Universität Erfurt

Geheimnis und Faszination: Zweites Erfurter Fachgespräch zur Amploniana: Pressemitteilung Nr.: 15/2010 - 15.01.2010

Die „Bibliotheca Amploniana”, die größte noch geschlossen erhaltene Handschriftensammlung des spätmittelalterlichen Gelehrten Amplonius Rating de Berka, war am Donnerstag dieser Woche zum zweiten Mal Thema eines wissenschaftlichen Fachgesprächs an der Universität Erfurt. Historiker, Theologen und Bibliotheksfachleute suchten dabei nach neuen Forschungs-perspektiven zu den theologischen und medizinischen Handschriften.

Die Amploniana gilt unter Fachleuten als eine der bedeutendsten Sammlungen mittelalterlicher Handschriften in Deutschland. Medizinhistoriker, die an der wissenschaftlichen Konferenz teilnahmen, wiesen jetzt auch auf den großen Bestand medizinhistorischer Handschriften hin. Er biete die Basis, um eine Medizingeschichte des Mittelalters zu schreiben. „Bis dahin allerdings ist es noch ein weiter Weg“, erklärte Dr. Brigitte Pfeil, Mitarbeiterin der Universitäts- und Forschungsbibliothek . „Zunächst gilt es, die thematisch vielfältigen Handschriften weiter nach modernen Beschreibungskriterien zu erfassen und so der Wissenschaft zugänglich zu machen.“ Dass die Amploniana für eine breite Forschung vielfältige Quellen bereithält, wurde in dieser Woche noch einmal eindrucksvoll belegt. Prof. Dr. Helmut Flachenecker, Würzburg, und Prof. Dr. Walter Senner, Rom, luden dazu ein, die Bibliothek des Amplonius Rating de Berka im Umfeld der bedeutenden Erfurter Ordensbibliotheken des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu sehen. Allein schon mit Blick auf die  Zahl der Bibliotheken muss nach ihrer Aussage Erfurt in dieser Zeit ein weit ausstrahlendes Bildungszentrum gewesen sein, das in engem Austausch mit Universitäten und Gelehrtennetzwerken in ganz Europa stand. Prof. Dr. Volker Leppin, Jena, wies auf die innere Organisation der Amploniana und einzelner Handschriften hin. Dass Amplonius ganz unterschiedlicher Texte in einem Codex zusammengebunden habe, müsse kein Zufall sein, offensichtlich seien bestimmte Handschriften in „irritierender Kombination“  bewusst zusammengebunden worden. Die Medizinhistorikerin Dr. Britta-Juliane Kruse aus Wolfenbüttel und  Dr. Bernhard Schnell, Göttingen, unterstrichen indes, dass die medizinhistorischen Werke mehr Beachtung verdienten: Welche Schriften besaß Amplonius, wo setzte er Schwerpunkte, machte er neue Entwicklungen in der Medizin seiner Zeit mit? Nicht zuletzt verdeutlichte das durch die Fritz Thyssen Stiftung geförderte Erfurter Fachgespräch, dass auch die Entwicklung der Bibliothek Beachtung verdient. Nach Amplonius sind weitere Schriften, dann auch Drucke hinzugekauft worden. Vor welchem Interessenshintergrund, das ist bislang nicht untersucht worden. Wie überhaupt die Amploniana noch manches Geheimnis birgt, dem die Arbeitsgruppe Bibliotheca Amploniana der Universität, die von der Katholisch-Theologischen Fakultät koordiniert wird, auf die Spur kommen möchte. Bald 600 Jahre nach ihrer Übergabe an das Collegium Porta Coeli hat die Bibliothek nichts von ihrer Faszination verloren. Sie ist das Zeugnis einer großen mittelalterlichen Bildungslandschaft.

Weitere Informationen / Kontakt:

Prof. Dr. Benedikt Kranemann

Navigation

Werkzeugkiste