Meister Eckhart (1260–1328; ab 1294 Prior des Erfurter Dominikanerklosters) hat nicht nur seiner Zeit etwas zu sagen – und auch nicht nur zu religiösen Fragen. Das zeigte Prof. Dietmar Mieth (Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur-und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt und Präsident der Meister Eckhart Gesellschaft) in einem Vortrag im Rahmen einer Tagung der Universität Löwen (Belgien) und des „Internationalen und transdisziplinären Netzwerkes für Studien zur Spiritualität“. Thema war die heutige Bedeutung mittelalterlicher mystischer Texte.
Im Unterschied zu den Bettelmönchen, die sich auf die Armut als Lebensform konzentrierten, redete Eckhart zu den Bürgern und den religiösen Frauen aus dem Stadtpatriziat gern über den Reichtum. Aber statt in Bußpredigten über den Reichtum herzuziehen, legte er Wert darauf, dass Gott der einzig wahre „Reiche“ sei, weil er keinen Mangel kenne. „Niemand ist reich als Gott alleine.“ Auf der anderen Seite halte Gott aber nichts für sich fest, sondern verausgabe seinen Reichtum – das „Reich Gottes“ der Bibel – ohne Vorbehalte. Deshalb betont Eckhart weniger die Nachfolge des armen Jesus, die er als Dominikaner lebte, als die „Nachfolge des reichen Gottes“ in der freigebigen Lebensweise und in der Pflicht zur Verteilung der Reichtümer. Besitz und Verantwortung fallen bei ihm zusammen. Diese gesellschaftskritische und moderne Seite des Meisters ist weniger bekannt, obwohl bereits Erich Fromm in seinem Buch „Haben oder Sein“ (1976) darauf zurückgriff: die Armen werden mehr haben, wenn die Reichen mehr zu ihrem wahren Selbst finden.
Ansonsten aber „boomt“ Meister Eckhart derzeit insbesondere international. Gerade wurde die mehrbändige japanische Ausgabe seiner Werke fertig gestellt (Prof. Nakayama in Tokyo). Eine neue lateinisch-englische Eckhart-Ausgabe erscheint seit 2012, herausgegeben von Prof. Markus Vinzent, London, der als Fellow im letzten Semester am Max-Weber-Kolleg tätig war. Eine isländische Übersetzung der Predigten ist in Vorbereitung. Die wissenschaftliche Ausgabe wird mit einem neuen Impuls der Deutschen Forschungsgemeinschaft fortgeführt. Auf Französisch erschien in Paris eine Enzyklopädie, die Texte von Eckhart bis Nikolaus von Kues aufarbeitet. Die lateinischen Schriften werden vor allem in Lecce, Italien, betreut. Es wäre wünschenswert, wenn auch das Land Thüringen ebenso wie Stadt Erfurt das gleiche Interesse für den Meister aus Thüringen aufbringen könnten, das ihm andernorts entgegen gebracht wird.