nd-Formen – Gerundium und Gerundivum

Gerundium und Gerundivum: Formenbildung und Wortart
Gerundivum im Nominativ als Prädikatsnomen bei 'esse'
Dativus auctoris beim Gerundivum als Prädikatsnomen
Gerundivum im Akkusativ ohne Präposition als Prädikatsnomen im AcI
Gerundivum im Akkusativ ohne Präposition bei den Verben des Übergebens und Übernehmens sowie bei 'cûrâre'.
Das Gerundivum als adjektivisches Attribut
Das Gerundivum als verbales Attribut
Das Gerundivum als Attribut beim Genitiv
Das Gerundivum als Attribut beim Dativ
Das Gerundivum als Attribut beim Akkusativ mit Präposition
Das Gerundivum als Attribut beim Ablativ mit und ohne Präposition


Gerundium: Formenbildung, Wortart und Konstruktion

Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von nd-Formen unterscheiden, die traditionell als Gerundium und Gerundivum bezeichnet werden. Beide sind Nominalformen des Verbs und werden gebildet, indem an den Präsensstamm die Kennung (das Suffix) -nd- gehängt wird, also:

porta–nd mone–nd ag–e–nd
ag–u–nd
capi–e–nd
capi–u–nd
audi–e–nd
audi–u–nd

Das Gerundium ist ein Verbalsubstantiv und ersetzt die fehlenden Kausus des Infinitivs, der als Neutrum gilt (Vgl. den substantivierten Infinitiv 'das Laufen, des Laufens' usw.). Es wird dekliniert wie ein Substantiv der ô-Deklination des Neutrums und kommt vor im Genitiv, im Akkusativ nur mit Präposition und im Ablativ mit und ohne Präposition. Der Dativ ist selten und fehlt in Cäsars 'Bellum Gallicum' ganz. Daraus ergibt sich folgender Formenbestand:

Gen. currend-î des Laufens
Dat. currend-ô für das Laufen (Dat. fin.)
Akk. ad currend-um zum Laufen
Abl. in currend-ô
currendô
beim Laufen durch das Laufen

Tritt zum Gerundium ein Objekt, so steht dieses im gleichen Kasus wie bei der finiten Verbform:

Grafik zum Gerundium mit Objekt

Die Verwendung des Gerundiums im Satz

Das Gerundium im Genitiv

Im Genitiv findet sich das Gerundium

a) als Attribut bei Substantiven

Das Gerundivum: Formenbildung, Wortart und Konstruktion

Das Gerundivum ist ein Verbaladjektiv mit passiver Bedeutung und hat wie das PPP die Endungen der a/o-Deklination. Es kommt in allen Kasus vor, ist aber wie das Gerundium im Dativ selten:

Kasus Singular Plural
m f n m f n
Nom. faciend-us faciend-a faciend-um faciend faciend-ae faciend-a
Gen. faciend faciend-ae faciend faciend-ôrum faciend-ârum faciend-ôrum
Dat. faciend faciend-ae faciend faciend-îs faciend-îs faciend-îs
Akk. faciend-um faciend-am faciend-um faciend-ôs faciend-âs faciend-a
Abl. faciend faciend faciend faciend-îs faciend-îs faciend-îs

 

Das Gerundivum im Nominativ als Prädikatsnomen bei 'esse'

Als passives Verbaladjektiv kann das Gerundivum wie das PPP als Prädikatsnomen bei 'esse' stehen, und zwar bei transitiven Verben in persönlicher, bei intransitiven Verben in unpersönlicher Konstruktion.

Es drückt in dieser Funktion zumeist eine Notwendigkeit aus und wird daher in positiven Sätzen mit 'müssen' oder 'sollen', bei Verneinung zumeist mit 'nicht dürfen', seltener mit 'nicht müssen'.

pers.
Passiv
Sîgnum proeliî dandum erat. Das Signal zur Schlacht mußte gegeben werden.
Sîgnum proeliî dandum nôn erat. Das Signal zur Schlacht durfte nicht gegeben werden.
unpers.
Passiv
Inîquô locô pûgnandum erat. Es mußte an einer ungünstigen Stelle gekämpft werden.
Man mußte an einer ungünstigen Stelle kämpfen.
Inîquô locô pûgnandum non erat. Es durfte nicht an einer ungünstigen Stelle gekämpft werden.
Man durfte nicht an einer ungünstigen Stelle kämpfen.

