Universität Erfurt

Vortrag über die deutsche Geografie vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg: Pressemitteilung Nr.: 41/2015 - 02.04.2015

Das Pagenhaus auf Schloss Friedenstein - im Vordergrund: das Herzog-Ernst-Denkmal.

„Ein wachsendes Volk braucht Raum“ – über die deutsche Geografie vor, im und nach dem Ersten Weltkrieg spricht Prof. Dr. Hans-Dietrich Schultz (Berlin) in einem öffentlichen Vortrag, zu dem das Forschungszentrum Gotha der Universität Erfurt am kommenden Donnerstag, 9. April, alle Interessierten herzlich einlädt. Beginn ist um 17.15 Uhr im Seminarraum des Forschungszentrums, der Eintritt ist frei.

Das Jahr 2014 erbrachte neben einer neuerlichen Ursachenforschung zum Ersten Weltkrieg auch interessante Studien zur „geistigen Mobilmachung“ durch die Bildungseliten. Geografen kamen dabei kaum vor, obwohl sie alles andere als abseits standen. Abseits des Mainstreams lag allerdings ihr Beitrag zur Kriegsschuldfrage, der als letzten Grund für den Krieg die „ewigen“ Gesetze der Natur identifizierte, zu denen v.a. Friedrich Ratzels „Gesetz der wachsenden Räume“ zählte. Für die Geografen stand hinter dem Krieg die „Logik der Erde“: So wurde etwa die Gasspannung in der Magmakammer eines Vulkans mit den politischen Spannungen zwischen den Staaten gleichgesetzt. Bekanntlich entschieden die natürlichen Gesetze den „Kampf um Raum“, der als Urgrund allen Lebens galt, für die Alliierten. Die geografische Diskussion der Nachkriegszeit versuchte dies mit einer Doppelstrategie zu bewältigen: Jetzt trat neben dem klassischen Argument der Naturbedingtheit des politischen Geschehens verstärkt das völkische Motiv in den Vordergrund, begrifflich als „Volks- und Kulturboden“-Theorie vorgetragen. Beide Argumentationsstränge eigneten sich für eine revisionistische Strategie, die verhinderte, dass sich die Weimarer Republik mit der Niederlage abfand und stattdessen eine neuerliche Vorkriegszeit intellektuell heranzog. Dabei spielten die Geografen ein raffiniertes Doppelspiel, bei dem je nach Bedarf die „Raumgesetze“ oder die „Lebensgesetze“ der Völker beschworen wurden – und speziell die des deutschen Volkes.

Hans-Dietrich Schultz ist Prof. em. für Didaktik der Geografie am Geografischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Wissenschaftsgeschichte der Geografie und Schulgeografie sowie die Geschichte der Raumkonstruktionen in der deutschen Geografie des 19./20. Jahrhunderts.

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