Universität Erfurt

"Kopfwandel" beim Katholikentag in Leipzig: Pressemitteilung Nr.: 48/2016 - 11.05.2016

Prof. Dr. Jörg Seiler
Prof. Dr. Jörg Seiler

Wenn sich Katholiken aus aller Welt vom 25. bis 29. Mai 2016 in Leipzig beim Katholikentag treffen, werden auch Vertreter der Universität Erfurt mit von der Partie sein. Einer von ihnen ist Jörg Seiler, Professor für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät. Er stellt in Leipzig das Forschungsprojekt „Kopfwandel. West-östliche Kirchenerfahrungen“ vor, an dem er zusammen mit Prof. Dr. Hildegard König von der Technischen Universität Dresden und Prof. Dr. Harald Schwillus von der Martin-Luther-Universität Halle arbeitet. Geschehen soll dies mithilfe einer interaktiven Ausstellung mit Hörstationen, zudem ist eine prominent besetzte Podiumsdiskussion in Verantwortung von Prof. Dr. Michael Gabel (Erfurt) zum Thema geplant. Ziel der wissenschaftlichen Untersuchung ist es, zu schauen, ob es unterschiedliche Erfahrungen von Kirche und gelebter Glaubenspraxis zwischen West- und Ostdeutschland gibt.

„Immer wieder erzählen Menschen, die bedingt durch die deutsche Wiedervereinigung ihren Lebensmittelpunkt verschoben haben – sei es von West- nach Mittel- und Ostdeutschland oder umgekehrt –, von einer neuen Erfahrung von Kirche und Gemeinde und von unterschiedlichen Haltungen der Kirchengemeinden zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Manchmal werden die neuen Erfahrungen kritisch bewertet, manchmal auch verfestigte Erfahrungsstrukturen von Kirche aus der Zeit vorher infrage gestellt. Diese Erfahrungen von Kirche am anderen Ort wollen wir exemplarisch und empirisch untersuchen“, erklärt Prof. Dr. Jörg Seiler. Denn er und seine Kollegen vermuten, dass westliche und östliche Kirchenerfahrungen unterschiedlich geprägt sind, und dass in dieser Differenz Impulse für die Entwicklung der katholischen Kirche in Deutschland ausgemacht werden können. Durch Interviews mit Menschen aus dem städtischen Umfeld wollen die Wissenschaftler von den theologischen Ausbildungsstätten in Ostdeutschland der Sache auf die Spur kommen. „Wir erwarten Aussagen über die Dynamiken religiöser Sozialisation in den alten und neuen Bundesländern und Aufschlüsse über das Potenzial, das überall dort wirksam wird, wo ein tendenziell ‚unkirchlich‘ bzw. areligiös geprägtes Umfeld eine Herausforderung für christliches Leben ist.“

Die Idee zum „Kopfwandel“-Projekt hat zwei Wurzeln: Zum einen wollte die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Erfurt ihre Kontakte zu den anderen theologischen Ausbildungsstätten in den neuen Bundesländern vertiefen. „Darüber hinaus hatten wir festgestellt, dass Katholischsein in Mittel- und Ostdeutschland irgendwie ein anderes ‚Geschmäckle‘ hat als dort, woher wir kommen – nämlich aus Westdeutschland“, sagt Seiler, der gebürtige Stuttgarter. „Das hat uns interessiert. Deswegen kamen wir auf die Idee, Katholiken, die von Westdeutschland nach Mittel-/Ostdeutschland gezogen sind, einfach mal auf ihre Kirchenerfahrungen hin zu befragen.“ Zunächst ging es den drei Wissenschaftlern ganz schlicht darum, zu überprüfen, ob ihre Anfangsthese – nämlich dass es unterschiedliche Erfahrungen von Kirche und gelebter Glaubenspraxis zwischen West und Ost gibt – verifiziert werden kann. Die Erkenntnisse und Ergebnisse aus der Befragung sollen dann dabei helfen, gemeindliche Gesprächsprozesse über „Kirchesein“ in Mittel- und Ostdeutschland anzustoßen.

Beim Katholikentag in Leipzig wollen Jörg Seiler und seine Kollegen nun ausgewählte Sequenzen aus den Interviews in Hörstationen präsentieren. „Die Gäste sind darüber hinaus eingeladen, uns ihre Erfahrungen von Kirche im West-Ost-Vergleich in einer ‚Gesprächsbox‘ zu hinterlegen“, ergänzt der Theologe, der den Katholikentag als eine wunderbare Plattform für Gespräche rund um den „Kopfwandel“ betrachtet – schließlich kommen hier Katholiken aus allen Regionen Deutschlands und mit ganz unterschiedlichen Prägungen zusammen. „Wir sind gespannt auf deren Erfahrungen. Ich rechne mit Zustimmung und Widerspruch. Ich glaube, dass insgesamt ein Panoptikum verschiedenster Kirchenerfahrungen zur Sprache kommen wird. Über diese Art von Selbstreflexion können wir zudem einige Impressionen auf die Katholizismen hier in Mittel- und Ostdeutschland geben. Denn vielleicht kennen wir einander auch nach 25 Jahren der Einheit noch immer zu wenig.“

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