Bisweilen bringt das Gerundivum auch eine Möglichkeit zum Ausdruck:

Ariovistus tantam arrogantiam sumpserat, ut ferendus nôn esset.
Ariovist hatte sich eine derartige Arroganz angemaßt, daß er nicht zu ertragen war / daß man ihn nicht mehr ertragen konnte.

Der Dativus auctoris als logisches Subjekt beim Gerundivum

Auf die Frage, von wem etwas getan werden muß oder nicht getan werden darf, antwortet beim Gerundivum der sogenannte Dativus auctoris (d. Urhebers). Ist er genannt, empfiehlt sich im Deutschen eine aktive Wiedergabe:

Caesarî sîgnum proeliî dandum erat. Cäsar mußte das Signal zur Schlacht geben.
statt: Von Cäsar mußte das Signal zur Schlacht gegeben werden.
Mîlitibus inîquô locô pûgnandum erat. Die Soldaten mußten an einer ungünstigen Stelle kämpfen.
statt: Von den Soldaten mußte an einer ungünstigen Stelle gekämpft werden.

Das Gerundivum im Akkusativ ohne Präposition als Prädikatsnomen im AcI

Das Gerundivum steht als Prädikatsnomen im AcI in persönlicher und unpersönlicher Konstruktion, wobei als Dativus auctoris häufig das reflexive Personalpronomen 'sibî' hinzutritt.

  1. Der AcI des Gerundivums findet sich bei allen Verben, die sonst mit einem AcI stehen (Übersetzung mit 'müssen' bzw. bei Verneinung'nicht dürfen'.

    Conclâmant omnês occasiônem âmittendam non esse. Alle riefen, man dürfe die Gelegenheit nicht verpassen.
    (daß die Gelegenheit nicht verpaßt werden dürfe)
    Tum Caesar sibî mâtûrandum exîstîmâvit.
    Da glaubte Cäsar, daß Eile geboten sei.
    (nicht: 'daß von ihm geeilt werden müsse')

  2. zusätzlich bei den Verben des Bedeutungsfeldes 'beschließen', die sonst auch mit einem 'ut'-Satz stehen, z.B. 'statuere' und 'cênsêre' (Übersetzung ohne 'müssen' und 'nicht dürfen').

    Caesar statuit Rhênum esse sibî trânseundum. Cäsar beschloß, den Rhein zu überqueren.
    (nicht: 'daß der Rhein von ihm überquert werden müsse')
    Crassus nôn mêdiôcrem dîligentiam sibî adhibendam cênsêbat.
    Crassus beschloß, äußerste Sorgfalt walten zu lassen.
    (nicht: 'daß von ihm äußerste Sorgfalt angewendet werden müsse')

 

Das Gerundivum im Akkusativ ohne Präposition als Prädikativum bei den Verben des Übergebens, Übernehmens und bei 'cûrâre'.

Bei den Verben des Übergebens (z.B. 'dare, dêdere, trâdere) und Übernehmens (z.B. sûmere sowie bei 'cûrâre' – 'lassen', 'dafür sorgen, daß') steht das Gerundivum als Prädikativum. Es bring zum Ausdruck, zu welchem Zweck eine Sache oder Person übergeben bzw. übernommen wird.

Bei den Verben des Übergebens empfiehlt sich in der Übersetzung entweder ein Ausdruck mit 'zur', 'zum' oder ein finaler Relativsatz mit 'sollen'

Caesar obsidês Haeduîs custôdiendôs trâdit. Cäsar übergab die Geiseln den Häduern zur Bewachung.
Quattuor legiônês in Sênônês Labiênô dûcendâs dêdit. Vier Legionen übergab er Labienus zur Überführung ins Gebiet der Senonen.
oder ... die er in das Gebiet der Senonen führen sollte.

Steht bei 'cûrâre' ein Gerundivum, läßt es sich zumeist mit 'lassen' übersetzen, seltener ist eine Übertragung durch 'dafür sorgen, daß'.

Caesar pontem faciendum cûrat. Cäsar ließ eine Brücke bauen.
Caesar equitês fînîtimârum cîvitâtum arcessendôs curat. Cäsar ließ die Reiter der benachbarten Stämme herbeiholen.
Q. Titûrium Sabînum in Venellôs, Coriosolitês Lexoviôsque mittit, quî eam manum distinendam cûrat. Zu den Venellern, Coriosoliten und Lexoviern schickte er Quintus Titurius Sabinus, der dafür sorgen sollte, daß diese Truppen (von den übrigen feindl. Truppen) ferngehalten würden.

