Universität Erfurt

Bedeutende Neuerwerbung in Gotha präsentiert: Pressemitteilung Nr.: 51/2016 - 18.05.2016

Die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt hat heute auf Schloss Friedenstein eine bemerkenswerte, fast 1.000 Blatt umfassende handschriftliche Sammlung zur Gothaer Hofkultur im 18. Jahrhundert präsentiert, die sie kürzlich aus Privatbesitz erwerben konnte. Es handelt sich um Teile des Nachlasses des Diplomaten und Politikers Christoph Dietrich von Keller (1699–1766), der nach seinen Diensten als württembergischer Gesandter am preußischen Hof und Kaiserlicher Reichshofrat das Schloss Stedten bei Bischleben erbauen ließ, als Wohnsitz nutzte und von 1751 bis 1763 Hofmarschall und Staatsminister im Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg war.

Bereits in jungen Jahren war Keller mit Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg (1710–1767), der Gemahlin Herzog Friedrichs III., in Kontakt gekommen, auch Mitglied des von ihr gegründeten Eremiten-Ordens „Ordre des Hermites de bonne humeur“, und hatte sich Jahre vor seiner Anstellung auf diplomatischem Weg für die Belange des Gothaer Hofes eingesetzt. Die Herzogin galt als eine der gebildetsten Fürstinnen ihrer Zeit. Neben Voltaire, Diderot, Rousseau und Friedrich dem Großen unterhielt sie Briefkontakte mit vielen Vertretern der politischen und geistigen Elite Europas. Mit Keller als engstem Vertrauten führte sie einen sehr intensiven Briefwechsel. Aus dieser bedeutenden, bislang unveröffentlichten Korrespondenz, die der Wissenschaft bisher nicht zur Verfügung stand, konnte die Bibliothek nun mehr als 520 eigenhändige Briefe der Herzogin aus den Jahren 1744 bis 1762 und undatierte Schreiben erwerben, die auf eindrucksvolle Weise die gesellschaftlichen und politischen Probleme des Hofes illustrieren. Die Freundschaft und Korrespondenz der Herzogin mit Friedrich dem Großen und die nicht unerheblichen Kriegsanstrengungen des kleinen Landes werden darin ebenso thematisiert wie die Vormundschaft Gothas für den minderjährigen Herzog Ernst August II. Konstantin von Sachsen-Weimar-Eisenach (1748–1755) und die Erziehung des Gothaer Erbprinzen Friedrich (1735–1756) sowie dessen Bildungsreise nach Paris mit seinem Erzieher Ulrich von Thun. In anderen der freundschaftlichen und vertraulichen Briefe dominieren diplomatische, gesellschaftliche und private Themen: Die Herzogin bittet um Rat beim Ankauf von Silber, Keller wird gebeten, sich um den Ehevertrag oder später um die Anstellungen für die Kinder der Oberhofmeisterin, die immer wieder als gemeinsame Freundin bezeichnet wird, zu bemühen, er soll beim Kauf von Schloss Molsdorf beraten, er übersieht die Korrespondenz mit der Schwester des Herzogs Augusta Prinzessin von Wales und wird in Fragen der höfischen Etiquette zu Rate gezogen.

Dieser Fundus wird von drei größeren Korrespondenzen ergänzt: zum einen mit 28 Briefen Herzog Friedrichs III. von Sachsen-Gotha-Altenburg an Christoph Dietrich Keller aus den Jahren 1748 bis 1765. In ihnen werden die gleichen Themenschwerpunkte wie in den Schreiben der Herzogin angesprochen, allerdings stärker mit dem politischen Tagesgeschehen befasst.

Louise Dorothea war schon in Kindertagen mit Juliane Franziska von Neuenstein befreundet und hatte sie 1735 zu ihrer Hofdame bestimmt. Vermählt mit dem sachsen-gothaischen Oberhofmeister Schack Hermann von Buchwald war sie zeitlebens eine einflussreiche Persönlichkeit, eine Gönnerin des jungen Goethe und unterhielt einen eigenen literarischen Salon. Von dieser Vertrauten der Herzogin sind mehr als 80 Briefe aus den Jahren 1738 bis 1749 und weitere 40 Schreiben von Familienangehörigen der Oberhofmeisterin mit Christoph Dietrich von Keller in diesem Teilnachlass enthalten.

Zum Dritten konnten zwei Briefe Kellers an die Herzogin erworben werden, in denen er sich mit politischen Sachverhalten auseinander auseinandersetzt. Neben umfangreichen Korrespondenzen der Familie von Keller aus dem 18. bis 20. Jahrhundert finden sich Briefe von Johann Eustach von Görtz an den preußischen Diplomaten Christoph von Keller und Briefe, das Gut Stedten bei Erfurt betreffend.

„Die Sammlung ergänzt hervorragend den in der Forschungsbibliothek Gotha vorhandenen Schriftwechsel, den Herzogin Luise Dorothea und der französische Philosoph Voltaire führten“, erklärt Dr. Kathrin Paasch, die Leiterin der Forschungsbibliothek Gotha. In diesen 238 bereits editierten Briefen finden auch die Themen Niederschlag, die die Herzogin mit ihrem Vertrauten Keller erörterte. Das Korrespondentennetzwerk wird durch die Briefe der Oberhofmeisterin exzellent ergänzt, von der bisher keinerlei Ego-Dokumente bekannt waren. Nicht zuletzt runden die Familienbriefe des Nachlassers den Bestand ab und ermöglichen weitere Forschungen zur Regionalgeschichte.

Bildnachweise:

  • Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg: Brief an Christoph Dietrich von Keller. ohne Ort, ohne Datum.
  • Christoph Dietrich von Keller: Brief an Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg. Stedten, 27.10.1750.

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