sektionen gegliedert: Kosten einzelner Kriege (I), einzelne Kostenarten (II), Kriegsfinanzierung in verschiedenen Epochen (III), einzelne Finanzierungsarten (IV).
Sektion I. Kosten einzelner Kriege
Welche Probleme es bereitet, die Kosten antiker Kriege zu ermitteln, ist oben angedeutet worden. Als Untersuchungsgegenstand bieten sich Epochen an, für die ausführliche antike Schriftquellen über Kriegsereignisse und –hintergründe vorliegen (Thukydides, Xenophon, Polybios, Caesar, Diodor, Livius), da es sonst nicht möglich ist, aus der meist bruchstückhaften Einzelüberlieferung von Finanzdaten Rückschlüsse auf Gesamtkosten zu ziehen. Grenzen und Möglichkeiten sollen anhand des hinsichtlich Qualität und Quantität besonders gut dokumentierten Peloponnesischen Krieges aus verschiedenen Perspektiven diskutiert werden (Vorträge K. Meister und J. Malitz).
Sektion II. Einzelne Kostenarten
Besonders kostenintensiv war in der Antike die Seekriegführung.
Hier soll zunächst überblickartig vorgestellt werden, welche Methoden im
Altertum gewählt wurden, um die Kosten der Seekriegführung zu bestreiten
(archaisches Griechenland, Perser, klassisches Griechenland, hellenistische
Königreiche, Karthager, römische Republik und römische Kaiserzeit: Vortrag P.
de Souza). Ein zweiter Beitrag wird untersuchen, welche Auswirkungen die hohen
Seekriegskosten auf das Steuersystem und die politische Organisation im
klassischen Griechenland hatten (Vortrag V. Gabrielsen). Sold und
Verpflegungskosten stellten in den meisten kriegerischen Auseinandersetzungen
die größten Ausgabeposten dar. Während diese Materie für das klassische Athen
relativ gut erforscht ist , mangelt es noch an einer Gesamtschau für die
übrigen klassischen Städte und die Zeit des Hellenismus (Vortrag F. Burrer).
Der Austausch von Gesandtschafts- und Freundschaftsgeschenken gehört zum
gängigen Instrumentarium antiker Diplomatie. In Kriegszeiten kann man sie im
weiteren Sinne zu den Kriegskosten rechnen, wobei zu fragen ist, ob dieser
Umstand Auswirkungen auf ihre Größe hatte (Vortrag Müller).
Sobald in der inschriftlichen und epigraphischen Überlieferung von konkreten Kriegskosten
die Rede ist, enthalten die Quellen numismatische Angaben
(Nominalbezeichnungen, Währungen bzw. Münzfüße, Wertverhältnisse von Gold zu
Silber etc.). Ansatzpunkte für die weitere Forschung ergeben sich zunächst aus
der Identifikation der in der jeweiligen Quelle genannten Münzen mit
tatsächlichen Prägungen, womit ein Hinweis auf deren Prägeursache gewonnen
wäre. Mögliche Kriterien, diese zu identifizieren, liefern Nominalien-
und/oder Materialwechsel, Münzfußwechsel oder ein typologischer Wechsel. Diese
methodischen Fragestellungen sollen diskutiert und anhand prominenter
Beispiele von der Antike bis zur Neuzeit illustriert werden (Vortrag Szaivert).
Sektion III. Kriegsfinanzierung in verschiedenen Epochen
Die griechischen
Stadtstaaten waren in ihrer gesamten Geschichte chronisch unterfinanziert, was
dem Aktionsrahmen ihrer Kriegführung deutliche Grenzen setzte. Das zweite Buch
des dem Aristoteles zugeschriebenen Traktats „Oikonomika“ reflektiert diese
Tatsache ganz eindrücklich. Unter den vielen Finanzmanipulationen, derer sich
Fürsten und Feldherren bedient haben sollen, um ihre Geldknappheit zu
überwinden, befinden sich eine große Anzahl, die in den Kontext der
Kriegsfinanzierung gehören. Datierung und Wahrheitsgehalt einzelner Episoden
sind allerdings umstritten (Vortrag Brodersen). In klassischer Zeit ist zu
beobachten, wie es aufgrund der wachsenden Zentralisierung der finanziellen
Ressourcen möglich wurde, eine größere Anzahl von Truppen für längere Perioden
auszuheben und mit ihnen zu Wasser und zu Lande viel intensiver und
ausdauernder Krieg zu führen, als dies vorher jemals möglich war. Insofern
sind die Möglichkeiten der Kriegsfinanzierung für die Transformation der
Kriegführung in klassischer Zeit verantwortlich (Vortrag van Wees). Nach dem
Entstehen der hellenistischen Flächenstaaten sahen sich die freien Städte
einem völlig veränderten politischen und militärischen Umfeld gegenüber. Ihr
Handlungsspielraum war durch die Monarchien stark eingeschränkt und die
Entwicklung der Poliorketik machte verstärkte Anstrengungen in den Ausbau der
Verteidigungsanlagen erforderlich. Wie die erforderlichen Mittel aufgebracht
wurden (Eisphorai, Epidoseis, Anleihen, Schenkungen von Herrschern bzw.