 

Das Gerundivum als adjektivisches Attribut

Grundsätzlich kann das Gerundivum in jedem Kasus als Attribut zu einem Substantiv treten, wenn sein Verbaler Charakter in den Hintergrund tritt und es wie ein reines Adjektiv auf die Frage 'Was für ein?' die Eigenschaft des Beziehungswortes angibt:

virtûs laudanda eine lobenswerte Leistung
mônstrum horrendum ein furchtbares (zu fürchtendes) Monstrum

Dieser Gebrauch ist jedoch eher selten und fehlt in Cäsars 'Commentariî dê bellô Gallicô' ganz. Wesentlich häufiger ist der folgende Typ:

Das Gerundivum als verbales Attribut

Das Gerundivum ist ein passives Verbaladjektiv. Steht es als Attribut bei einem Genitiv, bei einem Dativ (selten), einem Akkusativ mit Präposition (!) oder einem Ablativ, überwiegt in aller Regel sein verbaler Gehalt, und es dominiert inhaltlich sein Beziehungswort. Vgl. dazu die folgende Wendung:

spês oppidî expûgnandî die Hoffnung auf die Eroberung der Stadt
oder
die Hoffnung, die Stadt zu erobern

Die Hoffnung richtet sich hier nicht allein auf die Stadt, sondern vor allem auf ihre Eroberung.

Gleichzeitig zeigt das Beispiel die beiden wichtigsten Übersetzungsmöglichkeiten für das Gerundivum als verbales Attribut:

Näheres dazu vgl. bei den folgenden, nach dem Kasus geordneten Beispielen:

Das Gerundivum als verbales Attribut im Genitiv

a) in Abhängigkeit von Substantiven

In den meisten Fällen läßt sich das Gerundivum hier nach einem der beiden nachfolgenden Schemata übersetzten:

a) Gerundivum als Infinitiv m. zu + Beziehungswort als Objekt
b) Präposition + Gerundivum als Verbalsubstantiv + Beziehungswort im Genitiv

Welche Präposition bei Variante b) zum Einsatz kommt, hängt davon ab, welches Wort die Gerundivkonstruktion regiert. Vgl. die folgenden Beispiele:

Beispiel Infinitiv m. zu präpositionaler Ausdruck
facultâs locî relinquendî die Möglichkeit, den Ort zu verlassen die Möglichkeit zum Verlassen des Ortes
difficultâs bellî gerendî die Schwierigkeit, den Krieg zu führen die Schwierigkeiten bei der Kriegsführung
sîgnum proeliî committendî das Signal, die Schlacht zu beginnen das Signal für den / zum Beginn der Schlacht
spatium cônsiliî habendî Zeit, Kriegsrat zu halten Zeit für einen Kriegsrat
cônsilium Tasgetiî interficiendî der Plan, Tasgetius zu ermorden der Plan zur Ermordung des Tasgetius'
spês oppidî potiundî die Hoffnung, die Stadt zu erobern die Hoffnung auf die Eroberung der Stadt

b) in Abhängigkeit von den Postpositionen 'causâ' und 'grâtiâ'

In Abhängigkeit von den Postpositionen 'causâ' und 'grâtiâ' wird die gesamte Gerundivkonstruktion zu einer adverbiellen Bestimmung des Zwecks. Als Übersetzungsschema empfiehlt sich:

Gerundivum als Infinitiv m. 'um ... zu' + Beziehungswort als Objekt

Beispiele:

pâcis petendae causa um um Frieden zu bitten
Cenabî tuendî causâ um Cenabum zu schützen
suî lîberandî causâ um sich (direkt reflexiv) zu befreien
Ariovistus suspicâtur Caesarem exercitum in Galliâ habêre suî opprimendî causâ. Ariovist hatte den Verdacht, Cäsar habe ein Heer in Gallien um ihn (indirekt reflexiv) zu unterdrücken.

c) in Abhängigkeit von Adjektiven

bellî gerendî cupidus begierig, Krieg zu führen
kriegslüstern

Das Gerundivum als verbales Attribut im Dativ

Das Gerundivum im Dativ ist bei weitem am seltensten.

omnibus hibernîs oppûgnandîs diem dicere einen Termin für die Stürmung aller Winterlager festsetzen

Das Gerundivum als verbales Attribut im Akkusativ mit Präposition

Im Akkusativ findet sich das Gerundivum als verbales Attribut zumeist mit der Präposition 'ad'.

a) in Abhängigkeit von Verben

Tritt das Gerundivum mit 'ad' zu einem Verb, so erfüllt der gesamte Ausdruck die Funktion einer adverbiellen Bestimmung des Zwecks. Häufig ist eines der beiden Übersetzungsschemata möglich:

1.) Gerundivum als Infinitiv m. 'um ... zu' + Beziehungswort als Objekt
2.) Gerundivum als Verbalsubstantiv m. 'zum / zur' + Beziehungswort im Genitiv

Beispiele:

ad conventûs agendôs proficîscî aufbrechen, um die Gerichtstage abzuhalten
ad occupandum Vesontiônem contendere nach Besançon eilen, um es zu besetzen
omnês ad dêripiendôs Eburônês êvocâre alle zur Plünderung der Eburonen aufrufen
Multum ad nostrôs territandôs valet clâmor. Der Lärm trug viel dazu bei, unsere Leute zu erschrecken.
Der Lärm trug viel zum Schrecken unserer Leute bei.
Sic et ad subeundum perîculum et ad vîtandum fortûna valuit. Und so trug das Schicksal viel dazu bei, daß er* in Gefahr geriet, aber auch dazu, daß er ihr entkam.
* Die Rede ist vom Eburonenfürsten Ambiorix, der per Zufall von Cäsars Häschern aufgestöbert wird und seiner Gefangennahme nur mit knapper Not entgeht.

b) in Abhängigkeit von Adjektiven sowie 'satis'

locus ad aciem înstruendam opportûnus et idôneus eine für das Aufstellen der Schlachtreihe äußerst günstige Stelle
tempus aliênum ad lacessendum hostem et proelium committendum ein ungünstiger Zeitpunkt, um den Feind herauszufordern und eine Schlacht zu beginnen
tempestâs nôn inûtilis ad capiendum cônsilium ein gar nicht so ungünstiges Unwetter, um einen Entschluß zu fassen
ad bella suscipienda alacer et promptus nur allzu bereit, einen Krieg zu beginnen
minimê resistêns ad calamitâtês ferendâs keineswegs in der Lage, Verluste zu ertragen

Das Gerundivum als verbales Attribut im Ablativ

Im Ablativ findet sich das Gerundivum sowohl mit als auch ohne Präposition.

a) in Verbindung mit 'in'

Im Ablativ mit der Präposition 'in' steht das Gerundivum als adverbielle Bestimmung der Zeit. Meist gilt folgendes Übersetzungsschema:

Gerundivum als Verbalsubstantiv mit 'bei' + Beziehungswort im Genitiv

Beispiele:

in commemorandâ cîvitâtis calamitâte beim Aufzählen der Verluste des Stammes
in hîs rêbus administrandîs beim Verrichten dieser Dinge, bei dieser Tätigkeit, hierbei
in castrîs capiendîs bei der Einnahme des Lagers

b) mit 'dê'

Im Ablativ mit der Präposition 'dê' steht das Gerundivum als präpositionales Attribut bei dem Substantiv 'spês' – 'Hoffnung, Chance'. Übersetzungschema:

Gerundivum als Infinitiv m. 'zu' + Beziehungswort als Objekt

Beispiele:

Hostês et dê expûgnandô oppidô et dê flûmine trânseundô spem sê fefellisse intellexêrunt Die Feinde merkten, daß sie keine Chance mehr hatten, die Stadt zu erobern oder den Fluß zu überqueren.
Simul in spem veniêbant de reliquîs adiungendîs cîvitâtibus. Zugleich schöpften sie Hoffnung, auch die übrigen Stämme als Bündnispartner zu gewinnen.

c) im Ablativ ohne Präposition

Im Ablativ ohne Präposition steht das Gerundivum als adverbielle Bestimmung der Art und Weise. Zwei Arten der Übersetzung kommen in Frage:

Gerundivum als Verbalsubstantiv m. 'durch' + Beziehungswort im Genitiv

Beispiel:

hostibus agrîs vâstandîs incendiîsque faciendîs nocêre den Feinden durch die Verwüstung der Felder und das Legen von Bränden schaden

Gelegentlich ist die Übersetzung durch einen Nebensatz mit 'indem' nötig. Dabei ist es, wie beim Ablativus absolutus, nötig, darauf zu achten, wer die im Gerundivum ausgedrückte Verbalhandlung ausführt (logisches Subjekt):

Beispiel:

Etiam auxiliârês ad pûgnam lapidibus têlîsque subministrandîs spêciem pûgnantium praebuêrunt. Sogar die Hilfstruppen boten den Eindruck von Mitkämpfern, indem sie Steine und Wurfgeschosse auf das Schlachtfeld brachten.