Privatpersonen) ist Gegenstand des Vortrags von L. Migeotte. A. Chaniotis
betrachtet die Kriegsfinanzierung in hellenistischen Städten unter
sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten und geht der Fragestellung nach, wie die
Zuwendungen reicher Bürger (etwa im Rahmen von Epidoseis) die politische Rolle
ihrer Familien beeinflußten. Auf Basis ausgewählter Bespiele soll der soziale
Hintergrunds der Spender ermittelt und deren künftige politische Karriere
sowie der ihrer Familien untersucht werden.
Ein zeitlicher Sprung von der
Finanzierung der Balkankriege des 1. Jahrhunderts v. Chr. am Beispiel von Thasos (Vortrag O. Picard) in das späte Mittelalter (Vortrag U. Tresp über die
Planung und Rechnungslegung der Kriegführung deutscher Fürsten im 15. Jh.) und
die frühe Neuzeit (Vortrag N. Klüßendorf über die „kleinen“ Methoden der
Kriegsfinanzierung) wird es ermöglichen, die vielfältigen
Finanzierungsmöglichkeiten epochenübergreifend miteinander zu vergleichen.
Sektion IV. Einzelne Finanzierungsarten
Aus der Gruppe der Finanzierungsarten sollen drei Themenkreise vertiefter behandelt werden: Kriegsentschädigungen/Reparationen, Beute und Anleihen. Zahlreiche Staatsverträge des Altertums enthalten Vorschriften über Ausgleichs- und Strafzahlungen, die ein Sieger nach einem Krieg dem Verlierer vertraglich auferlegte. Auch wenn diese Strafzahlungen nicht in einem ausschließlichen Zusammenhang mit den unmittelbaren Kosten des Krieges standen, so stehen sie in einem indirekten Zusammenhang mit den wahrgenommenen Kosten (beeinflußt durch eine jeweils unterschiedlich große punitive Komponente). Die Reparationskosten sollen mit tatsächlich belegten direkten Kosten einzelner Operationen (z. B. die Sizilische Expedition) verglichen werden (Vorträge B. Meißner zu Griechenland und P. Kehne zu Rom). Beute ist eine uralte und bis in die Neuzeit angewandte Methode der Kriegsfinanzierung. Für die römische Republik ist eine große Anzahl von konkreten Zahlen überliefert , die kritisch hinterfragt werden müssen. R. Wolters untersucht für das 2. Jh. v. Chr. die Quellen und ihre Glaubwürdigkeit, das Verhältnis zwischen Symbolischem und Faktischem, vergleicht die Beutezahlen mit anderen Staatsausgaben und – einnahmen und stellt ein Verhältnis zum Rhythmus der Münzprägung her. Einen epochenübergreifenden Vergleich wird der Vortrag von M. Jucker ermöglichen, der die Bedeutung der Beute für die Kriegsfinanzierung des Spätmittelalters untersuchen wird. Kriegsanleihen, die in der neuzeitlichen Kriegsfinanzierung eine bedeutende Rolle spielten, sind für die Antike nicht nur inschriftlich und literarisch überliefert, sondern spiegeln sich auch in der Münzprägung. A. Furtwängler untersucht dieses Phänomen anhand der Emissionen ionischer Städte.
Die Referenten sind nahezu ausnahmslos mit maßgeblichen Forschungen zum Gegenstand hervorgetreten. Im Falle des Antragstellers Dr. Friedrich Burrer sollen wichtige Zwischenergebnisse des DFG-Projekts „Antike Kriegskosten“ vorgestellt werden. Um die zeitgenössische Relevanz des Themas zu unterstreichen und um einen breiteren Adressatenkreis zu erreichen, ist Dr. Arnd Hoepffner als Vertreter des Bundesministeriums der Verteidigung als Referent gewonnen worden.